DOMRADIO.DE: Bundesfamilienministerin Lisa Paus von den Grünen hatte jüngst gesagt, es müssten für die Einführung der Kindergrundsicherung 5.000 neue Stellen in der Verwaltung geschaffen werden. Von dieser Position ist sie inzwischen abgerückt. Vergangenes Jahr hatte sie zunächst zwölf Milliarden Euro für das Projekt veranschlagt. Am Ende gab sie sich mit 2,4 Milliarden zufrieden. Tut sich Frau Paus mit diesem Hin und Her beim Thema Kinderarmut ein Gefallen?
Prof. Dr. Ulrike Kostka (Direktorin des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin): Das tut sie sich nicht. Es ist eine wirklich schwierige politische Kommunikation, denn die Kindergrundsicherung ist grundsätzlich ein wichtiges Instrument. Wir fordern das als Caritas schon lange, weil sie die Leistungen zusammenfasst und es Familien einfacher machen soll.
Vor allen Dingen soll sie bewirken, dass mehr Kinder auch wirklich Zugang dazu bekommen. Das war ein totales Kommunikationschaos. Erst sollten 5.000 Stellen her, dann doch nicht. Das ist nicht gut.
Wir können nur hoffen, dass jetzt eine ordentliche politische Kommunikation eintritt und das Projektmanagement dafür läuft und es nicht weiter dieses ewige Hin und Her gibt, denn das gefährdet das Instrument.
DOMRADIO.DE: Lassen Sie uns mal auf ein paar Zahlen schauen. Pro Kind gibt es 250 Euro Kindergeld. Wenn die Eltern nicht viel verdienen, können sie auch noch einen Kinderzuschlag von maximal 292 Euro beantragen. Es gibt bis zu 471 Euro für Kinder von Bürgergeldempfängern und zusätzlich Geld für Lernförderung, Mittagessen, Schul- und Freizeitgestaltung. Warum reicht das offensichtlich trotzdem nicht, um die Kinderarmut zu bekämpfen?
Kostka: Zum einen sind die administrativen Wege zu kompliziert, sodass viele Eltern bestimmte Leistungen gar nicht beantragen. Die Kindergrundsicherung soll dazu dienen, es einfacher zu machen. Alles aus einer Hand und möglichst digital ist das Stichwort. Das ist schon mal ein Thema.
Gleichzeitig sollen einzelne Beträge etwas aufgestockt werden. Es ist ganz wichtig, dass das jetzt gut und professionell umgesetzt wird. Ich fordere auch ganz klar von der Politik, dass das gemeinsam von der Koalition ohne Streitigkeiten umgesetzt wird.
Zum anderen muss die Kinderarmut auch durch andere Dinge bekämpft werden. Ein ganz wichtiger Punkt ist dabei, die Bildungschancen von Kindern, aber auch insgesamt die Chancen von Familien zu erhöhen. Uns macht es gerade große Sorge, dass die öffentlichen Haushalte belastet sind und manche Angebote für Familien und Kinder deutlich zurückgefahren werden, beziehungsweise gefährdet sind.
Das erleben wir auch in Berlin. Da wird am falschen Ende gespart. Familien brauchen Beratung, Familien brauchen auch kostenlose Freizeitangebote und es braucht Kinder- und Jugendzentren. Da darf nicht am falschen Ende gespart werden. Die Kindergrundsicherung ist da ein wichtiger Baustein. Aber genauso braucht es auch diese anderen Aspekte.
DOMRADIO.DE: Vielleicht fehlt auch der Ausbau der Ganztagsbetreuung?
Kostka: Das ist auf jeden Fall auch ein wichtiger Schritt. Da sind wir in Berlin schon relativ weit und machen damit auch gute Erfahrungen. Aber es geht natürlich auch um die Qualität der Ganztagsbetreuung und die Gestaltung von Schulen.
Denn das Wichtigste ist, dass Kinder lernen, dass sie mehr können als Hartz IV, wie man es früher nannte. Sie brauchen in ihren Familien, aber auch drumherum, in der Nachbarschaft und in der Schule eine Umgebung, in der sie sich etwas zutrauen und sie brauchen Erwachsene, die sie stützen. Das ist die beste Voraussetzung, um Kinderarmut zu bekämpfen.
Deswegen sind wir als Caritas in diesen Bereichen ganz breit engagiert. Ich glaube, das ist ein wichtiger Auftrag von Kirche, Familie da vielfältig zu unterstützen und zu begleiten. Es ist auch eine Riesenchance.
Das Interview führte Tobias Fricke.