Bedford-Strohm vermittelt zwischen Kirchen in der Ukraine

"Schneisen der Verständigung schlagen"

Der Krieg in der Ukraine hat auch zum Bruch der orthodoxen Kirchen im Land geführt. Weltkirchenratspräsident Bedford-Strohm war gerade vor Ort und hat versucht zu vermitteln. Auch mit Moskaus Patriarch Kyrill sei man im Gespräch.

Orthodoxer Gottesdienst in Kiew. / © Andrey Lomakin (KNA)
Orthodoxer Gottesdienst in Kiew. / © Andrey Lomakin ( KNA )

DOMRADIO.DE: Mit welchem Gefühl sind Sie vergangene Woche aufgebrochen in die Ukraine? Es ist immerhin ein Land, in dem Krieg herrscht.

Heinrich Bedford-Strohm / © Thomas Lohnes (epd)
Heinrich Bedford-Strohm / © Thomas Lohnes ( epd )

Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm (Vorsitzender des Zentralausschusses des Ökumenischen Rats der Kirchen und Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern): Ich hatte keine große Angst in dieses Land zu fahren, denn inzwischen ist die Situation anders, als noch zu Beginn des Krieges, auch dank der Luftabwehrraketen. Das muss man ganz deutlich so sagen, etwa in Kiew. Da geht der Luftalarm zwar immer wieder los, auch nachts. Aber die Leute gehen gar nicht mehr auf die Straße, weil die Luftabwehr so verlässlich ist. Deswegen ist aus meiner Sicht das Risiko sehr begrenzt.

Natürlich geht man trotzdem mit einem Gefühl der Unsicherheit in dieses Land und weiß nicht, was einen erwartet. Aber vor allem habe ich mich darauf gefreut, endlich dort hinzukommen, mit den Menschen reden zu können, über die ich viel gelesen habe und die auch in dieser ganzen Konfliktlage innerhalb der Ukraine eine zentrale Rolle spielen. Insofern war ich gespannt.

DOMRADIO.DE: Die zwei großen Kirchen in der Ukraine sind zerstritten. Auf der einen Seite gibt es die "ukrainisch-orthodoxe Kirche", die sich lange zum Moskauer Patriarchat bekannt hat. Auf der anderen Seite steht die "orthodoxe Kirche der Ukraine". Seit dem Angriffskrieg Russlands verschärft sich der Konflikt zwischen diesen beiden Kirchen. Was ist der größte Streitpunkt?

Bedford-Strohm: Natürlich ist auch die Frage der orthodoxen Kirchen in der Ukraine verwoben mit dem Verhältnis zu Moskau und der Frage des Krieges. Kurz gesagt, nach der Eroberung der Krim hat sich eine orthodoxe Kirche der Ukraine gebildet, die sich ganz unabhängig vom Moskauer Patriarchat bewegt hat und Wurzeln hatte in einer früheren unabhängigen orthodoxen Kirche. Der Patriarch, das Ehrenoberhaupt der weltweiten orthodoxen Kirche, Patriarch Bartholomaios, hat diese Kirche 2019 als autokephal, als selbstständig anerkannt. Das hat ihr eine große Bedeutung gegeben.

Gleichzeitig gibt es weiterhin die ukrainisch-orthodoxe Kirche, die früher dem Moskauer Patriarchat unterstand, also enge Verbindungen mit Moskau, mit der russisch-orthodoxen Kirche hat. Aber sie hat sich am Tag nach dem Angriff ganz klar gegen den Krieg ausgesprochen. Das muss man sehr deutlich betonen, sie hat sich inzwischen auch losgesagt vom Moskauer Patriarchat. Aktuell wird aber immer wieder die Frage gestellt, ob das wirklich so ist? Oder gibt es noch immer zu enge Verbindungen?

Die Regierung Selenskyj ist der Meinung, dass die ukrainisch-orthodoxe Kirche immer noch viel zu nah an Moskau dran ist. Die Vertreter, auf die wir getroffen sind, haben uns aber klar ihre tiefe Ablehnung dieses Krieges zum Ausdruck gebracht. Insofern kann ich das nicht bestätigen, dass die Kirche noch immer mit Moskau eng verbunden ist. Aber um diese Frage geht es auch bei dem Konflikt um das Höhlenkloster.

DOMRADIO.DE: Das Ziel Ihrer Reise oder Ihrer Reisegruppe war zu vermitteln. Hat das geklappt?

