"Jetzt geht es darum abzuwägen: Was können wir noch akzeptieren an Kompromissen, um die Menschen nicht im Stich zu lassen, und wo können wir nicht weiterarbeiten?", so Müller gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) nach einer Afghanistan-Reise.
Nicht eingehaltene Kleidervorschriften
"Die humanitäre Hilfe steht als solches nicht in Frage, wir werden im Großen und Ganzen nicht behindert", sagte Müller. Aber das Verbot sei eine massive Einschränkung und die Lage der Frauen extrem schlecht.
Die in Afghanistan herrschenden Taliban hatten ihr Beschäftigungsverbot für Frauen in der humanitären Hilfe im Dezember unter anderem mit nicht eingehaltenen Kleidervorschriften begründet. Ausgenommen sind die Bereiche Grundschulbildung und Gesundheit.
"Das Verbot wird unterschiedlich interpretiert", erläuterte Müller. So gehe es auch darum zu definieren, welche Projekte zu Gesundheit zählten. Das geschehe auch in Absprache mit den lokalen Behörden. "Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit ist klar, da kann man die Grenze so oder so ziehen."
Wenige Ausnhahmen möglich
Die Zentralregierung könne sich nicht überall mit ihren strikten Anweisungen durchsetzen. In etwa einem Drittel der Provinzen gebe es Möglichkeiten, Frauen unter bestimmten Voraussetzungen einzubeziehen, teilweise auch auf Druck der Bedürftigen. Die Zusagen der lokalen Behörden erfolgten allerdings immer mündlich und könnten jederzeit zurückgenommen werden.
Voraussetzungen für Ausnahmen sind Müller zufolge oftmals Kleidervorschriften, getrennter Transport und Arbeitsort sowie eine männliche Begleitperson, der Mahram. Diese bräuchten allerdings ebenfalls Unterbringung und Verpflegung. Müller ist deshalb froh über die Zusage des Bundesentwicklungsministeriums, dass diese zusätzlichen Kosten abgerechnet werden können.
Kleine Freiräume nutzen
Müller befürchtet, dass Frauen in der humanitären Hilfe immer weniger berücksichtigt werden. Zwar empörten sich die Männer über das Dekret. "Aber der Wille, alles, was geht, mit den Frauen umzusetzen, ist nicht immer gleich groß." Deshalb fordere Caritas von den Partnerorganisationen eine Verpflichtung, das maximal Mögliche umzusetzen.
Aber nach 40 Jahren Caritas-Engagement in Afghanistan und einer beispiellosen humanitären Krise, in der etwa zwei Drittel der Bevölkerung Unterstützung brauche zum Überleben, wolle sich die Organisation nicht zurückziehen. "Es gibt Freiräume, die wir nutzen können und müssen, es ist nicht viel, aber es gibt sie."