Nach monatelangem Streit haben sich die Spitzen der Ampel-Fraktionen und der Union im Bundestag auf eine Antisemitismus-Resolution geeinigt.
Der interfraktionelle Antrag mit dem Titel "Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken" solle bereits in der kommenden Woche im Bundestag abgestimmt werden, bestätigten Vertreter der beteiligen Fraktionen am Samstag in Berlin. Zuerst hatte der "Spiegel" darüber berichtet.
"Mit dem Antrag setzen wir ein klares Zeichen, den Antisemitismus in unserem Land wirksam und nachhaltig zu bekämpfen", betonten die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Konstantin Kuhle (FDP), Konstantin von Notz (Grüne), Dirk Wiese (SPD) und Andrea Lindholz (Union) in einer gemeinsamen Erklärung.
"Wichtiges Signal"
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft begrüßte die Einigung. "Dies ist ein wichtiges Signal, das zeigt, dass die demokratischen Parteien die besondere deutsche Verantwortung für die Sicherheit jüdischen Lebens gemeinsam wahrnehmen", erklärte Präsident Volker Beck am Samstag in Berlin.
Die klare und unbedingte Unterstützung für Israels Selbstverteidigung durch den Deutschen Bundestag trage dazu bei, Irritationen zu korrigieren, die in den letzten Monaten aus Berlin gesendet worden seien.
Eine entsprechende Resolution, als Antwort auf das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023, war bereits für den 9. November des vergangenen Jahres geplant, den Jahrestag der Novemberpogrome von 1938.
Über zwei Entwürfe - einen der Unionsfraktion sowie einen der Ampelfraktionen - hatte es seinerzeit keine Einigung gegeben. Der Zentralrat der Juden hatte das als beschämend bezeichnet.
Kampf gegen Judenhass
Der Text fordert laut "Spiegel" die Bundesregierung sowie Länder und Kommunen zu konkreten Maßnehmen im Kampf gegen Judenhass auf. "Seit dem grausamen Terror-Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sehen wir in Deutschland Judenhass und israelbezogenen Antisemitismus auf einem seit Jahrzehnten nicht dagewesenen Niveau", heißt es darin.
Explizit wird auch der Antisemitismus erwähnt, den Teile von Migranten nach Deutschland getragen haben. In den vergangenen Monaten sei "das erschreckende Ausmaß eines Antisemitismus deutlich geworden, der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert, in denen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit auch aufgrund islamistischer und antiisraelischer staatlicher Indoktrination verbreitet sind".
Zugleich seien völkische und rechtsextreme Positionen auf dem Vormarsch. All dies führe zu einer massiven Verunsicherung unter Jüdinnen und Juden in Deutschland.
Streit um Antisemitismus-Definition
Umstritten war vor allem die sogenannte Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). Die Definition besagt unter anderem, dass auch der Staat Israel Ziel von antisemitischen Angriffen in Wort und Tat sein kann.
Der Resolutionstext bezieht sich ausdrücklich auf den Beschluss der Bundesregierung vom 20. September 2017, der die IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus politisch bekräftigt, und den Beschluss des Bundestages vom 17. Mai 2019, in dem sich das Parlament zur IHRA-Definition bekennt.
Konkret schlägt der Resolutionsentwurf vor, es müsse sichergestellt werden, dass keine Organisationen und Projekte finanziell gefördert würden, die Antisemitismus verbreiteten, das Existenzrecht Israels infrage stellten, zum Boykott Israels aufriefen oder die BDS-Bewegung aktiv unterstützten.
Die gegen Israel gerichtete Bewegung "Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen" (BDS) wird vom Bundesverfassungsschutz als extremistischer Verdachtsfall geführt.
Betätigungsverbot von BDS prüfen
Zudem müssten Gesetzeslücken geschlossen und repressive Möglichkeiten im Strafrecht sowie im Aufenthalts-, Asyl- und Staatsangehörigkeitsrecht konsequent ausgeschöpft werden, heißt es.
Auch müssten extremistische Organisationen überprüft und verboten werden. "Dazu zählt, dass auch ein Betätigungsverbot oder ein Organisationsverbot von BDS in Deutschland geprüft wird." Die Antisemitismusskandale der vergangenen Jahre - das Papier nennt ausdrücklich die documenta in Kassel und die Berlinale im Februar 2024 - "müssen umfassend aufgearbeitet werden".
Die Resolution spricht sich außerdem dafür aus, Schulen und Hochschulen darin zu unterstützen, durch Anwendung des Hausrechts antisemitische Übergriffe zu ahnden, zum Beispiel durch Ausschluss vom Unterricht oder gar der Exmatrikulation.
Auch auf den Krieg Israels gegen die Hamas im Gazastreifen gehen die Verfasser ein. Israel habe das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich gegen völkerrechtswidrige Angriffe zu verteidigen und damit die anerkannte Pflicht, seine Bürger unter Wahrung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen vor Terror zu schützen, heißt es in dem Text.
Aktualisiert am 2.11.2024 um 15:04 Uhr.