Bundesweiter Tag der Organspende wird in Kiel eröffnet

Ein Hoffnungsschimmer

An diesem Samstag ist der "Tag der Organspende". 2019 ist ein besonderes Jahr für die Organspende in Deutschland. Zwei Gesetzesvorhaben könnten die Transplantationsmedizin auf neue Beine stellen. Und ein Minister hat seine Meinung geändert.

Autor/in:
Christoph Arens
Die Rückseite eines ausgefüllten Organspendeausweises / © Marie Reichenbach (dpa)
Die Rückseite eines ausgefüllten Organspendeausweises / © Marie Reichenbach ( dpa )

Wenn es um das Thema Organspende geht, tut sich auch ein Jens Spahn schwer: Einst hat der CDU-Gesundheitspolitiker dafür gekämpft, dass jeder Bürger einer möglichen Spende ausdrücklich zustimmen müsse und es keine Entscheidungspflicht gebe. Sieben Jahre später hat er als Bundesgesundheitsminister seine Position geändert: "Ich musste einfach erkennen, dass das, was ich damals als die Lösung verkauft habe, nicht funktioniert hat", begründete er. Und deshalb ist Spahn jetzt vehementer Befürworter einer sogenannten Widerspruchslösung, die jeden Bürger zum potenziellen Organspender macht – außer, er hat ausdrücklich widersprochen.

Gibt es eine moralische Pflicht zur Organspende? Und wie weit darf der Staat die Bürger drängen, sich mit diesem Thema zu befassen oder sich zu entscheiden? Diese Fragen werden auch den bundesweiten Tag der Organspende prägen, der am Samstag mit einer zentralen Veranstaltung in Kiel eröffnet wird.

Verbesserung der Strukturen

2019 ist ein besonderes Jahr für die Organtransplantation in Deutschland. Anfang April ist das neue Gesetz zur Verbesserung der Strukturen in der Transplantationsmedizin in Kraft getreten. Krankenhäuser sollen etwa mehr Geld für Organtransplantationen erhalten. Die Position der derzeit rund 1.600 Transplantationsbeauftragten wird gestärkt. Erstmals ist die Angehörigenbetreuung im Gesetz verankert.

Der Bundestag reagierte damit auf die Erkenntnis von Wissenschaftlern, dass die Strukturen in den Krankenhäusern für die sinkende Zahl der Organspenden verantwortlich sind. So führe der hohe wirtschaftliche und personelle Druck dazu, dass die Kliniken das Thema vernachlässigten. Auch Spahn betonte, die Kliniken seien der entscheidende Flaschenhals. "Das Hauptproblem bei der Organspende ist nicht die Spendebereitschaft. Die hat in den vergangenen Jahren sogar zugenommen."

Stark zurückgehende Zahl

Die Hoffnungen auf die Neuregelung sind groß. Immerhin hatten ähnliche Strukturverbesserungen etwa in Spanien zu einem starken Anstieg der Spenderzahlen geführt. Um so verwunderlicher, dass Spahn und der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach noch ein zweites Konfliktfeld eröffneten: nämlich die Einführung der Widerspruchslösung.

Spahn räumt ein, eine Widerspruchslösung sei ein Eingriff des Staates "in die Freiheit des Einzelnen". Doch seien alle bisherigen Versuche, die stark zurückgehende Zahl der Organspender wieder zu erhöhen, ohne Erfolg geblieben. Lauterbach sprach sogar von einer "Schande", dass zurzeit so viele Menschen "unnötig leiden, weil keine Organe für sie vorhanden sind". Fast jeder Mensch sei im Krankheitsfall auch ein potenzieller Empfänger von Organen. Da sei es richtig, dass auch jeder ein möglicher Spender sei.

Übergriffigkeit des Staates

Unterstützt wird diese Position auch von der Bundesärztekammer und zahlreichen medizinischen Fachgesellschaften. Vielen Bundestagsabgeordneten allerdings geht diese Widerspruchslösung zu weit. Sie sehen darin eine Übergriffigkeit des Staates. Eine Gruppe von Abgeordneten von Union, SPD, Grünen, Linkspartei und FDP hat deshalb eine Alternative vorgelegt, die an der bislang geforderten ausdrücklichen Zustimmung festhält, aber mehr Verbindlichkeit bei der Entscheidung will. Dafür soll das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information ein Online-Spendenregister einrichten.

Fest steht: Erstmals seit 2010 ist die Zahl der Organspenden in Deutschland im Jahr 2018 wieder merklich angestiegen. 955 Menschen spendeten nach ihrem Tod ihre Organe, 155 Personen oder 20 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Höher lag die Anzahl letztmals 2012 mit 1.046 Spendern. Danach waren die Organspende-Zahlen bis 2017 auf den Tiefpunkt von 797 Spendern gesunken.

3.113 Organe konnten somit 2018 durch die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant an Patienten der acht dem Verbund angehörenden europäischen Staaten vermittelt werden. Das sind 519 Organe mehr als 2017. In Deutschland selber konnten – dank "importierter" Lebern, Nieren, Herzen und Lungen aus dem Eurotransplant-Raum – sogar 3.264 Organe verpflanzt werden. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation spricht deshalb von einem "Hoffnungsschimmer".


Quelle:
KNA
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