Zwei Jahrzehnte lang sorgte ein undurchsichtiger Immobilienverkauf des griechisch-orthodoxen Patriarchats an israelische Siedler für Skandalschlagzeilen. Der Deal um zwei Hotels in Top-Lage am Jaffa-Tor zur Jerusalemer Altstadt sei ohne Genehmigung der Kirchenleitung, durch Korruption und weit unter Wert erfolgt, machten die Kritiker geltend. Patriarch Irinaios wurde abgesetzt und ins Klosterexil geschickt. Doch Gerichte erkannten den Vertrag letztlich als gültig an und lehnten Wiederaufnahmeverfahren ab. Teile des alten "Petra-Hotels" sind bereits von den neuen Besitzern übernommen.
"Ausverkauf" von Kirchenland
Ein ähnliches Szenario, ein ähnlicher "Ausverkauf" von Kirchenland, könnte jetzt auch dem kleinen Armenischen Viertel der Jerusalemer Altstadt drohen. Und dieses hätte, so ist aus der armenischen Gemeinde mit ihren rund 2.000 Mitgliedern zu hören, fatale Folgen nicht nur für ihre eigene Kirche, ihre Landsleute und ihr geistliches und kulturelles Erbe, sondern für die Präsenz der Christen in Jerusalem insgesamt – und für die christliche Prägung der Altstadt.
Präsenz der Christen schrumpft
Ziel der armenischen Initiatoren ist ein gemeinsames Vorgehen der christlichen Kirchen Jerusalems gegen einen neuen angeblichen Verkauf von christlichem Terrain. Und damit gegen den erklärten Plan der israelischen Regierung, ihrer Hauptstadt ein noch stärker israelisches und jüdisches Bild zu geben – auf Kosten und zu Lasten der schrumpfenden Präsenz von Christen.
Der Fall der Armenier scheint freilich noch undurchsichtiger und volatiler als der der Griechen. Zu den wenigen harten Fakten gehört, dass 17 Mitglieder der einflussreichen Sankt-Jakob-Bruderschaft in einem Schreiben an ihren seit 2013 amtierenden Patriarchen Nourhan Manougian (74) gegen einen Verkauf von Ländereien an einen jüdischen Geschäftsmann – offenbar an einen Australier Danny Rubenstein – protestieren. Der Verkauf sei vom Kirchenoberhaupt allein – mit einem Vertrauten – und ohne Einbindung des achtköpfigen Heiligen Synods oder anderer kirchlicher Verantwortlicher erfolgt, die bei einer solchen Größenordnung unverzichtbar wäre. Die Veräußerung – de facto geht es um eine Verpachtung für 99 Jahre – sei somit illegal.
Anerkennung des armenischen Patriarchen von Jerusalem eingefroren
Darauf gingen inzwischen auch das Königreich Jordanien und die Palästinenser-Regierung ein: Sie froren vor kurzem ihre Anerkennung des armenischen Patriarchen von Jerusalem ein. Der Kirchenobere habe Immobilienmaßnahmen ergriffen, die sich auf die Zukunft der Heiligen Stadt auswirken könnten. Dies stelle einen klaren Verstoß gegen bedeutende internationale Vereinbarungen und Entscheidungen dar und verletzten den Status quo.
Spekulationen über Vertragsinhalte
Was genau in dem Vertrag steht, darüber gibt es bislang nur Spekulationen – und immer wieder kommen neue Gerüchte hinzu. Nur wenige Priester hätten Einblicke in das Abkommen gehabt, und immer nur in Teile. Gesichert ist, dass der große armenische Parkplatz in der äußersten Südwest-Ecke der Altstadt vor einem Monat vom neuen Eigentümer übernommen wurde. Als Besitzer firmiert auf den Eingangstafeln "Xana Capital".
Allerdings hatte ein früherer Immobilienbeauftragter des Patriarchats bereits vor zwei Jahren gegenüber armenischen Medien berichtet, Rubenstein wolle auf der rund 10.000 Quadratmeter großen Parkfläche ein Luxushotel errichten. Und in der armenischen Kommunität kursieren inzwischen Stadtpläne, nach denen der Deal nicht nur den Parkplatz, sondern auch das nördlich anschließende, fast ähnlich große Terrain mit armenischem Seminar, Druckerei und fünf Wohnhäusern umfassen soll. Es seien Luxus-Appartements samt Pool und Räumen für Hochzeitsfeiern geplant.
Ende der beschaulichen Ruhe?
Falls das zuträfe, so die Reaktion der Armenier auf die Spekulationen, würde das den Charakter dieses christlichen Viertels komplett verändern. Dann wäre es mit der beschaulichen Ruhe vorbei. Auf dem Gelände gegenüber dem Patriarchatssitz, zur Altstadtmauer hin, entstünde ein neues und lautes jüdisches Viertel.
Freilich bewegt sich der gesamte Vorgang bislang in einer Grauzone. Solange nicht Vertrag und Absprachen auf dem Tisch liegen, ist eine konzertierte christliche Aktion wenig wahrscheinlich. Andererseits haben die Jerusalemer Kirchenführer in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, dass sie gemeinsam für den Erhalt der christlichen Präsenz in der Heiligen Stadt eintreten.