Bedford-Strohm: Wir wollten in der Tat die beiden ukrainischen Kirchen zu einem runden Tisch motivieren, auch die russisch-orthodoxe Kirche. Wir wollten die Frage stellen, ob wir in dieser schlimmen Lage als Kirchen nicht einen Unterschied machen müssen und wenigstens als Kirchen miteinander reden und versuchen sollten, Schneisen der Verständigung zu schlagen.

Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm (Vorsitzender des Weltkirchenrats)

"Das ist sicher kein leichtes Unterfangen, aber wir müssen es probieren. Das war der Sinn, dass wir die erstmal an einen Tisch kriegen."

Das ist sicher kein leichtes Unterfangen, aber wir müssen es probieren. Das war der Sinn, dass wir die erstmal an einen Tisch kriegen. Wir haben mit den verschiedenen Seiten viele Gespräche geführt und am Ende eine große Offenheit mit nach Hause nehmen können, dafür, dass man diese Gespräche führt. Wir haben das möglicherweise auch in der ersten Oktoberwoche vor, unter Einschluss der russisch-orthodoxen Kirche. Unser Generalsekretär des Weltkirchenrats, Jerry Pillay wird am Mittwoch nach Moskau aufbrechen und dort auch mit Patriarch Kyrill reden.

Wir sind im Hintergrund schon die ganze Zeit im Gespräch mit der russisch-orthodoxen Kirche, die Mitgliedskirche unseres Ökumenischen Rates der Kirchen ist. Wir sind da am Ball, ohne zu wissen, ob wir damit Erfolg haben werden. Der Erfolg liegt in Gottes Hand, aber wir müssen es in dieser Lage probieren, wenigstens wir als Kirche.

DOMRADIO.DE: Am Samstag hatte der ukrainische Präsident Selenskyj eine Audienz bei Papst Franziskus. Den von Franziskus vorgeschlagenen Friedensdialog mit Moskau hat Selenskyj im Anschluss abgelehnt. Er sagte, mit Putin könne man nicht verhandeln. Wie sehen Sie das?

Bedford-Strohm: Ich habe Verständnis dafür, dass wenn ein Aggressor ein Land angreift und dabei schlimme Kriegsverbrechen passieren, wie etwa in Butscha bei Kiew, dass sich da die Gesprächsbereitschaft in Grenzen hält. Trotzdem sage ich, die Militärlogik kann nicht die einzige Logik sein. Wir erleben jetzt, dass nur noch über Militärlogik geredet wird. Es ist richtig, dass man sich verteidigen muss und ich unterstütze das auch.

Aber es kann nicht das Einzige sein, sondern wir müssen auch für die Zeit nach dem Krieg Gesprächskanäle offenhalten. Da müssen die Kirchen aus meiner Sicht eine wichtige Rolle spielen. Es kann nicht sein, dass alles nur noch aufs Militär reduziert wird. Allerdings will ich auch sagen, es muss auf einer klaren Basis passieren. Wir sind keine neutralen Vermittler in dem inhaltlichen Sinne.

Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm (Vorsitzender des Weltkirchenrats)

"Er hat die russische Invasion als illegalen, unmoralischen Krieg verurteilt und den Gebrauch religiöser Sprache zur Rechtfertigung dieses Krieges verurteilt."

Der Weltkirchenrat, dessen Vorsitzender ich jetzt bin, hat bei der Vollversammlung in Karlsruhe eine klare Erklärung abgegeben. Er hat die russische Invasion als illegalen, unmoralischen Krieg verurteilt und den Gebrauch religiöser Sprache zur Rechtfertigung dieses Krieges verurteilt. Von dieser Basis her reden wir nicht von irgendeiner Neutralität, die den Aggressor und den Angegriffenen auf eine Stufe stellt.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Christliche Kirchen in der Ukraine

Die kirchlichen Verhältnisse in der Ukraine sind komplex. Rund 70 Prozent der 45 Millionen Ukrainer bekennen sich zum orthodoxen Christentum. Sie gehören allerdings zwei verschiedenen Kirchen an: der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UOK) des Moskauer Patriarchats und der autokephalen (eigenständigen) Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU). Zudem gibt es eine römisch-katholische Minderheit mit rund einer Million Mitgliedern sowie die mit Rom verbundene (unierte) griechisch-katholische Kirche der Ukraine.

Das Heilige Feuer aus Jerusalem am 18. April 2020 im Kiewer Höhlenkloster Petscherska Lawra, Hauptsitz der ukrainisch-orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats. / © Sergey Korovayny (KNA)
Das Heilige Feuer aus Jerusalem am 18. April 2020 im Kiewer Höhlenkloster Petscherska Lawra, Hauptsitz der ukrainisch-orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats. / © Sergey Korovayny ( KNA )
Quelle:
DR