“Wie großartig das Bauwerk St. Gereon ist”, schwärmt Axel Hacke. Der Autor ist auf Lesereise in Köln. Sein Kölner Hotel liegt direkt gegenüber der prächtigen romanischen Kirche, deren Ursprünge bis in das 4. Jahrhundert zurückreichen. Axel Hacke hat eine Freistunde vor der Lesung genutzt, um sich St. Gereon anzuschauen. Er sagt, ihm sei gar nicht bekannt gewesen, was es in Köln trotz der Kriegszerstörungen an alten Bauwerken gebe. Hacke staunt über St. Gereon, für ihn ist das ein Resonanzraum, in dem er die Sehnsucht der Menschen nach einem anderen Leben spüre, sagt er, größer als das Leben, das nur von Nützlichkeit, Geld und Macht bestimmt sei.
Staunen, Axel Hacke bezeichnet sich selbst als großer Anhänger des Staunens. In seinem neuen Buch “Aua! Die Geschichte meines Körpers” bestaunt er den menschlichen Körper – und entdeckt ein Wunder. Und dann beginnt er auch im DOMRADIO.DE Interview zu schwärmen. “Auf uns oder in uns leben Milliarden von anderen Lebewesen, angefangen bei den kleinen Spinnentieren, den Demodex-Milben auf unserer Haut. Oder unsere Nase, das ist ein Wunderwerk der Sinneswahrnehmung”.
Keine Trennung von Körper und Seele
Und wie ist das mit der Seele, wo ist die? Natürlich kommen wir im DOMRADIO schnell darauf zu sprechen. Die Trennung von Körper und Seele oder Körper und Geist hält der Autor für unsinnig.
Er glaubt nicht, dass es eine Seele unabhängig vom Körper gibt. Das Zusammengehören von Körper, Vernunft, Seele, Geist und Gefühle ist für ihn entscheidend. Und irgendwo im großen Ganzen Seelen- und Gefühls- und Körperleben sei auch der menschliche Reflex angesiedelt, an etwas zu glauben. “Das steckt in uns drin. Damit bin auch ich aufgewachsen und werde das nie ganz ablegen”, sagt er, obwohl er vor wenigen Minuten noch bekannt hat, dass er kein gläubiger Mensch sei. Man merkt ihm schnell an, dass er mit institutionalisierter Religion nicht viel am Hut hat – jedenfalls lässt er sich nicht in einer konfessionellen Ecke verorten. Nach Antworten auf die großen Fragen des Lebens sucht er schreibend, staunend, um Verstehen bemüht – in dem Wissen niemals alles verstehen zu können.
Angst vor dem Tod? Wer hat das nicht, fragt er. Tragische Todesfälle habe er im engsten Familienkreis erlebt. “Die beschäftigen mich jeden Tag”, sagt er. Trost findet Hacke, indem er sich angewöhnt habe, mit den Menschen, die gestorben seien, zu reden. Er weiß, dass sich das bescheuert anhört, aber der Austausch mit den Verstorbenen bedeute ihm unheimlich viel.
Hilfsbrücken fürs Leben
Hacke spricht von Hilfsbrücken, mit denen der Mensch sich durchs Leben ackert, um die Angst vor dem Tod auszuhalten. Und ist sein Staunen und Bekenntnis zur Welt als Wunder, das über unser Fassungsvermögen hinausgeht, nicht auch ein Glauben an den unbegreiflich funktionierenden Kosmos? Er habe mehr von diesem Wunderwerk der Natur verstehen wollen, deshalb habe er dieses Buch über seinen Körper geschrieben. "Dabei ist mein Schreiben ein offenes Schreiben, ein offener Prozess", sagt er. Etwas Vergleichbares könnte man auch über den Glauben sagen – ein offener Prozess angetrieben vom Staunen über das Wunder des Lebens.