Abt begeht Mariä Himmelfahrt an geschichtsträchtigem Ort

"Eine Feier der Menschenwürde"

Katholiken in aller Welt feiern Mariä Himmelfahrt. An dem Ort, wo Maria in den Himmel gefahren sein soll, steht heute die Dormitio-Abtei. Abt Nikodemus Schnabel spürt die Bedeutung des Hochfestes in diesen Tagen besonders.

Dormitio Abtei in Jerusalem / © Karin Wabro (shutterstock)
Dormitio Abtei in Jerusalem / © Karin Wabro ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Der Name ihrer Abtei bezieht sich auf das Fest Mariä Himmelfahrt. Was ist der Hintergrund?

Abt Nikodemus Schnabel OSB (Abt der Dormitio-Abtei in Jerusalem): Dormitio ist die Entschlafung Mariens. Für den Kontext: Das ist der östliche Name. Wir haben im westlichen Bereich die Assumptio, die Aufnahme Mariens in den Himmel.

Abt Nikodemus Schnabel im Bensberger Kardinal Schulte Haus / © Beatrice Tomasetti (DR)
Abt Nikodemus Schnabel im Bensberger Kardinal Schulte Haus / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Das ist der Ort, der bei uns verortet wird. Wer unsere Kirche kennt und die Krypta hinuntersteigt, sieht eine aufgebarte Maria auf ihrem Totenbett. Heute sprechen wir vom Tod Mariens, weil das dem Festgeheimnis nicht widerspricht. 

Wir glauben, dass Maria mit Leib und Seele als ganzer Mensch bei ihrem geliebten Sohn im Himmel ist. Eine wunderbare Verheißung, die jedem von uns gilt. Jeder Mensch hat diese Berufung, mit Leib und Seele von Gott aufgenommen zu werden. 

Nur bei Maria wird es feierlich als Glaubenslehre und als ein festes Hoffnungszeichen verdeutlicht. Früher hat man vermieden, vom Marientod zu sprechen. Das wurde im 19. Jahrhundert stark diskutiert. Denn man sagt, der Tod sei Folge der Sünde und Maria war ohne Sünde. Deswegen müssten wir sozusagen ihr biologisches Ende anders bezeichnen. 

Dormitio-Abtei

Dormitio-Abtei in Jerusalem / © Renardo Schlegelmilch (DR)
Dormitio-Abtei in Jerusalem / © Renardo Schlegelmilch ( DR )

Die deutschsprachige Benediktinerabtei der Dormitio gehört als Blickfang zur Silhouette Jerusalems. Der Bau des Klosters auf dem Zionsberg am Rande der Altstadt begann im März 1906. Es befindet sich dort, wo nach kirchlicher Überlieferung das Letzte Abendmahl Jesu und die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel stattfanden. Abt ist seit 2023 Pater Nikodemus Schnabel.

Der Ort, auf dem mein Kloster steht, ist der Tradition nach der Ort, an dem Maria gelebt hat. Dort stand das Haus Mariens, in dem sie die letzten Jahre ihres Lebens verbracht hat und wo sie gestorben ist. Dort wurde sie, wie wir glauben, von Gott in den Himmel aufgenommen. 

Die Kräuterweihe gibt es bei uns auch. Das ist nicht nur etwas Deutsches. Gestern waren die Brüder fleißig beim Sträußchenbinden. Wir werden oben in der Kirche selbst einen großen Pontifikalgottesdienst haben. Dieses Jahr ist es auf wenige Pilger reduziert. Es werden eher Einheimische und wahrscheinlich sehr viele Ordensleute kommen. 

Im Anschluss an die Eucharistiefeier gehen wir hinunter zu diesem Gnadenort. Dort werden wir die Kräuter weihen und verteilen. Dieses Jahr beten wir speziell für den Frieden. Dazu haben der Lateinische Patriarch und auch alle Bischöfe im Heiligen Land aufgerufen. 

Ich freue mich auch. Ich habe gesehen, dass viele andere Länder, auch die Deutsche Bischofskonferenz, das für sich adoptiert haben. Das ist schön, weil wir sagen, dass es ein Hoffnungsfest ist. Momentan sind wir nach über zehn Monate Ausnahmesituation an einem Punkt, an einem Ozean von Leid angelangt und können so unsere Hoffnung stärken.

Nikodemus Schnabel

"Mit Maria entdecken wir die Schönheit des Menschseins. Das ist für mich die bleibende Botschaft des Festes." 

DOMRADIO.DE: Sie sind schon auf die Bedeutung des Ortes eingegangen, an dem heute die Dormitio-Abtei steht. Was sieht man von der damaligen Bedeutung für Maria heute noch?

Schnabel: Gerade jetzt angesichts dieses ganzen Leides des Krieges, der Dehumanisierung, des Tretens der Menschenwürde, des Hasses, glauben wir Christen, dass Maria der Mensch schlechthin ist. Sie ist sozusagen der Mensch von Gott gewollt. 

Sie ist das lebende Abbild dessen, was wir auch säkular sagen, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Diese Verheißung, dass Gott Maria mit Seele und Leib in den Himmel aufgenommen hat, finde ich so kostbar, weil wir manchmal die Vorstellungen von diesem bösen Körper haben. 

