Die Bezeichnung ihrer Religionsgemeinschaft kommt selbst vielen Mitgliedern befremdlich vor. Bei ihrer Synode im vergangenen Jahr diskutierten die Alt-Katholiken in Deutschland teils leidenschaftlich über einen neuen Namen. Der Begriff "alt-katholisch" wecke Missverständnisse, hieß es.
Dabei präsentiert sich die Kirche, die am Freitag und Samstag in Bonn ihren 150. Geburtstag feiert, deutlich moderner als die große Schwester, die römisch-katholische Kirche: Pfarrerinnen und Pfarrer, Bischöfinnen und Bischöfe werden von den Kirchenmitgliedern gewählt, Priester dürfen heiraten und auch Frauen sind seit 1994 zum Priesteramt zugelassen.
Geschiedene können wieder heiraten, sie sind nicht von den Sakramenten ausgeschlossen. Auch die Segnung von homosexuellen Partnerschaften ist kein Problem.
Von der Papst-Kirche abgespalten
Die alt-katholischen Kirchen haben sich Ende des 19. Jahrhunderts von der Papst-Kirche abgespalten. Und zwar aus Protest gegen Beschlüsse des Ersten Vatikanischen Konzils (1869/70). Dort wurden die päpstliche Unfehlbarkeit in Fragen von Glauben und Sitte sowie die oberste Leitungsgewalt des Papstes festgeschrieben. Für Kritiker damals ein Bruch mit dem alten katholischen Glauben - deshalb die Bezeichnung Alt-Katholiken.
Derzeit gehören etwa 15.400 Menschen und rund 130 Kleriker in 100 Gemeinden zum "Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland". Sitz des Bistums ist seit der Gründung 1873 Bonn. 2022 gab es einen Rekordzuwachs von 540 neuen Mitgliedern, darunter 440 aus anderen Konfessionen. "Es sind viele römisch-katholische Christen, die zu uns konvertieren", hieß es. Allerdings stieg auch die Zahl der Austritte auf einen Rekordwert: von 164 im Jahr 2021 auf 238.
Von großem Jubel ist Bischof Matthias Ring deswegen weit entfernt.
Das Wachstum des alt-katholischen Bistums sei trotz der vielen Austritte aus den beiden großen Kirchen verschwindend gering, analysierte er. Auch die alt-katholische Kirche müsse sich mit einer immer geringeren Kirchenbindung auseinandersetzen.
Die Distanz zwischen Papst-Kirche und Alt-Katholiken wuchs schnell.
Nach dem Ersten Vatikanischen Konzil folgte ein Exodus vieler Gläubiger, Priester und auch Theologieprofessoren aus der römischen Kirche. Die Dissidenten hatten die Illusion, sie hätten weite Teile des Kirchenvolks hinter sich.
In München fand im September 1871 der erste Kongress der Alt-Katholiken statt. Hier und beim Kölner Folgekongress 1872 wurde beschlossen, eine eigene Seelsorge aufzubauen und staatlich absegnen zu lassen. Zum ersten Bischof wurde der Breslauer Professor Joseph Hubert Reinkens am 4. Juni 1873 in der Kölner Kirche Sankt Pantaleon gewählt.
Papst Pius IX. exkommunizierte ihn umgehend und bezeichnete ihn als den "elendsten Sohn des Verderbens". Letztlich kam der Alt-Katholizismus über Anfangserfolge nicht hinaus. Rom und der Papst wurden hingegen immer mehr zum Ankerpunkt der Weltkirche.
Synodal organisiert
Anders als die römisch-katholische Kirche ist die alt-katholische Kirche synodal organisiert. Sowohl Geistliche als auch Laien nehmen an den Synoden teil, die das höchste Beschlussgremium sind. 1878 beschloss die Synode, die verpflichtende Ehelosigkeit für Diakone, Priester und Bischöfe aufzuheben. Schon seit 1885 werden die Gottesdienste in deutscher Sprache gefeiert. Seit 1985 besteht die Abendmahlsgemeinschaft von Alt-Katholiken und evangelischen Christen.
1996 weihte der damalige Bischof Joachim Vobbe erstmals zwei Frauen zu Priesterinnen.
"Das Verhältnis zwischen alt-katholisch und römisch-katholisch war jahrzehntelang ein Nichtverhältnis", fasst der derzeitige Bischof Matthias Ring die Beziehung der beiden Kirchen zusammen. Das habe sich allerdings in den vergangenen Jahrzehnten gebessert. 2014 waren die alt-katholischen Bischöfe zum ersten Mal bei Papst Franziskus. Es gibt internationale Dialoge und auch ökumenische Zusammenarbeit in Deutschland.
Dabei zeigt die kleine Kirche durchaus Selbstbewusstsein. Man sei auch ohne ein Kirchenoberhaupt gut gefahren, sagte Ring vor einigen Jahren. Die Frage eines anderen Namens soll übrigens bei der nächsten Synode 2024 wieder aufleben. Allerdings, so heißt es, habe die Debatte deutlich gemacht, dass sich die Kirche zuerst darüber verständigen müsse, wofür sie inhaltlich und programmatisch stehen wolle.