Anti-Homosexuellen-Gesetz in Uganda

"Evangelikale, die den Hass anstacheln"

Homosexualität ist in vielen afrikanischen Ländern verboten. In Uganda könnte nach einem neuen Gesetz künftig sogar die Todesstrafe drohen. Auch Teile der Kirche schüren den homophoben Hass in Politik und Gesellschaft.

Homosexuelles Paar mit Regenbogenfahne / © Raul Mellado Ortiz (shutterstock)
Homosexuelles Paar mit Regenbogenfahne / © Raul Mellado Ortiz ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: In Uganda hat das Parlament jetzt einem der weltweit schärfsten Gesetzesentwürfe gegen Homosexuelle und Angehörige an­derer sexueller Minderheiten zugestimmt. Es drohen langjährige Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe: Der vorläufige Höhepunkt einer zunehmend homophoben Rhetorik unter Politikern, religiösen Führern und anderen Teilen der ugandischen Gesellschaft. Allein im Februar gab es über 100 An- und Übergriffe auf queere Personen in dem Land. Woher kommt dieser Hass?

Volker Greulich (Afrika-Referent bei Kolping International): Tatsächlich drohen bei homosexuellen Aktionen in vielen afrikanischen Ländern Strafen, bis hin zu Gefängnisstrafen. Aber was jetzt in Uganda passiert ist, geht noch weiter: Da wird nicht nur homosexuelle Aktivität unter Strafe gestellt, das war bislang auch schon verboten, was schlimm genug ist. Künftig könnte allein das Outing mit bis zu zehn Jahren Gefängnis geahndet werden. Und in besonders schweren Fällen, beispielweise bei sexuellen Handlungen mit Minderjährigen, unter Zwang oder wenn dabei eine Geschlechtskrankheit übertragen wird, droht auch die Todesstrafe.

DOMRADIO.DE: Auch Personen, die wissentlich homosexuelle Menschen beherbergen, medizinisch versorgen oder ihnen Rechtsbeistand leisten, können mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden. Welche Folgen hat das?

Greulich: Meine Sorge ist, dass das der Denunziation Tür und Tor öffnet. Zum einen wird der Druck im Familienkreis größer, homosexuelle Verwandte anzuzeigen, um Gefahr von sich selbst abzuwenden. Aber die hohen Strafandrohungen können auch dazu führen, dass selbst bei einvernehmlichen homosexuellen Beziehungen einer der Partner dem anderen Vergewaltigung vorwirft, um selbst der Strafe zu entgehen, was unter Umständen die Todesstrafe zur Folge haben kann. Es entsteht eine große Rechtsunsicherheit, abgesehen davon, dass hier das Menschenrecht auf sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung verletzt wird. 

Volker Greulich

"Meine Sorge ist, dass das der Denunziation Tür und Tor öffnet."

DOMRADIO.DE: Hetze gegen Homosexuelle ist nicht nur in Uganda an der Tagesordnung. In mehr als 30 afrikanischen Ländern sind gleichgeschlecht­liche Partnerschaften verboten. In vielen drohen Haftstrafen, in Somalia sogar die Todesstrafe. Woher kommt das?

Greulich: Wir müssen uns klar machen, dass Homophobie leider immer noch weltweit ein verbreitetes Vorurteil ist und selbst in unseren „westlichen“ Ländern gibt es noch viele Konservative, die sich mit der Gleichberechtigung von schwulen und lesbischen Lebensentwürfen sehr schwer tun. Auch in Deutschland ist es nicht so lange her, dass der Paragrafen 175, der homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte, abgeschafft wurde.

Auf dem afrikanischen Kontinent sind die meisten Gesellschaften sehr konservativ: Sie sehen Homosexualität als „Abweichung vom der Norm“, nur heterosexuelle Beziehungen gelten als „normal“: Das ist ein gesellschaftlich sehr tief verankertes Vorurteil und auch die Religionen spielen bei der Legitimation eine große Rolle: Es sind gerade die evangelikalen Kirchen, die den Hass anstacheln.

Volker Greulich

"Es sind gerade die evangelikalen Kirchen, die den Hass anstacheln."

DOMRADIO.DE: Wie positioniert sich die katholische Kirche bei diesem Thema?

Greulich: Die afrikanischen Bischöfe halten sich zwar zurück, aber man kann davon ausgehen, dass die afrikanischen Gläubigen eine offizielle Duldung der Amtskirche von Homosexualität nicht verstehen würden und das etwas ähnliches passieren könnte, wie in der anglikanischen Kirche, wo es zu offenem Aufruhr gekommen ist. (Anm. der Red.: Erzbischof Justin Welby hatte jüngst die Erlaubnis erteilt, homosexuelle Paare zu segnen. Das stößt in Teilen der anglikanischen Kirche auf massiven Widerstand.)

DOMRADIO.DE: Beim deutschen Reformprozess „Synodaler Weg“ wurde auch über den kirchlichen Umgang mit queeren Personen diskutiert. Künftig soll auch die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare möglich sein. Können Sie vor diesem Hintergrund verstehen, dass der Papst immer wieder vor einer Spaltung der Kirche warnt? Solche Beschlüsse, wie es sie jetzt in Deutschland gab, dürften doch afrikanischen Kirche mit großem Argwohn betrachtet werden?

Greulich: Das ist in Deutschland schwer zu verstehen, weil wir uns bisweilen in sozialen Fragen für den Nabel der Welt halten und nicht verstehen, dass andere das anders sehen können. Wir übersehen immer noch, wie groß der Widerstand in vielen Ortskirchen gegen die Anerkennung von Homosexualität ist. Das mag man bedauern, ich bedauere das auf jeden Fall, aber man kann diesen Fakt nicht ignorieren. Und ich glaube, das ist auch ein Grund dafür, dass der Vatikan dazu so eine unklare Haltung einnimmt. Auch dort weiß man, dass ihnen die Kirche um die Ohren fliegt, wenn sie sich zu weit aus dem Fenster lehnen. 

Das Interview führte Heike Sicconi.

Ugandischer Anwalt kündigt Widerstand gegen Anti-LGBT-Gesetz an

Der ugandische Menschenrechtsanwalt und Aktivist Nicholas Opiyo hat Widerstand gegen das Gesetzesvorhaben zur Verfolgung sexueller Minderheiten angekündigt. Das vom Parlament verabschiedete Gesetz entspreche nicht den grundlegenden Normen der Verfassung, sagte der geschäftsführende Direktor der Menschenrechtsorganisation "Chapter Four" dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Kampala. "Wir werden auf jeden Fall dagegen vorgehen, sollte der Präsident unterzeichnen."

Symbolbild: Protest gegen Haltung der Regierung Ugandas zu Homosexualität. / © John Gomez (shutterstock)
Symbolbild: Protest gegen Haltung der Regierung Ugandas zu Homosexualität. / © John Gomez ( shutterstock )
Quelle:
DR