Der Körper als Gefängnis steht im Gegensatz zu der guten Seele. Wir sind jedoch als ganzer Mensch mit unserer Leiblichkeit, unserer Körperlichkeit von Gott geliebt, gewollt und auch zur Erlösung bestimmt. 

Blick in die goldene Apsis mit einer Darstellung von Maria mit dem Jesuskind in der Abteikirche Dormitio / © Andrea Krogmann (KNA)
Blick in die goldene Apsis mit einer Darstellung von Maria mit dem Jesuskind in der Abteikirche Dormitio / © Andrea Krogmann ( KNA )

Das heißt, für mich ist das heutige Fest eine Feier der Menschenwürde. Deswegen finde ich es passend, dass wir speziell mit Maria die Schönheit des Menschseins entdecken. Das ist für mich die bleibende Botschaft des Festes. 

Nikodemus Schnabel

"Es ist die Verheißung für uns alle, dass wir alle mal bei Gott sein werden als vollständige Persönlichkeit."

Was wir heute feiern, ist nichts Exklusives. Das ist wichtig. Das haben auch die Päpste immer wieder klar gemacht. Wir haben andere Marienfeste, wie Maria als Mutter Gottes. Denn nur sie hat Jesus geboren. Das wird kein anderer tun. Das gilt auch für die unbefleckte Empfängnis am 8. Dezember. Aber der 15. August ist nichts, was nur für Maria reserviert ist. Es ist die Verheißung für uns alle, dass wir alle mal als vollständige Persönlichkeit bei Gott sein werden.

DOMRADIO.DE: Sie dürfen nicht nur heute, sondern an jedem Tag im Jahr das Hochfest Mariä Himmelfahrt feiern. Was ist das für eine spezielle Regel?

Schnabel: Das ist im gesamten Heiligen Land so. Man darf zum Beispiel in der Grabeskirche am leeren Grab jeden Tag Ostern feiern. Man darf oben auf Golgatha jeden Tag Kreuzerhöhung feiern. Man darf in Bethlehem in der Geburtsbasilika jeden Tag Weihnachten feiern. Bei uns darf man halt jeden Tag den 15. August feiern. 

Marienfigur in der Krypta der Dormitio-Abtei in Jerusalem / © Andrea Krogmann (KNA)
Marienfigur in der Krypta der Dormitio-Abtei in Jerusalem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Das ist eine alte Tradition von Pilgern aus dem frühen Mittelalter, die beschreiben, wie sie auf der Pilgerfahrt diese verschiedenen Orte begehen und dort gedenken. Sie machen sozusagen eine Pilgerfahrt durch die Heilsgeschichte.

Nikodemus Schnabel

"Wir sind vielleicht der einzige Ort, an dem Ort Zeit schlägt."

Das heißt, man kann sagen, wir sind vielleicht der einzige Ort, an dem Ort Zeit schlägt. Sonst sind wir sehr stark im Rhythmus des Kirchenjahres, aber uns ist der Ort durchaus wichtig.

Wie in Bethlehem das ganze Jahr Weihnachtslieder gesungen werden, werden bei uns das ganze Jahr die Marienlieder und Aufnahmen von Leib und Seele gefeiert.

DOMRADIO.DE: Was bringt es Ihnen spirituell an einem für Christen bedeutsamen Ort zu leben? Denkt man daran täglich?

Schnabel: Es ist nicht Alltag. Pilger helfen einem, immer wieder neu zu entdecken, an was für einem Gnadenort man lebt. Ich habe gemerkt, wie kostbar dieser Ort ist, gerade in diesen letzten Monaten.

Dieser Ort war nie ohne Beterinnen. Sehr viele Frauen, sehr viele unserer katholischen Glaubensgeschwister sind Migrantinnen aus den Philippinen, aus Indien oder aus Sri Lanka. Sie leiden unter Heimweh und haben schwierige Arbeitsbedingungen. 

Sie haben wirklich ein hartes Leben. Ich habe gemerkt, dass dieser Marienort für diese Frauen ein kostbarer Ort ist. Das war für mich stark zu erleben. Dieser Ort war nie ohne Beterinnen. 

Nikodemus Schnabel

"Welche Gnade habe ich, Mönch sein zu dürfen an einem Ort, den viele als ein Kraftort für ihr persönliches Leben erleben?"

Dadurch denke ich dann, welche Gnade ich hab, Mönch sein zu dürfen an einem Ort, den viele als ein Kraftort für ihr persönliches Leben erleben. Das berührt mich sehr. 

Das Interview führte Tim Helssen.

Mariä Himmelfahrt

Am 15. August feiert die katholische Kirche das Hochfest Mariä Himmelfahrt. Es hat seinen Ursprung in der Ostkirche, wo es im Jahr 431 eingeführt wurde. In der römischen Kirche wird die – in der Bibel nicht beschriebene – Aufnahme Mariens in den Himmel seit dem 7. Jahrhundert gefeiert, in Deutschland seit dem 9. Jahrhundert.

Mariä Himmelfahrt, Fenster der Kirche Notre-Dame-des-Airs / © P.Razzo (KNA)
Mariä Himmelfahrt, Fenster der Kirche Notre-Dame-des-Airs / © P.Razzo ( KNA )
Quelle:
DR