Bischof Wilmer betont Recht der Ukrainer auf Notwehr

"Wie gewinnen wir den Frieden?"

Mit Blick auf den Ukraine-Krieg hat der katholische Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer das "Recht auf Notwehr" betont. In der Braunschweiger Zeitung äußerte Wilmer sich außerdem lobend zum Katholikentag.

Bischof Heiner Wilmer im Portrait / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Heiner Wilmer im Portrait / © Harald Oppitz ( KNA )

Wilmer sagte mit zum Krieg in der Ukraine, aus kirchlicher Sicht gebe es für Verantwortungsträger eine "Pflicht zur Verteidigung". Zugleich gelte es, Maß zu halten beim Einsatz der Mittel. Dies müssten aber Sicherheits- und Militärexperten beurteilen.

"Die Fragestellung darf aber nicht lauten, wie wir den Krieg gewinnen", sagte Wilmer. Er leitet die Deutsche Kommission "Justitia et Pax", die sich mit Friedens- und Menschenrechtsfragen beschäftigt. "Sie muss lauten: Wie gewinnen wir den Frieden? Es braucht Verhandlungen, diplomatische Lösungen."

"Versprechen sind einzuhalten" 

Bistum Hildesheim

Hildesheimer Dom / © Daniel Pilar (KNA)
Hildesheimer Dom / © Daniel Pilar ( KNA )

Zur Diözese Hildesheim zählen rund 538.000 Katholiken im östlichen Niedersachsen und im Norden Bremens. Das rund 30.000 Quadratkilometer große Bistum reicht von der Nordseeküste bis zu den südlichen Ausläufern des Harzes bei Göttingen und Duderstadt. Die Katholiken bilden im Bistum in fast allen Regionen der Diözese eine Minderheit (Diaspora).

Es zählt 119 Kirchengemeinden in 17 Dekanaten. Heiner Wilmer ist der 71. Bischof des Bistums. Er folgt auf Bischof Norbert Trelle, dessen altersbedingten Rücktritt Papst Franziskus am 9. September 2017 annahm.

Der russische Präsident Wladimir Putin sorge "für ein Übermaß an Übel", so der Bischof weiter. "Was Putin in der Ukraine unternimmt, ist menschenverachtend. Es geht gegen die Botschaft der Bibel." Zu der den Ukrainern zugesagten Lieferung schwerer Waffen sagte Wilmer: "Versprechen sind einzuhalten."

Mit Blick auf die Aufrüstung der Bundeswehr warnte der Bischof davor, in politische Lager zu verfallen. 100 Milliarden Euro seien zwar "eine gigantische Summe". Aber es gehe zunächst um eine ausreichende Ausrüstung und um eine Erneuerung des Bestandes. Notwendig sei hier ein "Vertrauen auch in unsere Militärexperten und -expertinnen".

Zur Rolle der Kirche in dem Konflikt sagte der Bischof: "Sie ist Brückenbauerin zwischen unterschiedlichen Parteien." Es gelte gerade im Krieg, sich die Vorstellung vom Frieden zu bewahren.

"Hungerkrise mit Folgen für Europa"

Der Krieg wird Deutschland nach den Worten Wilmers noch heftiger erschüttern als bisher. "Wir werden jenseits von Europa eine schwere Hungerkrise bekommen - mit Folgen für Europa." Insbesondere Länder in Afrika würden wahrscheinlich in eine bittere Hungerkrise fallen. "Es werden noch mehr Menschen fliehen, es werden noch mehr Menschen vor den Toren Europas stehen. Es werden noch mehr Menschen in Schlauchbooten über das Mittelmeer flüchten", so der Bischof.

Angesichts dieser Entwicklung müssten die Deutschen ihre Mentalität ändern, forderte Wilmer. "Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft. Es wird zu viel Essen weggeworfen." Notwendig sei ein viel behutsamerer Umgang mit Ressourcen - vor allem mit Blick auf die Armut, die in Deutschland und "vor allem aber um uns herum steigen wird". Die Energie-Krise werde "massiv" die Augen dafür öffnen, dass "Fragen von Klima, Menschenrechten und Sicherheit direkt miteinander zu tun haben".

"Nachdenkliche Fröhlichkeit"

Im Interview äußerte sich Wilmer zudem zum Katholikentag in Stuttgart. "Ich war sehr angetan. Es herrschte eine nachdenkliche Fröhlichkeit", sagte er der "Braunschweiger Zeitung" (Mittwoch). "Es ist großartig, eine Plattform zu erleben, die Begegnungen ermöglicht. Das ist wie ein großes Familientreffen."

Nach den Worten Wilmers war es sein erster Katholikentag als Bischof und somit in einer neuen Rolle. "Ich war schon auf vielen Katholikentagen, aber meistens in Jeans und Polo-Shirt."

Zur vergleichsweise niedrigen Teilnehmendenzahl sagte der Bischof, dies könne mit der Pandemie und dem durch die Missbrauchsskandale geprägten Bild der Kirche in der Öffentlichkeit zusammenhängen. "Vielleicht werden wir ein neues Format überlegen müssen", so Wilmer. "Kirchentage müssen vielleicht kleiner und bescheidener werden, dafür konzentrierter." Wurden 2018 beim letzten Katholikentag vor Corona noch rund 80.000 Dauer- und Tagesgäste gezählt, waren es in Stuttgart 27.000.

Kirche wird "kleiner und bescheidener"

Aus Sicht des Bischofs wird die Kirche "auch in Zukunft einen wichtigen Stellenwert haben", sie werde aber "kleiner werden, bescheidener" und die katholische Konfession "ökumenischer leben". Die Kirche sei "wie eine Brücke zu den großen alten Texten, die seit Jahrhunderten und Jahrtausenden die Menschen getröstet haben", betonte der Bischof. "Die Kirche ist fast der einzige Raum, in dem es legitim ist, öffentlich zu weinen. Menschen brauchen diesen Schutz, die Geborgenheit, die Bindung zu Gott."

Eine Herausforderung nannte Wilmer die abnehmende Zahl der Taufen. Daher müsse die Kirche intensiver den Kontakt zu jungen Eltern suchen - "in der Überzeugung, dass die Botschaft Jesu wie ein Instrument ist, das die Seele in Schwingung versetzt".

Quelle:
KNA