Bürgerspenden retten "lachende Kirche" vor Verfall

"Solang wir aktiv sind, kommen Spenden"

Immer mehr Kirchen in Deutschland werden geschlossen, verkauft oder sogar abgerissen, weil das Geld zur Erhaltung fehlt. Dies ist die Geschichte einer wunderbaren Rettung dank einiger engagierter Gläubigen. Sie spielt in München.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Kollekte in einer Kirche (shutterstock)

Sankt Nikolaus im Münchner Nordosten ist eine ganz besondere Kirche. Sie lacht. Für den sympathischen Eindruck sorgt die Turmfassade des gut 700 Jahre alten, frühgotischen Gotteshauses mit ihren zwei Fenstern und einer Sonnenuhr darunter. Fast wäre es damit vorbei gewesen, denn die Kirche musste vor 20 Monaten geschlossen werden - wegen Einsturzgefahr. 

Eine aktive Kirchengemeinde und mehr als 1.000 Münchner Privatpersonen haben dieses Schicksal nun abgewendet. Am 9. Juni wird Sankt Nikolaus feierlich wiedereröffnet. 

Pilze und Holzwürmer hatten den Dachbalken schwer zugesetzt. Das ganze Ausmaß der Schäden war erst im Herbst 2022 bei einer Begehung durch fachkundige Ruheständler der Gemeinde, darunter ein Bauingenieur und ein Statiker, sichtbar geworden. Ein Gutachter bestätigte anschließend deren Einschätzungen zur Gefahrenlage. 

Weil vom Erzbistum München und Freising keine Hilfe zu erwarten war, startete die Gemeinde eine Spendenaktion. Parallel begannen im vergangenen Sommer die Arbeiten zur Rettung des Dachstuhls. 

50.000 Euro fehlen noch

Zu den treibenden Kräften dahinter zählt Gabriele Huber (57), die sich ehrenamtlich in der Kirchenverwaltung engagiert. Ihre Bilanz als Chefin des Spendenausschusses kann sich sehen lassen. Nach ihren Angaben sind bisher 206.000 Euro von Privatleuten eingegangen, dazu gut 60.000 Euro von Stiftungen und anderen Zuschussgebern. Weitere 50.000 Euro will sie noch auftreiben. Am Telefon klingt sie zuversichtlich, dass das gelingt. 

"Solange wir aktiv sind, kommen Spenden, wenn wir nichts machen, fließt kein Cent", beschrieb die gelernte Bankkauffrau der
Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Freitag ihr Erfolgsrezept. An Einfallsreichtum hat es bisher nicht gefehlt. Auf einer Internetseite der Pfarrgemeinde füllen knappe Beschreibungen einzelner Aktionen eine lange Liste. 

Tortenverlosung und Ziegelpatenschaften

Kasperltheater und Volkstanz brachten Erlöse ein. Ein Münchner Familienbetrieb spendierte 100 Torten zur Verlosung, dazu handgefertigte Pralinen. Wieder waren 2.600 Euro beisammen. Zuletzt hat der Spendenausschuss Anfang Mai spezielle Holzöfen ausgeliehen, um Pizza zu backen. Die bewirteten Gäste ließen es sich nicht nur schmecken, sondern übernahmen gleich weitere Patenschaften für neue Ziegel. 

Um neuerliche Feuchtigkeitsschäden zu vermeiden, muss nämlich das Dach neu eingedeckt werden. Das soll im Juli geschehen. Dann fehlt nur noch die Glocke. Die war nicht nur falsch aufgehängt, sondern auch noch zu schwer. Bei ihrer Abnahme im Zuge der Dachsanierung zeigte sich, dass sie geborsten war. Für einen Neuguss wollen nun Hubers Familie und sechs weitere Mitstreiter aufkommen, wie sie erzählt. 

Nur 40 Sitzplätze

Ab 9. Juni wird es jedenfalls schon einmal wieder regelmäßig Gottesdienste in dem nur 40 Sitzplätze zählenden "Kircherl" geben. Jeden Donnerstagabend. Um diese Gottesdienste herum hat sich laut Huber eine eigene Gemeinde gebildet, die den provisorischen Umzug in die Pfarrkirche von Sankt Emmeram nicht mitgemacht hat. 

Weil diese Kirche einfach "zu kalt" sei, vermutet die 57-Jährige. Und sie meint damit weniger die Raumtemperatur als die nüchtern wirkende Innenausstattung und Architektur aus dem 20. Jahrhundert.

In Sankt Nikolaus sei die Atmosphäre dagegen geradezu intim, schwärmt Huber. Hier sollen auch künftig Kinder getauft und Ehen geschlossen werden. Darüber hinaus stoße das Gotteshaus bei vielen auf Interesse, "die mit unserer Pfarrei nichts zu tun haben", sagt sie. Auch weil es sich um den historischen Ortskern des einstigen Dorfes Englschalking handle.

Um die Dachziegel auszutauschen, wird Sankt Nikolaus in Kürze vollständig eingerüstet. Bis die Kirche wieder weithin sichtbar ihr Lächeln zeigt, ist noch etwas Geduld vonnöten. Im September aber soll es dann so weit sein.

Erzbistum München und Freising

Das Erzbistum München und Freising ist mit rund 1,61 Millionen Katholiken (Stand: Mai 2021) das größte unter den sieben bayerischen Bistümern und eine der bedeutendsten Diözesen in Deutschland. Sie erstreckt sich über eine Fläche von 12.000 Quadratkilometern vorwiegend auf Oberbayern und ging hervor aus dem Hochstift Freising, das der heilige Bonifatius 739 errichtete. Nach der Säkularisation 1821 wurde der Bischofssitz nach Münchenverlegt und die Erhebung zum Erzbistum verfügt.

 © ilolab (shutterstock)
Quelle:
KNA