Burger stellt Konsequenzen aus Missbrauchsbericht vor

"Macht darf nicht in den Händen einiger weniger liegen"

Der Bericht zu Missbrauch im Erzbistum Freiburg hat Strukturen jahrelangen Vertuschens offengelegt. Im Interview erklärt Erzbischof Stephan Burger, welche Schlüsse die Kirche ziehen sollte und wie er auf seinen Amtsvorgänger blickt.

Stephan Burger (r.), Erzbischof von Freiburg, spricht während der Pressekonferenz der GE-Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Erzdiözese Freiburg / © Andree Kaiser (KNA)
Stephan Burger (r.), Erzbischof von Freiburg, spricht während der Pressekonferenz der GE-Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Erzdiözese Freiburg / © Andree Kaiser ( KNA )

KNA: Was ist für Sie das wichtigste Ergebnis des Berichts zu sexualisierter Gewalt durch Priester im Erzbistum Freiburg?

Stephan Burger, Erzbischof von Freiburg, spricht während der Pressekonferenz der "GE-Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Erzdiözese Freiburg" am 18. April 2023 in Freiburg. / © Andree Kaiser (KNA)
Stephan Burger, Erzbischof von Freiburg, spricht während der Pressekonferenz der "GE-Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Erzdiözese Freiburg" am 18. April 2023 in Freiburg. / © Andree Kaiser ( KNA )

Erzbischof Stephan Burger (Erzbischof von Freiburg): Dass der Bericht schonungslos aufdeckt, welche fatalen Folgen es hat, wenn Macht und Entscheidungsgewalt in den Händen weniger liegt - einer kleinen, verschworenen Gruppe. Das darf nicht sein - gerade dann nicht, wenn es wie bei Missbrauch und sexualisierte Gewalt um das Schicksal von Menschen geht.

KNA: Was folgt aus der Studie?

Burger: Wir werden alle im Bericht erarbeiteten Verbesserungsvorschläge gewissenhaft prüfen. Zum Beispiel darf es nicht sein, dass Täter unter dem Radar abtauchen und verhängte Auflagen nicht mehr erfüllen. Wir werden auch prüfen, ob es vielleicht noch zusätzliches Personal und zusätzliche Expertise in dem Bereich braucht.

KNA: Wie bewerten Sie die Ausführungen zu Ihrem Amtsvorgänger Robert Zollitsch?

Burger: Dass er so gehandelt hat und über Jahre Kirchenrecht missachtet hat, kann ich nicht verstehen. Zumal er als Bischofskonferenz-Vorsitzender bei anderen stets angemahnt hat, die Richtlinien und Gesetze einzuhalten.

KNA: Wie konnte er das Leid der Opfer ignorieren?

Burger: Wenn ich um das Leid der Opfer weiß und es wirklich an mich heranlasse, kann ich die Augen eigentlich nicht verschließen.

Erzbischof Stephan Burger (Erzbischof von Freiburg)

"Wie gelingt es, dass wir uns als Kirche wirklich kontrollieren lassen?"

KNA: Sie tragen jetzt auch bundesweit bei der Missbrauchs-Aufarbeitung in der katholischen Kirche Verantwortung. Was sind dort die nächsten Herausforderungen?

Burger: Im Grunde geht es immer um die Frage von Machtkontrolle. Wie gelingt es, dass wir uns als Kirche wirklich kontrollieren lassen. Wie geschieht transparente Aufarbeitung. Ein weiterer Baustein dazu ist der geplante neue Expertenrat. In diesem neuen Gremium sollen ab 2024 Fachleute von außen einen kritischen und unverbrauchten Blick auf unsere Abläufe bei Vorbeugung und Aufarbeitung werfen. Es wird auch darum gehen, immer wieder neu auf Verbesserungsvorschläge der Betroffenenvertreter einzugehen.

KNA: Kirche verwendet viel Energie und Geld für Aufarbeitung - wie sehen Sie dies in anderen Gesellschaftsbereichen - etwa im Sport?

Burger: Es gibt überall viel Arbeit. Eine Gesellschaft muss allen Betroffenen gleichermaßen gerecht werden, egal wo sie sexualisierte Gewalt erfahren haben: in Vereinen, im Kulturbereich, im Bildungswesen, in Schulen, im Sport oder in Familien. Vielleicht können wir als katholische Kirche sogar unser in den vergangenen Jahren erworbenes Fachwissen einbringen, wenn das gewünscht ist.

Das Interview führte Volker Hasenauer.

Missbrauchsstudie im Erzbistum Freiburg

Die Untersuchung zu sexualisierter Gewalt und Verschleierung von Missbrauchstaten im Erzbistum Freiburg sieht bei den früheren Erzbischöfen Robert Zollitsch und Oskar Saier schweres Fehlverhalten und gravierende Rechtsverstöße im Umgang mit Straftaten durch Priester. Der Schutz der Institution Kirche und der Täter habe über allem gestanden, sagte Studienautor Eugen Endress bei der Vorstellung des 600-Seiten-Berichts. Für Betroffene und Angehörige habe es keine Hilfen gegeben: "Sie wurden allein gelassen."

Vorstellung der GE-Kommission zu sexuellem Missbrauch in Freiburg / © Andree Kaiser (KNA)
Vorstellung der GE-Kommission zu sexuellem Missbrauch in Freiburg / © Andree Kaiser ( KNA )
Quelle:
KNA