Zugleich zeigte sich der Erzbischof "beeindruckt von der durchaus selbstkritischen Rede", in der Kurz am Donnerstag überraschend seinen völligen Rückzug aus allen politischen Ämtern ankündigte. Damit habe er "staatsmännisches Format" bewiesen, sagte Schönborn der Presseagentur Kathpress. Statt einer billigen Abrechnung habe Kurz den Versuch einer aufrichtigen Bilanz geliefert und selbst von Fehlentscheidungen gesprochen.
Blick aufs Allgemeinwohl
Weiter verwies der Kardinal auf "seit Jahrzehnten nicht gekannte Herausforderungen", denen sich die Regierung Kurz habe stellen müssen. "Dass die Regierung während der gesamten Corona-Krise mit den Kirchen und Religionen um Lösungen im Blick auf das Wohl der Allgemeinheit bemüht war, ist auch Sebastian Kurz zu verdanken", so der langjährige Bischofskonferenz-Vorsitzende.
Kontakt zur Kirche
Über die Jahre habe Kurz "immer wieder das Gespräch mit der Kirche und mit mir persönlich gesucht". Gerade wenn man nicht immer einer Meinung sei, müsse man "im Gespräch bleiben", betonte der Kardinal, und: "Man darf und soll Danke sagen."
Kurz zeigte sich in seiner Rede vom Donnerstag dankbar für viele wertvolle Begegnungen "vom Dalai Lama bis zum Papst". Ausdrücklich erwähnte der Ex-Kanzler, dass es in den vergangenen Jahren gelungen sei, die Beziehungen Österreichs mit dem Staat Israel zu verbessern.
Streit wegen Sonntagsruhe
Reibungspunkte zwischen dem damaligen Kanzler und den Kirchen gab es demnach durch eine Änderung des Arbeitsruhegesetzes, mit der die Arbeit an vier Sonntagen ermöglicht wurde, sowie seine Linie mit Blick auf Asyl und Migration. Zustimmung aus den Kirchen und Religionsgemeinschaften gab es hingegen für den Ethikunterricht, für den sich Kurz mehrfach stark gemacht hatte. Er wurde schließlich mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und FPÖ angenommen und im Herbst eingeführt.