Bischof Stäblein leitet Gedenkgottesdienst für Nawalny

Gegen das Vergessen

Der russische Kreml-Kritiker Alexej Nawalny wäre an diesem Dienstag 48 Jahre alt geworden. Er starb aus ungeklärten Gründen in einem Straflager. Die Evangelische Kirche in Berlin begeht an seinem Geburtstag einen Gedenkgottesdienst.

Menschen mit einem Porträt des gestorbenen Alexei Nawalny (Archiv) / © Thomas Banneyer (dpa)
Menschen mit einem Porträt des gestorbenen Alexei Nawalny (Archiv) / © Thomas Banneyer ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was war Mitte Februar Ihre Reaktion, als die Nachricht von Nawalnys Tod kam?

Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz / © Heike Lyding (epd)
Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz / © Heike Lyding ( epd )

Bischof Christian Stäblein (Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz): Als erstes habe ich an seine Familie gedacht, auch an ihn selbst. Ein Tod ist immer etwas Schreckliches, zumal er hier unter ungeklärten Umständen geschehen ist.

Der nächste Gedanke war, dass er ein so wichtiger Mensch für ein Russland gewesen ist, das seine Probleme auf friedliche und auf demokratische Weise löst. 

Er stand für Demokratie, für ein wirkliches Miteinander und auch für die Suche nach einem nach innen und außen freien und friedsamen Russland.

DOMRADIO.DE: Waren Sie denn von der Nachricht seines Todes überrascht?

Stäblein: In dem Moment habe ich nicht damit gerechnet. Zunächst war es ein großer Schock. Aber wir wussten, dass wir mit allem rechnen mussten.

Christian Stäblein

"Wir gedenken jemanden, der ganz selbstlos ein Vorbild für all die anderen Oppositionellen geworden ist."

DOMRADIO.DE: An welchen Mann erinnern Sie heute im Gottesdienst?

Stäblein: Wir erinnern an einen ungeheuer mutigen Mann, der trotz Gerichtsprozessen, am Ende auch trotz des Giftanschlags auf ihn, immer wieder in sein Land zurückgekehrt ist, weil er zu Hause für die Freiheit und für die Demokratie einstehen und kämpfen wollte und dafür am Ende sein Leben gegeben hat. 

Wir denken an jemanden, der ganz selbstlos und ohne Rücksicht auf sich oder auf das nächste Umfeld ein Vorbild für all die anderen Oppositionellen geworden ist, an die wir heute auch denken, an all die Menschen, die für ein anderes Russland stehen.

Christian Stäblein

"Die Witwe, Frau Julia Nawalnaja, wird ja auch mit dabei sein."

DOMRADIO.DE: Alexej Nawalny war selber orthodoxer Christ. Sie sind evangelischer Bischof. In welcher Form werden Sie den Gottesdienst gestalten?

Stäblein: Es wird ein seelsorglicher Gedenkgottesdienst sein. Das ist das Erste und Wichtige. Die Witwe, Frau Julia Nawalnaja, wird auch mit dabei sein. An so einem Geburtstag als Erinnerungsstag steht das Erinnern an diesen Menschen im Vordergrund, so wie er als Mensch in seinem Mut und in seinem Einstehen für die Freiheit war.

Julia Nawalnaja, Witwe von Alexej Nawalny / © Peter Kneffel (dpa)
Julia Nawalnaja, Witwe von Alexej Nawalny / © Peter Kneffel ( dpa )

DOMRADIO.DE: Es ist schon besonders, dass die Witwe mit dabei ist. Wie ist sie in den Gottesdienst integriert?

Stäblein: Sie kommt heute Morgen an und wird dann mit da sein, so wie viele andere Menschen auch. Das soll der Raum sein, in dem die Russinnen und Russen, die im Exil sind, die außerhalb ihres Landes sind, einen angemessenen Raum für Trauer und Anteilnahme bekommen können.

Ich glaube, es ist ungeheuer wichtig, dass wir nicht vergessen. Das ist ja das, was so ein Regime in der Regel will.

DOMRADIO.DE: Werden Sie etwas dazu sagen, welche Bedeutung der Glaube für Nawalny gespielt hat?

Stäblein: Er hat, wenn er sich vor Gericht verteidigt hat, längere Reden gehalten, die aufgezeichnet worden sind und die man auch auf Deutsch kaufen kann. In einer dieser Reden hat er dazu Stellung genommen, wie ihn jemand mit Worten aus dem Matthäusevangelium: "Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit. Sie sollen satt werden" angeschrieben hat. Das hat er selber dann in einer Rede zitiert. 

Er hat auch immer mal davon erzählt, dass er selber, nachdem er früher wohl Atheist gewesen ist, zum Glauben gefunden hat, als ein tragendes Fundament auch für die innere Freiheit, die er gefunden hat.

Christian Stäblein

"Vor allem ist unser Gedanke bei den Menschen, die jetzt wirklich in Sorge sein müssen."

DOMRADIO.DE: Das Putin-Regime hat vermutlich seine Leute überall. Haben Sie Sorge, dass Sie bei dem Gedenkgottesdienst besonders observiert werden?

Stäblein: Ich denke schon. Es gilt als erstes immer für die Menschen zu sorgen, die dorthin kommen. Gerade für auch Frau Nawalnaja und die Menschen, die russischer Herkunft sind und hier im Exil leben. Das ist die erste Sorge, dass wir an die Menschen denken, die immer wieder die Bedrohung und diesen Schrecken des Regimes erfahren. 

Wir leben auch in Zeiten, in denen das Putin-Regime einen furchtbaren Angriffskrieg gegen ein Land in Europa führt. Das alles gilt es zu bedenken und deswegen auch Vorsorge zu treffen. Aber vor allem ist unser Gedanke bei den Menschen, die in Sorge sein müssen.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Gedenkgottesdienst für russischen Regimekritiker Nawalny in Berlin

Mit einem Gottesdienst erinnert die evangelische Kirche am 4. Juni in Berlin an den im Februar in russischer Haft gestorbenen Regimekritiker Alexej Nawalny. Anlässlich seines Geburtstags finden in vielen Ländern Gedenkveranstaltungen statt, wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mitteilte.

Zum Gottesdienst unter Leitung von Landesbischof Christian Stäblein in der Berliner Marienkirche werden Nawalnys Ehefrau Julia Nawalnaja sowie Weggefährtinnen und Weggefährten erwartet, hieß es.

Eine Frau legt einen Tag nach der Beerdigung von Alexej Nawalny auf dem Borisowskoje-Friedhof Blumen am Grab ab. Nawalny, der der schärfste Gegner von Präsident Wladimir Putin war, wurde nach einer Beerdigung, an der Tausende von Trauernden teilnahmen, unter starker Polizeipräsenz beigesetzt. / © Uncredited/AP (dpa)
Eine Frau legt einen Tag nach der Beerdigung von Alexej Nawalny auf dem Borisowskoje-Friedhof Blumen am Grab ab. Nawalny, der der schärfste Gegner von Präsident Wladimir Putin war, wurde nach einer Beerdigung, an der Tausende von Trauernden teilnahmen, unter starker Polizeipräsenz beigesetzt. / © Uncredited/AP ( dpa )
Quelle:
DR