Altbischof Kamphaus wird 90 Jahre alt

Ein Fall belastet ihn bis heute

Der ehemalige Limburger Bischof Franz Kamphaus wird an diesem Mittwoch 90 Jahre alt. Als Bischof, Prediger und Seelsorger ist der Gottesmann unvergessen. Vor allem seine wortgewaltigen Predigten wirken bis heute nach.

Franz Kamphaus, emeritierter Bischof von Limburg, legt Georg Bätzing bei dessen Bischofsweihe die Hände auf / © Andreas Kühlken (KNA)
Franz Kamphaus, emeritierter Bischof von Limburg, legt Georg Bätzing bei dessen Bischofsweihe die Hände auf / © Andreas Kühlken ( KNA )

DOMRADIO.DE: Du sagst, bei allen Leistungen von Bischof Kamphaus muss man heutzutage immer auch auf die bischöfliche Rolle beim Thema sexualisierter Gewalt und Missbrauchsaufarbeitung schauen. Wie ist das bei Kamphaus?

Mathias Peter / © Nicolas Ottersbach (DR)
Mathias Peter / © Nicolas Ottersbach ( DR )

Mathias Peter (DOMRADIO.DE-Redaktion Theologie): Er unterstützt seinen Nach-Nachfolger als Limburger Bischof, Georg Bätzing, bei der Aufarbeitung von Sexueller Gewalt im Bistum Limburg ohne Frage. Dennoch gilt für Kamphaus das, was wohl über fast alle Bischöfe seiner Generation zu sagen ist: Sie haben zu wenig gemacht, je nach Bistum Vorfälle sogar vertuscht und/oder die Institution, aber nicht die Betroffenen geschützt oder sind viel zu passiv gewesen. Deswegen kann man heutzutage Bischöfe aus dieser Zeit nicht einfach unkritisch würdigen.

So auch bei Kamphaus. Er hat 2019 schwere Schuld in einem Fall eingeräumt. Da geht es um einen mittlerweile aus dem Klerikerstand entlassenen Priester, der Mitte der 1980er Jahre aus dem Bistum Würzburg ins Bistum Limburg gekommen war und übergriffig wurde. In diesem Fall hätte er selbst entschiedener "durchgreifen müssen", so Kamphaus. Dieser Fall belastet ihn bis heute.

DOMRADIO.DE: Du kommst aus Limburg und hast Kamphaus in seiner aktiven Zeit oft im Limburger Dom erlebt. Wie hat er auf dich gewirkt?

Peter: Er hatte eine große Ausstrahlung als Bischof und Seelsorger. Er war sehr ernsthaft, aber nicht verbissen, Smalltalk war nicht so seine Stärke. Ihm war schon damals der Einsatz für Asylsuchende, für benachteiligte Menschen sehr wichtig. Limburg ist ja eine kleine Stadt und früher ist man ihm ganz einfach ab und zu in der Stadt begegnet. Er fuhr da oft mit seinem kleinen Auto durch die Altstadt und hat sehr wenig Aufhebens um sich gemacht. Im Limburger Dom bei den Gottesdiensten hat Kamphaus als toller Prediger alle in seinen Bann gezogen. Er hat auswendig gepredigt, stellte sich fast in die Mitte des Domes und hat direkt zu allen gesprochen – in klaren Worten, durchaus anspruchsvoll, aber er hat die Leute jedes Mal gefesselt. Man merkte damals sofort: Jedes Wort hat bei ihm gesessen, er hat sich akribisch auf jede Predigt vorbereitet

DOMRADIO.DE: Es ist schon eine Weile her, dass er Bischof von Limburg war, nämlich von 1982 bis 2007. Was hat ihn da ausgezeichnet?

Peter: Zum einen, dass er das Bistum sehr gut kannte. Er kam ja eigentlich aus dem Bistum Münster, aber er hat sich schnell mit Land und Leuten vertraut gemacht und kannte gefühlt am Ende seiner Amtszeit jeden und jede mit Namen. Kamphaus hat auch vor schwierigen Entscheidungen nicht zurückgeschreckt und hat das Bistum früh auf Priestermangel und Gläubigenschwund vorbereitet.

Kamphaus hat außerdem verstärkt auf Laien-Mitarbeit in der Seelsorge gesetzt und besonders die ehrenamtlichen Räte, die "einfachen" Gläubigen bei Entscheidungen mit einbezogen, wobei er schon immer das letzte Wort hatte. Kamphaus pflegte, wie sein Namenspatron Franz von Assisi, einen bescheidenen Lebensstil. Er hat zum Beispiel von Anfang an im Priesterseminar in einer Wohnung gelebt und wollte nicht in einen Bischofspalais oder ähnliches ziehen. Da war ja sein direkter Nachfolger mit dem teuren Bauvorhaben des Bischofshauses und der sprichwörtlichen Badewanne darin ein ziemliches Kontrastprogramm.

