DOMRADIO.DE: Die Anzahl der Beobachter bei der Synode ist von zwölf im vergangenen Jahr auf 16 in diesem Jahr angestiegen. Das spricht für ein gesteigertes Interesse. Was macht die Weltsynode der römisch-katholischen Kirche für den Lutherischen Weltbund so interessant?
Reverend Prof. Dr. Dirk G. Lange (Assistierender Generalsekretär für Ökumenische Beziehungen des Lutherischen Weltbundes, LWB): Wir sind gemeinsam auf einem langen Weg. Schon seit fast 66 Jahren haben wir ein ständiges ökumenisches Gespräch, die "Joint Commission on Unity". Diese hat auch sehr bedeutende Texte hervorgebracht, zum Beispiel die "Gemeinsame Erklärung über Rechtfertigung" bzw. im englischen Originaltitel "Joint Declaration on the Doctrine of Justification". Weil wir gemeinsam mit der katholischen Kirche auf diesem Weg sind, haben wir auch ein ganz tiefes Interesse an diesem Prozess der Weltsynode, weil die Kirche sich selbst befragt, was es jetzt bedeutet Kirche zu sein.
DOMRADIO.DE: Waren Sie auch schon bei der ersten Phase der Synode als Beobachter dabei?
Reverend Lange: Nein, ich war nicht bei der ersten Phase. Wir sind jetzt zur zweiten Phase eingeladen.
DOMRADIO.DE: Gibt es schon Informationen, wie Sie als Beobachter den Fortgang der Synode in Rom verfolgen werden
Reverend Lange: Ja. Ich habe jetzt nicht alle Details im Kopf, aber wir werden alle zusammen sein. Auch, wenn von ökumenischen Beobachtern die Rede ist, werden wir als "Fraternal Delegates" zusammen mit den Katholiken in der großen Aula an den Tischen sitzen und an den Gesprächen teilnehmen. Wir haben als Fraternal Delegates zwar eine Stimme, aber kein Wahlrecht.
DOMRADIO.DE: Welche Themen der Weltsynode interessieren Sie als Lutherischen Weltbund besonders?
Reverend Lange: Für uns als Lutherischen Weltbund ist der ganze Prozess wichtig. Es ist ein Prozess, der wirklich nur in der Kirche stattfinden kann. Ich glaube, es geht nicht um einen demokratischen Prozess und darum, genügend Stimmen für eine Mehrheitsentscheidung zu sammeln, sondern es geht darum, zu beraten, zu diskutieren, zu beten und zu erkennen, wohin der Heilige Geist uns führt.
Das ist auch ein riskanter Prozess. Er ist eng verbunden mit und unterstützt durch Gebete, um ein Durchbrechen des Heiligen Geistes. Ich denke das ist sehr wichtig in diesem Prozess. Und wir freuen uns, dass die katholische Kirche diesen Weg beschritten hat. Das ist, was es eigentlich bedeutet, synodal zu sein: zusammen zu gehen. Synodalität bedeutet sich gemeinsam auf einen Weg zu machen. Dieses gemeinsame Gehen bedeutet unter anderem aber auch auf den Heiligen Geist zu hören.
Denn der Geist spricht durch das gesamte Volk Gottes. Nicht nur durch ordinierte Menschen, sondern durch alle Menschen, einschließlich derer, die wie ich zu anderen kirchlichen Konfessionen gehören. Das ist für den Lutherische Weltbund ein ganz wichtiger Prozess, den die katholische Kirche durchläuft und von dem wir auch lernen wollen, was es bedeutet, dem Heiligen Geist in uns zuzuhören, wenn wir als Kirche Entscheidungen treffen.
DOMRADIO.DE: Jetzt sind bekannte Reizthemen wie der Zölibat oder Weiheämter für Frauen von Papst Franziskus im Vorfeld ausgeklammert worden. Natürlich sehr zum Bedauern derjenigen, die darüber gerne gesprochen hätten. Diese Gespräche sollen in besonderen Gremien, aber nicht auf der Synode selbst behandelt werden.
Im Lutherischen Weltbund sind Frauenordination oder verheiratete Ordinierte kein Thema. Bedauern Sie das, dass die Themen auf der Synode nicht zur Sprache kommen werden?
Reverend Lange: Ich weiß nicht, ob "Bedauern" das richtige Wort ist. Wir möchten respektvoll sein. Wir möchten den Weg anerkennen, den die katholische Kirche geht. Auch wenn wir darauf sehr viel Wert legen, ist es wichtig, dass dieser synodale Prozess die katholische Kirche langsam auf diesen Weg führt.
Es ist klar, dass nicht alle Themen auf einmal angegangen werden können, aber wir sehen eine Offenheit zur Teilnahme von Laien und Frauen in der Synode. Das ist unheimlich wichtig und wir freuen uns darüber und warten ab, wohin das von hier aus weitergeht.
DOMRADIO.DE: Wenn die Weltsynode Ende Oktober schließlich zu Ende gegangen ist: Welche Erwartungen haben Sie wie es weitergehen soll?
Reverend Lange: Für den Lutherischen Weltbund ist die Hoffnung, dass auch wir in unseren eigenen Prozessen etwas von dem katholischen Prozess lernen können. Zum Beispiel was es bedeutet, Gemeinschaft oder Communio zu sein. Ich denke, der ganze synodale Prozess hilft uns mit dieser Frage. Wir sehen auch in Kirchen der Reformation Klerikalismus. Der Prozess der Synode erinnert uns an den befreienden Aufruf des Evangeliums, zu dem wir uns bekennen. Deshalb sehe ich diesen Moment, als ein Bekenntnis zum Evangelium. Wir alle können auf diesem Weg zur Einheit weitergehen.
Ich sehe in dieser Weltsynode einen wichtigen Schritt für die katholische Kirche. Ein Schritt zur umfassenden Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils mit seiner Forderung nach einer stärkeren Beteiligung am Leben der Kirche und mit der Aufforderung an uns alle, eins zu sein und Wege zur Einheit zu finden.
Das Interview führte Jan Hendrik Stens.