Ein neues ehrgeiziges Bauprojekt in Berlin kommt in Gang. Im multikulturellen Kreuzberg soll der Hauptbau der Synagoge am Fraenkelufer wiedererstehen, eines der einst repräsentativsten jüdischen Gotteshäuser in der Hauptstadt. Initiator und Motor des Vorhaben ist ein Muslim: der SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh.
In Palästina geboren
Der in Palästina geborene Politiker stellte seine Idee erstmals am vergangenen 9. November vor, dem 79. Gedenktag der nationalsozialistischen Pogrome von 1938. "Wer Schlösser und Kirchen rekonstruiert, muss auch von den Nazis zerstörte Synagogen wiederaufbauen", begründete der 40-Jährige seinen Vorstoß unter Hinweis auf das Berliner Stadtschloss und die Potsdamer Garnisonkirche.
Am 9. November 1938 hatten die Nationalsozialisten die 1916 eröffnete Synagoge am Fraenkelufer wie die meisten anderen im Deutschen Reich in Brand gesetzt. Nach 1945 wurden die Reste weitgehend abgerissen, nur in einem erhaltenen Seitenflügel werden bis heute jüdische Gottesdienste gefeiert. Das Grundstück des früheren Hauptbaus blieb weitgehend frei und ist im Besitz des Landes Berlin.
Schnelles Gemeindewachstum
Zur Begründung eines Wiederaufbaus führt Saleh auch an, dass die Gemeinde unter anderem durch den Zuzug junger Familien schnell wachse. Zudem könne und wolle sie in dem weithin muslimisch geprägten Umfeld von Kreuzberg und Neukölln einen wichtigen Beitrag zum interreligiösen Dialog leisten. Das sieht auch die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg so und unterstützt das Vorhaben.
Nun gibt es erste konkrete Vorschläge für den Wiederaufbau. Vor Journalisten warb der Berliner Architekt Kilian Enders am Donnerstag für einen weitgehend originalgetreuen äußeren Wiederaufbau in klassizistischen Formen. Der Bau soll aber deutlich heller werden als sein Vorgänger und damit den geschichtlichen Bruch der Zerstörung dokumentieren. Die Kosten schätzt Enders auf mindestens 20 Millionen Euro, die Zeit bis zur Fertigstellung auf wenigstens fünf Jahre.
Gedanken zur Finanzierung
Bei den Unterstützern stoßen diese Überlegungen auf viel Sympathie. Beim erforderlichen Architektenwettbewerb wäre Enders "ein Favorit", lobt die baupolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Iris Spranger. Sie und Saleh haben sich auch schon über die Finanzierung Gedanken gemacht. Beide favorisieren einen Mix aus Bundes-, Landes- und Lottomitteln sowie Spenden. "Wäre es nicht ein schönes interreligiöses Zeichen, wenn Muslime, Juden und Christen an einem Wochenende dafür sammeln würden?", fragt Saleh.
Auch die Jüdische Gemeinde zu Berlin begrüßt die Initiative nachdrücklich. In der wiederaufgebauten Synagoge könne eine Begegnungsstätte entstehen, "die zeigt, dass man Juden nicht fürchten muss", schlägt der Gemeinde-Vorsitzende Gideon Joffe vor. Priorität hat für die Gemeinde indes ein anderes Projekt, wie er betont. Es ist die Eröffnung einer jüdischen Sekundarschule. Sie soll bis 2020 in der Auguststraße in Berlin-Mitte entstehen. Wie das Jüdische Gymnasium soll die Einrichtung für mittlere Bildungsabschlüsse besonders Schüler aufnehmen, wie wegen ihrer jüdischen Religion an anderen Schulen angefeindet wurden.
Ehrung für seinen Einsatz der Toleranz
So ist der Wiederaufbau der Synagoge vorerst vor allem ein Projekt von Saleh und seinen Mitstreitern. Es ist nicht das erste interreligiöse Engagement des SPD-Fraktionschefs. Vor zwei Jahren ehrte eine internationale Rabbinerorganisation seinen Einsatz für Toleranz und Respekt zwischen den Religionen.
Wiederaufbauprojekte jüdischer Gotteshäuser gab es in Berlin nach 1945 bereits mehrere, bei denen die Vorgängerbauten jedoch nur teilweise rekonstruiert wurden. So entstand die Synagoge in der Charlottenburger Fasanenstraße in modernen Formen mit Teilen des Vorgängerbaus. Bei der Restaurierung der Synagoge in der Oranienburger Straße im Bezirk Mitte wurde der Hauptgebetsraum nicht wieder aufgebaut.
Insgesamt gibt es in der Hauptstadt rund ein Dutzend Synagogen für die über 10.000 Berliner, die einer jüdischen Gemeinde angehören.