DOMRADIO.DE: Wie erleben Sie die aktuelle Situation im Land?
Johanna Zöllner (Venezuela-Referentin von Caritas International): Es ist sehr besorgniserregend, was aktuell geschieht vor Ort. Die Proteste werden mit Gewalt von der Regierung von Maduro in Caracas beantwortet. Unsere Partner sind im Moment sehr aktiv und organisieren sich vor allem untereinander. Aber die Menschen sind nach der anfänglichen Euphorie am Tag der Wahlen, als sie alle sehr zahlreich zu den Wahlurnen erschienen sind, jetzt natürlich sehr frustriert über den Umgang der Regierung damit. Und das artet jetzt leider in Gewalt aus.
DOMRADIO.DE: In welchen Bereichen ist Caritas International in Venezuela tätig?
Zöllner: Wir arbeiten mit den Flüchtlingen, die sich auf den Weg begeben, beziehungsweise mit zwei Partnern vor Ort: die Caritas Venezuela und der Jesuiten Flüchtlingsdienst, also beides kirchliche Organisationen.
Wir begleiten diese Menschen auf ihrem Fluchtweg und koordinieren uns mit anderen Partnern vor Ort und in der ganzen Region. Wir haben viele Projekte, die regional passieren, auch in Nachbarländern von Venezuela, sodass wir den Flüchtlingen und Migrantinnen da wirklich helfen können.
DOMRADIO.DE: Welche Auswirkungen haben die Wahlen und jetzt eben auch die Proteste und die Gewalt auf Ihre Arbeit dort?
Zöllner: Wir haben von den Teams gehört, dass es vor Ort schwierig ist. Vor allem in den Städten ist diese ausartende Gewalt jetzt aktuell bedrohlich. Die beiden Partner sitzen auch in Caracas, aber haben natürlich auch Teams lokal in anderen Orten. Venezuela ist ein sehr großes Land, daher kann man in manchen Ecken noch gut arbeiten, an anderen sollte man aktuell wirklich zu Hause bleiben.
Das heißt, wir wollen die Teams auch nicht gefährden und sprechen uns mit denen soweit ab, dass da nichts passiert. Wir sind jetzt auf andere Kommunikationskanäle umgeschwenkt, weil die Informationen leider überwacht werden.
DOMRADIO.DE: Was bedeutet die angespannte Situation in Venezuela für die Christen dort im Land?
Zöllner: Die Partner haben uns berichtet von einer Art Euphorie an den Wahlurnen am 28. Juli. Diese Euphorie ist jetzt in Protest und auch in Frust gekippt. Venezuela ist ja ein hauptsächlich christliches Land. Aber wir arbeiten unter anderem auch mit indigenen Völkern zusammen und es ist gut, dass es dieses Miteinander von der Kirche gibt, dass die Kirche auch Räume schafft.
Die venezolanische Bischofskonferenz hat auch Statements abgegeben, sie hat die Menschen ermutigt, nicht aufzugeben, weiter Hoffnung zu bewahren, friedlich zu protestieren und auch aufzupassen.
Weil es geht natürlich auch für viele um ihr Leben, wenn sie dann gegen die Regierung protestieren. Aber es gibt auch noch Hoffnung, das würde ich schon behaupten.
DOMRADIO.DE: Trotzdem fragen wir uns natürlich: Wie wird es weitergehen im Land? Viele Beobachter befürchten noch eine heftigere Eskalation der Gewalt. Was glauben Sie, wie es in Venezuela weitergeht in den kommenden Wochen und Monaten?
Zöllner: Das hängt natürlich auch - und ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, weil wir müssen ja auch dorthin reisen - mit der ganzen internationalen Gemeinde zusammen, wie viel Druck auf Venezuela aufgebaut werden kann.
Generell ist ja die Aufmerksamkeit für die ganze Region, aber auch für Venezuela sehr zurückgegangen, weil es in der Welt viele andere Krisen gibt. Aber auf geopolitischer und auf diplomatischer Ebene haben die Nachbarländer, aber auch viele EU-Staaten so wie die Amerikaner jetzt Druck auf die Regierung ausgeübt. Und die hängt natürlich sehr von dem Embargo ab, also von den Restriktionen, die es auf ökonomischer Ebene gibt.
Das Interview führte Carsten Döpp.