Bibelexpertin sieht keinen Machtanspruch in Kuppel-Zitaten

Widerstand statt Machtdemonstration?

Die Münsteraner Bibelwissenschaftlerin Eve-Marie Becker sieht in den Bibelversen am Berliner Humboldt-Forum keine Betonung eines christlichen Machtanspruchs. Dennoch müsse man schauen, wie der preußische König sie verstanden habe.

Autor/in:
Hannah Krewer
Schriftzug auf der Kuppel des Humboldt-Forums / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Schriftzug auf der Kuppel des Humboldt-Forums / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )

Das sagte die Professorin für Neues Testament am Exzellenscluster "Religion und Politik" am Montag laut einer Pressemitteilung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Historische Ursprünge nicht ausblenden

"Im Streit um die Bibelzitate sollte die historische Ursprungssituation nicht ausgeblendet werden", so die evangelische Theologin wörtlich. Demnach seien die beiden Zitate, die in der Inschrift kombiniert wurden, historisch gesehen in Situationen des Widerstands entstanden.

Prof. Dr. Eve-Marie Becker (privat)
Prof. Dr. Eve-Marie Becker / ( privat )

Der vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. aus mehreren Bibelversen zusammengesetzte Schriftzug, der beim Wiederaufbau des Schlosses an der rekonstruierten Fassade wieder angebracht wurde, lautet: "Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind."

"Aussagen marginalisierter Jesusanhänger"

"Beides sind Bekenntnisaussagen marginalisierter jüdischer Jesusanhänger, Petrus und Paulus, die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. inhaftiert waren und später hingerichtet wurden", erklärte Becker laut der Pressemitteilung.

Wenn in der aktuellen Debatte gesagt werde, die Bibelworte seien in erster Linie Ausdruck preußischen Machtanspruchs oder Symbol christlich-kolonialer Herrschaft, werde dieser Ursprung ausgeblendet. Die Zitate seien in ihrem historischen Kontext also gerade nicht als Inszenierung von politischer Macht zu verstehen.

Gottvertrauen in der Ohnmacht

Vielmehr kämen die Verse von Männern, die in einer ausweglosen Situation ihr Gottvertrauen unter Beweis stellten. So habe Paulus die Passage aus dem Philipperbrief (2,10) etwa verfasst, als er im Gefängnis auf sein Todesurteil gewartet habe. Auch der Teil aus der Apostelgeschichte (4,12) sei ein Bekenntnis des Petrus, der darin seine Hoffnung auf Rettung in Christus ausdrücke.

Dennoch sei die Wirkungsgeschichte der Verse umstritten, so Becker. Historisch sei unklar, ob der theologisch gebildete König Friedrich Wilhelm IV. die Verse als Ausdruck von Demut oder aber als Demonstration seiner von Gott abgeleiteten Macht hatte anbringen lassen.

Quelle:
DR
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