DOMRADIO.DE: Und dann war da ja noch die Sache mit Rom und Johannes Paul II. Ende der 1990er Jahre.

Franz Kamphaus, emeritierter Bischof von Limburg / © Harald Oppitz (KNA)
Franz Kamphaus, emeritierter Bischof von Limburg / © Harald Oppitz ( KNA )

Peter: Ja, genau und das hat ihm ja den Ruf eines Rebellen eingebracht, was ihm aber nicht gerecht wird. Einig waren sich der Papst und alle deutschen Bischöfe darin, dass die Kirche ungewollt schwangere Frauen davor bewahren möchte, eine Abtreibung vorzunehmen. Nur die Frage, wie dies am besten gelingt, da gab es eine langwierige und zähe Auseinandersetzung. Die einen Bischöfe boten eine Beratung mit Schein an: Das heißt, nach der Beratung konnten Frauen mit dem Schein straffrei eine Abtreibung vornehmen. Durch diese Beratung mit der Ausstellung des Scheins erhofften Bischöfe wie Kamphaus oder Karl Lehmann vom Bistum Mainz, möglichst viele Frauen in die Beratung zu bekommen, um sie davon zu überzeugen, ihr Kind zu bekommen. Denn sie befürchteten, dass ohne den Schein die entsprechenden Frauen gar nicht erst zur Beratung kommen würden, da wie gesagt nur mit Schein eine Abtreibung straffrei möglich ist, so sieht es das Gesetz vor.

Bistum Limburg

Das vor 185 Jahren gegründete Bistum Limburg gehört zu den jüngeren unter den 27 deutschen Diözesen. Das Bistum ist Teil der Kölner Kirchenprovinz und misst 6.181 Quadratkilometer. Es erstreckt sich größtenteils auf Hessen, zu einem kleinen Teil auf Rheinland-Pfalz. Zur Diözese gehören die Wirtschafts- und Bankenmetropole Frankfurt sowie die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden ebenso wie ländliche Regionen im Rheingau, Taunus, Westerwald und nördlich von Wetzlar.

Blick auf den Limburger Dom / © Sina Ettmer Photography (shutterstock)
Blick auf den Limburger Dom / © Sina Ettmer Photography ( shutterstock )

Andere Bischöfe wie in Köln oder Fulda argumentierten, dass die Kirche sich durch das Ausstellen der Scheine an möglichen Abtreibungen mitschuldig machen würde und das Zeugnis der Katholischen Kirche für das Leben insgesamt verdunkelt werden würde. Dieser Auffassung ist der damalige Papst Johannes Paul II. gefolgt und wies die deutschen Bistümer an, solche Scheine nicht mehr auszustellen und damit aus der staatlich anerkannten Beratung für Schwangere auszusteigen. Kamphaus hat lange dagegen gehalten aus Gewissensgründen, weil er eben viele Frauen ansprechen wollte, aber dann griff Johannes Paul II. direkt ins Bistum ein und wies den damaligen Weihbischof Pieschl an, die Beratung mit Schein zu beenden - das musste dann Kamphaus nicht selbst machen und blieb auch im Amt. Man muss aber sagen, dass es Kamphaus um die Sache ging und nicht darum, als Rebell gefeiert zu werden oder ähnliches.

DOMRADIO.DE: Wie geht es ihm aktuell?

Peter: Er lebt ja seit seinem Ruhestand als Seelsorger in einer Einrichtung mit geistig behinderten Menschen, in Aulhausen im St. Vincenzstift. Dort teilt er seinen Alltag mit den Bewohnern - ist in der Seelsorge tätig, steht als Gesprächspartner zu Verfügung und feiert mit ihnen Gottesdienst. Mit dem Alter wird er den Bewohnern immer ähnlicher, das hat er mal  gesagt, weil er die Einschränkungen des Alters immer mehr spürt. Aber insgesamt geht es ihm altersgemäß, ein Tremor, also ein Zittern der Hände und der Stimme beeinträchtigt ihn ja schon seit Jahren. Dennoch: Vergangenes Jahr ist noch ein neues Buch von ihm erschienen. Bücher schreiben, das hat Kamphaus auch während seiner Zeit als Bischof immer wieder getan und er sitzt schon wieder an einem neuen Buch.

DOMRADIO.DE: Wie begeht er denn heute seinen Geburtstag?

Peter: Kaum, der derzeitige Bischof von Limburg, Georg Bätzing feiert eine Messe mit ihm, persönliche Geschenke möchte Kamphaus nicht, stattdessen bittet er um Spenden für die Arbeit des Vincenzstiftes, in dem er lebt. Da bleibt sich Kamphaus mit seiner zurückhaltenden Linie auch mit 90 Jahren treu.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Quelle:
DR