DOMRADIO.DE: Sind Sie selbst denn auch schon ein Ordensmann im Vorruhestand?
Paulus Terwitte OFMCap (Kapuzinerbruder): Ich bin ja letztes Jahr 60 geworden, in diesem Jahr 61 und habe dann auch deutlich gemacht, ich gehe jetzt in den Vorruhestand. Da kommt sofort der große Protest: "Wieso? Du bist doch noch gesund und du kannst das noch. Ein Ordensmann geht sowieso nicht in Ruhestand."
Ja, das mag sein. Aber mir ist es wichtig, in meiner eigenen Lebensplanung und für mich selber mir klarzumachen, ich bin jetzt im letzten Drittel meines Lebens - so Gott will - und da möchte ich auch anfangen, Abschied zu leben.
DOMRADIO.DE: Wie äußert sich das im Alltag? Treten Sie jetzt schon mal ein bisschen kürzer?
Bruder Paulus: Ja, mache ich. Ich gönne mir einen halben freien Tag mehr in der Woche, zusätzlich zu dem, den ich schon habe. Ich fange an, philosophische Bücher zu lesen. Es macht mir Spaß, Rückblick zu nehmen auf mein Leben und die Gesellschaft aus einer anderen Warte zu betrachten und zu wissen, ich kann und muss da jetzt nicht mehr mit vollem Saft an allen möglichen Schrauben drehen.
Und ich pflege die Freundschaften wieder intensiver. Das heißt, ich schreibe öfter, und ich telefoniere auch mal mit den Menschen, die mir am Herzen liegen und die in den letzten Jahren ziemlich zurückstehen mussten.
DOMRADIO.DE: Beschleicht Sie da nicht manchmal vielleicht auch ein Gedanke, wie: Ich bin ersetzbar - wie schrecklich?
Bruder Paulus: Nein, ganz im Gegenteil. Dafür bin ich ein gläubiger Mensch. Ich glaube, dass Gott aus dem Reichtum seiner Gottheit und seiner schöpferischen Kraft die Menschen als Außenminister seiner inneren Kreativität schafft. Jeder ist so eine Kreativitäts-Agentur Gottes in dieser Welt, die in dieser Zeit und in diesem Augenblick das umzusetzen hat, was die göttliche Kraft möglich macht.
Das ist für uns als Menschen natürlich endlich. Und darum versuche ich mit ganzer Kraft das, was Gott mir möglich gemacht hat, zu verwirklichen und überlasse es ihm, was er daraus wachsen lässt.
DOMRADIO.DE: Trotzdem ist es natürlich so, dass es oft auch schwerfällt, etwas abzugeben, das loszulassen, was man vielleicht jahrzehntelang auch lieb gewonnen hatte. Was ist daran am schwersten?
Bruder Paulus: Das ist natürlich klar. Ich bin Vorstand der Franziskusstiftung und wenn mein Orden mich das machen lässt bis 65, dann werde ich das mit ganzer Kraft machen. Gleichzeitig habe ich jetzt zum Beispiel jemanden eingestellt, der die Verwaltung selbstständig leitet und das sicher mit Aspekten tun wird, die ich anders gemacht hätte. Aber ich freue mich auch, dass da neue Ideen reinkommen.
Auch für meine Lieblingsbeschäftigung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit werde ich eine Mitarbeiterin einstellen, die das dann übernimmt. Und da weiß ich auch jetzt schon, dass ich da mehr die Klappe halten muss und mir sagen muss, die kann das auch. Ich will da beratend zur Seite stehen und habe auch noch die Verantwortung. Aber das ist für mich so, dass ich Lieblingsdinge dann auch mal lassen muss.
Und ich merke, dadurch habe ich Zeit andere Dinge zu tun. Ich habe mir jetzt für den Urlaub philosophische Bücher gekauft, und ich freue mich schon mal drei Stunden zu schmökern und wirklich die Seele baumeln zu lassen, als Vorbereitung auf die nächste Saison, wo ich wieder ein bisschen zurücktreten will.
DOMRADIO.DE: Bei Ordensleuten ist das ja ohnehin alles ein bisschen anders als bei weltlichen Berufstätigen. Gibt es da genaue Vorschriften? Müssen Sie sich mit 65 zurückziehen, oder steht Ihnen das frei?
Bruder Paulus: Ganz im Gegenteil. Im Orden wird meistens davon ausgegangen, dass jeder bis zum Umfallen arbeitet. Das kenne ich zumindest von Ordensschwestern und Ordensbrüdern, die das auch gerne wollen. Und man bleibt in diesen Gewohnheiten. Manche Oberinnen werden ja erst in die hohen Ämter gewählt, wenn sie 65 sind und ihre lokalen Aufgaben abgegeben haben. Das kommt ja auch vor.
Da wünsche ich mir, dass noch deutlicher darüber nachgedacht wird. Die Franziskanerinnen von Reute haben ein interessantes Programm aufgelegt, ein Altersnoviziat für die Schwestern, die aus dem aktiven beruflichen Dienst ausscheiden. Mit denen wird dann so ein spirituelles Jahr gemacht, was ich sehr vernünftig finde. Und das überlege ich mir auch, dass ich dann tatsächlich noch einmal in so einer geistlichen Intensivphase neu lernen kann, mich umzustellen. Es ist allerdings so, dass die Orden noch nicht so ein glückliches Programm entwickelt haben, wie ich finde. Da kann noch viel getan werden.
Das Interview führte Hilde Regeniter.