Als der Papst die Kommunisten exkommunizierte

Viel Aufregung und wenig Wirkung

Mit Wahlempfehlungen sind Bischöfe in der Regel vorsichtig. Das war früher anders. Vor 75 Jahren drohte der Papst, wer die Kommunistische Partei unterstütze, exkommuniziere sich. Kommunismus wurde so zur Todsünde.

Autor/in:
Roland Juchem
Papst Pius XII. (KNA)
Papst Pius XII. / ( KNA )

Im Juli 1949 tauchten an italienischen Pfarrkirchen landesweit Aushänge auf. Darauf zu lesen stand: 

"Kirchliche Bekanntmachung. Eine Todsünde begeht und kann nicht losgesprochen werden: 1. Wer Mitglied der kommunistischen Partei ist. 2. Wer in jeglicher Weise für sie Propaganda macht. 3. Wer für diese oder ihre Kandidaten stimmt. 4. Wer für die kommunistische Presse schreibt, sie liest oder verbreitet (...)" 

Und weiter: Wer sich zur "materialistischen und antichristlichen Lehre des atheistischen Kommunismus" bekenne, diese verteidige und verbreite, sei damit "exkommuniziert und vom Glauben abgefallen".

Papst Pius XII. während einer Rundfunkansprache im Jahr 1941 (KNA)
Papst Pius XII. während einer Rundfunkansprache im Jahr 1941 / ( KNA )

Anlass für die Kampagne war ein Vatikan-Dekret vom 1. Juli 1949. Damit antwortetet das Heilige Offizium, wie die vatikanische Behörde für die Glaubenslehre damals hieß, auf vier Fragen zur Kommunistischen Partei. Die Antworten lauteten etwa so wie auf den Pfarreiaushängen zu lesen. Der Papst selbst hatte das Dekret tags zuvor approbiert.

Dass Pius XII. von Kommunisten rein gar nichts hielt, war lange bekannt. Es sei Recht und Pflicht der Kirche, ermahnte er im März
1946 die Pfarrer Roms, "die Gläubigen ... zu belehren, in Bezug auf alles, was ... unvereinbar ist mit ihrer eigenen Lehre und darum
unannehmbar für Katholiken, mag es sich um philosophische oder religiöse Systeme handeln ...". 

Seine Kurie beschwor er in der Weihnachtsansprache: "Kein Christ hat das Recht, im Kampf gegen die antireligiöse Woge der Gegenwart müde zu werden."

Ernster historischer Hintergrund

Was bei Don Camillo und Peppone aber kurios und amüsant wirkt, hatte im Nachkriegs-Italien einen ernsten Hintergrund. Die
antifaschistische Allianz der italienischen Resistenza, bestehend aus Kommunisten, Sozialisten, Katholiken, Monarchisten und Republikanern, zerbrach nach Kriegsende.

Bald ging es darum, wer im verfassungsgebenden Konvent welchen Einfluss bekam. Papst, Kurie und Bischöfe taten alles, um die junge "Democrazia Cristiana" zu stärken. 

Mit deren "christlicher Staatsauffassung" sah die katholische Kirche ihre eigenen
Vorstellungen am ehesten gewahrt. Keinesfalls sollten der Kompromiss der Lateranverträge von 1929 und der Vatikanstaat gefährdet werden.

Trotz des überwältigenden Sieges der Christdemokraten bei den Parlamentswahlen 1948 mit knapp 49 Prozent blieben die Kommunistische (PCI) und Sozialistische Partei Italiens (PSI) über Jahrzehnte bestimmende Größen im Land. 

Die Tatsache, dass beim kirchlichen Verbot der Mitgliedschaft in kommunistischen Organisationen ausschließlich italienische Vereinigungen genannt waren, machte klar: Der Kurie ging es vor allem um Italiens Kommunisten.

Das Dekret löste heftige Kontroversen aus; selbst mit einigen katholischen Bewegungen, die ihre Anliegen auch bei der PCI vertreten sahen. Nur fünf Wochen später musste das Offizium nachträglich beschwichtigen: Der Ausschluss von den Sakramenten gelte nicht für die kirchliche Trauung.

Neue Dialog-Bemühungen abgelehnt

Trotz aller Aufregung blieb das Dekret nach Einschätzung von Historikern so gut wie wirkungslos, bewirkte noch eher das Gegenteil. Pius XII. selbst deutete dies 1956 in einer Rede vor Arbeitern in Terni an. 

"Der gottlose Materialismus" sitze bei ihnen fest im Sattel. Er frage sich, wie "eine solche Hartnäckigkeit bei einem großen Teil der doch so guten Arbeiterschaft immer noch möglich ist".

Papst Johannes XXIII. bei einer Ansprache während der ersten Sessio des Zweiten Vatikanischen Konzils im Jahr 1962 im Vatikan. Links neben ihm sitzt Erzbischof Alfredo Ottaviani, Präfekt der Congregatio Sancti Officii (dt. Heilige Kongregation des Heiligen Offizium). / © Ernst Herb (KNA)
Papst Johannes XXIII. bei einer Ansprache während der ersten Sessio des Zweiten Vatikanischen Konzils im Jahr 1962 im Vatikan. Links neben ihm sitzt Erzbischof Alfredo Ottaviani, Präfekt der Congregatio Sancti Officii (dt. Heilige Kongregation des Heiligen Offizium). / © Ernst Herb ( KNA )

Als kurz darauf Linkskatholiken anfragten, ob zumindest zeitweise ein Dialog mit Kommunisten möglich sei, lehnte der Vatikan ab. Dies würde die Gläubigen in kommunistisch regierten Staaten verwirren. Stattdessen dehnte die Glaubensbehörde im April 1959 das Verbot auf Parteien und Kandidaten aus, die sich "mit den Kommunisten verbünden und ihnen durch ihr Verhalten helfen". 

Abgenickt hatte dies der Reformpapst Johannes XXIII.

Debatten über Haltung bleiben aktuell

Formal aufgehoben wurden die Dekrete bis heute nicht. Eher haben Leben und Geschichte die harschen Verdikte abgeschliffen - auch wenn das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) in seiner Konstitution "Gaudium et spes" atheistische und materialistische Lehren ebenfalls verurteilte.

Die Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Grünen beim Katholikentag 1986 in Aachen um das Thema Abtreibung sowie die gegen die AfD gerichtete Erklärung der deutschen Bischöfe vom Februar 2024 über die Unvereinbarkeit von völkischem Nationalismus mit dem christlichen Glauben belegen jedoch: 

Debatten über die Haltung von Katholiken gegenüber politischen Systemen und Weltanschauungen sind nicht vorüber.

Quelle:
KNA