Zuvor nahm das vom Moskauer Patriarchen Kyril I. geleitete Gremium bei seiner Zusammenkunft das Rücktrittsgesuch des bisherigen Exarchen Pawel (72) an und ernannte ihn zum Metropoliten von Kuban mit Sitz im südrussischen Krasnodar. Das Moskauer Patriarchat nannte keine Gründe für Pawels Gesuch, ihn von der Leitung der Kirche in Belarus zu entbinden. Der Heilige Synod, das Leitungsgremium, drückte hingegen seine "Besorgnis über die gesellschaftlichen Konflikte" in Belarus aus, die zu "Menschenopfern" geführt hätten.
Zugleich unterstützte er den Appell der belarussischen Kirche zur "Beendigung der nationalen Konfrontation". Die Behörden des Landes sollten alle Fälle von Gewalt sowohl gegen Bürger als auch gegen Sicherheitskräfte untersuchen und Gesetzesverstöße bestrafen, heißt es im Protokoll der Sitzung des Leitungsgremiums. Dem Heiligen Synod in Moskau gehört auch Pawel an. Der bisherige Metropolit von Kuban war Anfang August an Covid-19 gestorben und der dortige Bischofsstuhl daher vakant. Die Mehrheit der 9,5 Millionen Belarussen sind orthodoxe Christen; etwa 15 Prozent sind katholisch.
Strahlenphysiker und Bischof
Der neue Minsker Metropolit Benjamin wurde am 16. September 1968 in der Nähe von Brest im Westen von Belarus geboren. Seit 2010 ist er Bischof von Baryssau, einer Großstadt etwa 70 Kilometer nordöstlich von Minsk. Diesem Bistum soll er zunächst weiter vorstehen. Von 1987 bis 1989 leistete er seinen Militärdienst. Anschließend schloss er sein Studium der Radiophysik ab und trat 1992 ins Minsker Priestersemiar ein.
Die orthodoxe Kirche in Belarus erhielt im Zuge der 1991 erlangten Unabhängigkeit des Landes nur eine geringe Autonomie. Wer Exarch oder Bischof in Belarus wird, entscheiden der Moskauer Patriarch und sein Synod. Im Dezember 2013 hatte das Leitungsgremium der russisch-orthodoxen Kirche ohne Rücksprache mit den belarussischen Bischöfen den Russen Pawel zum Minsker Exarchen bestimmt.
"Nicht am politischen Leben beteiligen"
Pawel hatte dem belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko zur Wiederwahl gratuliert, obwohl die Opposition dem Langzeitpräsidenten Wahlfäschung vorwirft. Der Metropolit ging auffallend auf Distanz zu den Massenprotesten nach der umstrittenen Wahl vom 9. August. Später besuchte er dann jedoch in einem Krankenhaus Patienten, die von Polizisten bei den Demonstrationen schwer verletzt worden waren, und forderte eine "gerechte Untersuchung der Straftaten". Zuletzt appellierte er an die Geistlichen, sich nicht am "politischen Leben" zu beteiligen.
Der zurückgetretene Exarch wurde 1952 als Sohn einer Arbeiterfamilie im kasachischen Karaganda geboren. Bevor er 1973 ins Priesterseminar eintrat, leistete er seinen Wehrdienst in der sowjetischen Armee und arbeitete als Fahrer und Schlosser. Von 1986 bis 1988 leitete Pawel die russisch-orthodoxe Mission in Jerusalem, der er seit 1981 angehörte. Nach seiner Bischofsweihe 1992 wirkte er als Vikar der Moskauer Eparchie. 1999 wurde er Bischof von Wien und Österreich, 2001 Erzbischof von Wien und Budapest. Seit 2003 war er Erzbischof von Rjasan, 200 Kilometer südöstlich von Moskau. 2011 wurde er zum Metropoliten erhoben.
Mindestens zwei Demonstranten waren bei den Massenprotesten in Belarus nach der Präsidentenwahl von Polizisten getötet und zahlreiche verletzt worden. Die EU erkennt das offizielle Wahlergebnis nicht an, wonach Lukaschenko mit 80 Prozent der Stimmen gewann. Die Wahl sei weder frei noch fair gewesen, erklärte sie.