Über Wochen hat Brasiliens Präsident Jair Messias Bolsonaro die Gefahren durch das Coronavirus heruntergespielt und sie gar als "Hirngespinste" der Presse abgestempelt. Am Donnerstag nun holte ihn der Covid-19-Erreger ein. Nachdem bei einem seiner engsten Mitarbeiter das Virus nachgewiesen wurde, mussten sich der 64-jährige Ex-Militär und seine Familie ebenfalls testen lassen. Die Ergebnisse sollen im Laufe des Freitag (Ortszeit) veröffentlicht werden.
Bolsonaros Pressechef Fabio Wajngarten, der an der USA-Reise des Präsidenten vom 7. bis 10. März teilgenommen hatte, wurde am Donnerstag unter häusliche Quarantäne gestellt. Auf dem Rückweg aus den USA hatte er erste Symptome der Erkrankung gezeigt. Wajngarten war auch bei Bolsonaros Treffen mit Donald Trump am Samstag dabei. Auf Social-Media-Fotos steht er mit einer "Make Brazil great again"-Mütze neben dem US-Präsidenten.
Live-Übertragung via Facebook mit Gesichtsmaske
Man habe das Weiße Haus in Washington umgehend informiert, so die Regierung in Brasilia. Bolsonaro selbst zeigte sich am Donnerstagabend bei einer Live-Übertragung via Facebook mit Gesichtsmaske. Dabei rief er seine Anhänger auf, nicht an den geplanten Massendemonstrationen am Sonntag teilzunehmen. Das sei aufgrund der Ansteckungsgefahr nicht ratsam.
In den vergangenen Wochen hatte Bolsonaro zu den Protesten in seinen Sozialen Netzwerken und auf Veranstaltungen aufgerufen. Mit ihnen sollten der Kongress und das Oberste Gericht unter Druck gesetzt werden, seine Gesetzesvorhaben und Haushaltspläne zu akzeptieren. Am Donnerstagabend sagten die Veranstalter die Demos aufgrund steigender Infektionsraten ab.
Über Opposition und Medien lustig gemacht
Die Ausbreitung des Coronavirus in Brasilien durchkreuzt aber auch in anderer Hinsicht Bolsonaros Pläne. Ähnlich wie sein Idol Donald Trump hatte er die Gesundheitskrise benutzt, sich über Opposition und Medien lustig zu machen. So werde die von Covid-19 ausgehende Gefahr weltweit von der Presse aufgebauscht, um Panik auszulösen. Dabei seien andere Krankheiten wesentlich gefährlicher, so Bolsonaro.
Doch mittlerweile ist die Zahl der Verdachtsfälle in Brasilien auf 1.400 gestiegen. Nachdem zuerst nur aus Europa und Asien ankommende Reisende positiv getestet wurden, häufen sich jetzt die Fälle von in Brasilien erfolgten Infizierungen. Die Hoffnung, dass sich das Virus wegen der hohen Temperaturen des brasilianischen Sommers nicht so schnell ausbreiten würde, scheinen verflogen. Ab Mitte April dürfte es sich rasant in den Großstädten verbreiten, und dort vor allem in den Armengebieten, warnen Experten.
Gesundheitssystem nicht vorbereitet
Vorbereitet ist Brasilien darauf nicht. Das staatliche Gesundheitssystem SUS ist chronisch unterversorgt und steht in vielen Regionen wie der Metropole Rio de Janeiro ohnehin vor dem Zusammenbruch. Er werde am Freitag per Dekret umgerechnet 930 Millionen Euro an Soforthilfen für den Kampf gegen das Virus bereitstellen, versprach Bolsonaro am Donnerstag. Zugleich kündigte das Gesundheitsministerium an, 2.000 Betten für die zu erwartenden Patienten anzuschaffen.
Das Ministerium schrieb rund 5.800 neue Stellen für das staatliche Ärzteprogramm "Mais Medicos" (Mehr Ärzte) aus. Sie sollen landesweit beim Kampf gegen das Virus helfen. Allerdings dürfte es Wochen oder Monate dauern, bis die Ärzte bereit stehen. Eigentlich sollte "Mais Medicos", das 2013 von Bolsonaros Erzfeindin, der linken Ex-Präsidentin Dilma Rousseff, gestartet wurde, sowieso bereits Ende 2019 ein neues Programm ersetzt werden. Allerdings konnte Bolsonaros "Medicos pelo Brasil" (Ärzte für Brasilien) aufgrund administrativer Probleme noch nicht gestartet werden.
So hat das Virus Bolsonaro gleich mehrfach blamiert - und seine Budgetpläne über den Haufen geworfen. Die erwarteten 2,5 Prozent Wachstum sind nicht mehr zu erreichen. Auch Brasiliens Aktienmarkt, der sich zu Bolsonaros Freude gerade erholte, stürzt derzeit ins Bodenlose. Die Börse in Sao Paulo hat seit Ende Januar bereits 38 Prozent verloren, der heimische Real gegenüber dem US-Dollar 2020 20 Prozent an Wert eingebüßt. Sollte Bolsonaro nun auch noch positiv auf Corona getestet werden, wäre der PR-Gau perfekt.