Bischof Glettler konkretisiert Kritik an Missbrauchsstudie

"Teilweise nicht wissenschaftlich gearbeitet"

Wenn zwei Befragte für 1.200 Betroffene stehen, dann ist das für den Innsbrucker Bischof zu wenig. Hermann Glettler kritisiert mit deutlichen Worten die wissenschaftliche Qualität einer Missbrauchsstudie zu Heimen in Tirol.

Symbolbild Kirche in Österreich / © schusterbauer.com (shutterstock)
Symbolbild Kirche in Österreich / © schusterbauer.com ( shutterstock )

Eine vor zwei Jahren veröffentlichte Studie zu Missbräuchen in Tirol sorgt für Schlagzeilen. Denn die Studie erscheint aktuell als Buch - mit einem kritischen Vorwort von Bischof Hermann Glettler. 

Darin wirft der Innsbrucker Bischof dem Forschungsteam vor, teilweise nicht wissenschaftlich gearbeitet zu haben. Am Dienstag konkretisierte Glettler im ORF seine Kritik: Er sehe die Studie als erweiterungsbedürftig an.

Hermann Glettler / © Paul Wuthe/Kathpress (KNA)
Hermann Glettler / © Paul Wuthe/Kathpress ( KNA )

Kurz nach Abschluss der Studie seien weitere Dokumente aufgetaucht, erklärte der Bischof. Wörtlich sagte er: "Ich hätte gerne eine bessere Kontextualisierung gehabt, was der pädagogische Standard damals war." Er sei grundsätzlich froh, dass die Studie gemacht worden sei. Da sich immer noch Personen melden würden, sei allerdings möglicherweise ein weiterer Schritt nötig, so der Bischof. 

Er betonte: "Der erste Blick gilt den Opfern, Anerkennung dessen, was sie erlebt haben und dann eine gute Präventionsarbeit. Und da sind wir auch dran. Auch mit Schutzkonzepten, die für Pfarrer und Seelsorgeräume ausgearbeitet werden. Und ich als Bischof stehe da 100 Prozent dahinter."

Kritisches Vorwort zur Missbrauchsstudie

Die Studie über Missbrauchsfälle in katholischen Heimen in Tirol wurde 2019 von der Diözese gemeinsam mit dem Land Tirol in Auftrag gegeben - als interdisziplinäre Aufarbeitung aller erfassten Missbrauchsfälle in kirchlichen Heimen Tirols und der darin offensichtlich gewordenen strukturellen Gewalt. 

In seinem Vorwort zur Buchform der Studie hat Glettler von einem offenbar gewordenen "pädagogischen Totalversagen" auch noch im Fürsorgesystem der Nachkriegszeit geschrieben, den Autoren dabei aber fehlende "Fairness und größtmögliche Objektivität" gegenüber jenen vorgehalten, "die sich unter schwierigsten Bedingungen um eine angemessene Betreuung der ihnen anvertrauten jungen Menschen bemüht haben".

Der Bischof schreibt, die Studie sei betreffend der Qualität wissenschaftlichen Arbeitens nicht überzeugend. Konkret könnten bei den Ausführungen zum Heim Thurnfeld nicht zwei befragte Zeugen "für 1.200 Buben stehen, die im Salesianer Heim untergebracht waren" und in einem genannten Fall, bei dem Aussage gegen Aussage stehe, nicht "der Inhalt einer massiven Beschuldigung als historisches Faktum ausgegeben" werden.

Um vertiefte Untersuchung gebeten

In einer Stellungnahme auf der Website der Diözese unter der Überschrift "Klarstellung zum Vorwurf der "'Missachtung von Opfern'" (Donnerstag) führte Glettler aus, dass sich im weiteren Verlauf gezeigt habe, dass wissenschaftliche Gütekriterien der Studie aufgrund der Erweiterung und des zeitlichen Drucks nicht mehr eingehalten werden konnten. 

Er habe das Forschungsteam um eine vertiefte Untersuchung der Situation im Heim Thurnfeld gebeten, wo noch Schwestern lebten. Um der Repräsentativität willen habe er eine Erweiterung des Kreises der Befragten über zwei Personen, die sich selbst gemeldet hatten, gebeten, sowie um eine spätere Veröffentlichung.

Tirol im Winter / © Sophie Dover (shutterstock)

Beidem sei nicht entsprochen worden, was der Bischof bedauerte, "weil kurz nach Abschluss der Studie eine Fülle von Dokumenten im Archiv in Thurnfeld aufgefunden wurden, die zur Erfassung der Gesamtsituation von Bedeutung seien", wie er erklärte. Die vielen Dokumente und Fotos hätten von zahlreichen Aktivitäten im Salesianischen Bubenheim gezeugt, die ein "Gesamtbild, das gar nicht dem konstruierten Bild der Studie entsprach" ergeben haben. 

Am meisten kritisierte Glettler, dass der Vorwurf eines sexuellen Missbrauchs in der wissenschaftlichen Studie an mehreren Textstellen als erwiesene Tatsache hingestellt worden sei - ohne zu erwähnen, dass die beschuldigte Schwester eine gegenteilige Erklärung abgegeben habe "und damit Aussage gegen Aussage steht". Studienleiter Rubnow wies laut der österreichischen Presseagentur die Kritik des Bischofs zurück.

Katholische Kirche in Österreich

Mit knapp fünf Millionen Mitgliedern ist die Katholische Kirche die größte gesetzlich anerkannte Glaubensgemeinschaft in Österreich. Das seelsorgerische Netz umfasst mehr als 3.000 Pfarren und rund 8.000 Kirchen und Kapellen.
 

Die Flagge Österreichs / © Black Pearl Footage (shutterstock)
Die Flagge Österreichs / © Black Pearl Footage ( shutterstock )
Quelle:
KNA