"Mich wundern die Maßstäbe", so der CDU-Politiker zur "Bild"-Zeitung. "Wenn es um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen werben wollen, kompromisslos. Aber in dieser Debatte wird manchmal gar nicht mehr berücksichtigt, dass es um ungeborenes menschliches Leben geht", so Jens Spahn.
Kompromiss wurde bereits vor Jahren gefunden
Vor vielen Jahren sei "ein mühsamer gesellschaftlicher Kompromiss“ beim Thema Abtreibungen gefunden worden, sagte Spahn. "Ich warne davor, diesen jetzt leichtfertig zu gefährden." Schwangerschaftsabbrüche seien "keine ärztliche Leistung wie jede andere – und selbst für die gelten bei der Werbung strenge Regeln", hob der neue Gesundheitsminister hervor.
Die SPD hatte unterdessen verzichtet, einen Gesetzesentwurf zur Streichung des Werbeverbots zur Abstimmung im Bundestag zu stellen. Die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte sich in der "Bild am Sonntag" zu einem Kompromiss bereit: "Sollte es bei der derzeitigen Rechtslage Informationslücken geben, werden wir sicher eine Lösung finden, dass Frauen einen noch besseren Zugang zu allen nötigen Informationen bekommen", sagte sie der Zeitung. Eine "Aufweichung des Werbeverbots" für Schwangerschaftsabbrüche stehe für die Union aber nicht zur Diskussion.
Kritik an Spahn
Der Vize-FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae erklärte, dass der Vergleich zwischen Schwangerschaftsabbruch und Tierschutz "völlig an der Sache" vorbeigehe. "Es geht nicht darum, den Schutz werdenden Lebens aufzuweichen. Vielmehr geht es um die Frage, wo und wie sich Frauen über einen Schwangerschaftsabbruch informieren können."
Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Katja Mast, warf Spahn "durchsichtige Effekthascherei" vor. "Wieso es im Gesundheitswesen nicht möglich sein soll, durch Ärzte neutral zu informieren, versteht niemand." Spahn solle den Gesetzentwurf der Bundesregierung abwarten. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte in der "Welt" (Montag) Spahns Tonfall. "Der Minister sollte sich vielmehr hinter die Frauen, die sich diese Entscheidung nie leichtmachen, und die Ärzte stellen."
Kardinal Marx: Werbung kommt nicht in Frage
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Münchener Kardinal Reinhard Marx, betonte unterdessen den kirchlichen Widerstand gegen eine Abschaffung des Werbeverbots. "Abtreibung ist rechtswidrig, Werbung kann nicht infrage kommen", sagte Marx laut einer Mitteilung seines Bistums bei einer Diözesanratsversammlung. Er sei sich mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, einig, dass diese Rechtslage nicht verändert werden dürfe.
Anlass für die Debatte ist der Fall der Ärztin Kristina Hänel. Das Amtsgericht Gießen hatte sie Ende vergangenen Jahres wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe verurteilt. Es berief sich dabei auf den Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch. Dieser untersagt "das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen" von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil heraus oder wenn dies in "grob anstößiger Weise" geschieht.