ARD veröffentlicht Dokumentation über queere Muslime

Hoffnung auf mehr Akzeptanz

Queere Muslime werden in ihren Familien und ihrem Umfeld mitunter beschimpft und bedroht. Nun kommen mehrere von ihnen in einer ARD-Dokumentation zu Wort, die Missstände aufdecken und über gesellschaftspolitisch brisantes berichtet.

Autor/in:
Wolfgang Wittenburg
Eine muslimische Frau trägt eine Burka in den Farben der Gay-Pride-Flag (Regenbogenfahne) bei einer Pride-Demonstration am 6. Juli 2019 in London, UK. / © Ink Drop (shutterstock)
Eine muslimische Frau trägt eine Burka in den Farben der Gay-Pride-Flag (Regenbogenfahne) bei einer Pride-Demonstration am 6. Juli 2019 in London, UK. / © Ink Drop ( shutterstock )

"Verbotene Liebe?" heißt die aktuelle 30-minütige Dokumentation von Claudia Kaffanke und Eric Beres, die Das Erste am 30. Mai um 21.45 Uhr im ARD-Politikmagazin "Report Mainz" zeigt. Es geht um Homo- und Transphobie in muslimischen Gemeinden, die bisweilen eine Spaltung bis hin zu Hass gegen Menschen erzeugen. Die langjährige SWR-Journalistin und der erfahrene SWR-Reporter lassen vor allem Betroffene zu Wort kommen.

Mit dem englischen Wort queer bezeichnen sich Menschen, die nicht heterosexuell sind oder deren geschlechtliche Identität nicht mit gesellschaftlichen Rollenbildern übereinstimmt. Unter ihnen sind Personen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung die wohl größte Gruppe. Das Thema ist sensibel, berichten die Filmemacher: viele Betroffene seien beschämt und eingeschüchtert, würden von Familie und Umfeld beschimpft und bedroht. Deshalb war der Umgang mit ihnen für den Beitrag herausfordernd, sagt das Autorenduo.

Multiplikator für negatives Gedankengut

Generell herrsche große Unsicherheit, im eigenen Umfeld geoutet zu werden. So schrieb ein schwuler Muslim den beiden während der Recherche per Chat: "Mit der Familie sind die Probleme groß, und man traut sich mit keinem darüber zu reden. Immer, wenn man diese Sünde begeht, fühlt man sich schlecht." Der Kontakt brach dann laut SWR-Mann Beres ab.

Neue Umfragen zeigen, dass unter konservativen Muslimen die Abneigung gegen Homosexualität besonders ausgeprägt ist. Gerechtfertigt werde dies oft mit islamischen Vorschriften, nach denen Homosexualität eine Sünde sei. Auch islamistische Influencer und Influencerinnen hetzten in den Sozialen Medien gegen sexuelle Vielfalt. Das Netz als Multiplikator für negatives Gedankengut - und Gleichgesinnte finden einander im Internet nicht nur leicht; sie befeuern sich auch noch gegenseitig in ihren intoleranten Haltung, wie die beiden Journalisten zeigen.

Ein breites Spektrum abbilden

Besonders wichtig war dem Duo für "Report Mainz", mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Auf Hetze verbreitende Influencer, die mit großen Reichweiten auf den Rückhalt einer breiten Community bauen können, wurde bewusst verzichtet. Dafür hätten er und Kaffanke in Kauf genommen, dass einige Personen nur anonym gezeigt werden konnten, räumt Eric Beres ein. Ein weiteres Ziel war für die Filmemacher, ein breites Spektrum an Betroffenen abzubilden: Gezeigt werden schwule Männer, aber auch lesbische Frauen. Dazu Studenten Anfang 20, aber auch Berufstätige Ende 30, Muslime und Musliminnen mit sunnitischem, aber auch alevitischem Hintergrund.

Für "Report Mainz" ist es das erklärte Ziel, über die Darstellung einzelner Biografien oder Schicksale hinaus auch kritische Aspekte zu beleuchten. Die in der Doku vorgestellten Personen wünschen sich laut Claudia Kaffanke und Eric Beres mehr Toleranz. Zum einen, weil sie im Alltag häufig auch antimuslimischen Rassismus erfahren. Zum anderen wollen sie, dass sie mit ihrer vermeintlich "unnatürlichen" sexuellen Orientierung von ihren Familien und ihrem Umfeld akzeptiert werden. Und dass die Gesellschaft und politisch Verantwortliche ihre Sorgen und Ängste wahrnehmen.

Zu viel Angst

"Einer queeren Frau, mit der wir gesprochen haben, war es wichtig zu betonen, dass Religiosität und Queerness einander nicht ausschließen müssen. Außerdem möchte sie anderen Muslimas zeigen: Queer-sein ist nichts Falsches", erinnert sich Beres an ein Gespräch. Und Kaffanke ergänzt: "Ein Mann, den wir nur anonym zeigen können, sagt, er wünsche sich, dass er eines Tages mit Namen und offen vor der Kamera seine Geschichte erzählen kann. Im Augenblick hat er Angst davor."

Quelle:
KNA