KNA: Landesbischof Kopp, was verbinden Sie mit der neuen Aufgabe als Catholica-Beauftragter von der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)?
Landesbischof Christian Kopp (Bayerischer Landesbischof, Catholica-Beauftragter für VELKD und EKD): Bei uns in der Evangelischen Kirche in Deutschland und auch in der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland gibt es verschiedene Beauftragungen.
Eine wichtige Aufgabe, der wir uns stellen, ist der dauernde Dialog und das intensive Reden mit der katholischen Schwesterkirche. Und dafür haben wir diese Beauftragung. Für mich persönlich ist das etwas, was ich mein ganzes Leben über schon intensiv mache. Das mache ich auch gerne im Auftrag der EKD.
KNA: Wo sehen Sie die großen Aufgaben im Dialog mit der katholischen Kirche?
Kopp: Die ganz großen Aufgaben ergeben sich durch unsere gesellschaftliche Situation. Es ist dem normalen Menschen kaum noch zu erklären, wo eigentlich der Unterschied ist zwischen der evangelischen Kirche und der römisch-katholischen Kirche. Und dementsprechend haben wir eine Transferaufgabe.
Was sind unsere christlichen Positionen in einer Gesellschaft, die im Moment sehr mit großen Herausforderungen ringt? Da die christliche Stimme auch als eine Stimme der Zuversicht und der Hoffnung einzubringen – das ist mir wichtig.
KNA: Was sind konkret die Themen, die Sie jetzt angehen?
Kopp: Die konkreten Themen, die ergeben sich eigentlich aus dem Alltag, den wir haben. Wir haben jetzt zum Beispiel das Thema Demokratie und Menschenwürde. Das spielen wir als römisch-katholische und evangelische Kirche in Deutschland sehr intensiv, weil wir da große Sorgen haben. Da werden wir auch in Zukunft eng beieinanderbleiben, wie wir es in der Vergangenheit waren. Dann sind das auch die großen Themen, die die Ökumene bewegen.
Gerade war die große Weltsynode. Das ist eine Arbeitsform, die wir in der evangelischen Kirche seit vielen Jahrzehnten kennen. Darüber tauschen wir uns aus. Aber es geht natürlich auch um das ganz große Thema des Verhältnisses zwischen unseren Kirchen. Unterschiede gibt es auch beim Status der Kirchen und beim Amtsverständnis. Darüber sind wir seit vielen Jahren im Gespräch. Da bleiben wir dran.
KNA: Wenn Sie das Thema Synode nehmen: Worin unterscheidet sich eine evangelische Synode von dem, was wir in Rom erlebt haben?
Kopp: Der Unterschied? Das eine ist eine Weltkirche, und das andere ist eine Landessynode oder auch eine Synode eines Zusammenschlusses von Landeskirchen. Die Weltsynode ist eine völlig andere Größenordnung.
Bei uns heißt das synodale Prinzip, dass aus den Kirchengemeinden und aus den Diensten Menschen gewählt werden, die für diese Kirchengemeinden und Dienste die Gesamtverantwortung wahrnehmen und auch wesentliche Entscheidungen treffen: Sie beschließen den Haushalt, wählen den Bischof und erlassen Kirchengesetze und Verordnungen. Das ist in der katholischen Kirche anders.
KNA: Würden Sie das, was Sie in Rom erlebt haben, nach evangelischem Maßstab als Synode bezeichnen?
Kopp: Das ist eine andere Form von Synode. Aber es ist auch eine weltweite Synode, die wir gar nicht zusammenbringen würden.
Deshalb bin ich im Nachhinein voller Bewunderung für das, was die katholischen Geschwister da auf die Beine gestellt haben: Dass sie so intensiv aus allen Erdteilen Menschen nach Rom gebracht haben und über wesentliche Fragen des Christseins, des Katholischseins miteinander beraten durften.
KNA: Auf evangelischer Seite vergleichbar ist die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes?
Kopp: Der Lutherische Weltbund ist die Vertretung aller lutherischen Kirchen in der Welt. Aber das ist von der Größenordnung eine komplett andere Nummer als die Weltsynode. Im Lutherischen Weltbund geht es uns darum, dass wir uns als Lutheranerinnen und Lutheraner gut miteinander abstimmen. Die Praxis vor Ort ist dann oft noch so eine ganz eigene Weise, und das ist schon ein großer Unterschied.
Denn der Lutherische Weltbund hat zum Beispiel keinen Sprecher wie die römisch-katholische Kirche mit dem Bischof von Rom. Sein Präsident ist der gewählte Bischof einer lutherischen Kirche, im Moment aus Dänemark, der aber nur sehr bedingt für alle lutherischen Kirchen sprechen kann. Das ist schon eine ganz andere Stellung als dieses Primat des Papstes, das es in der katholischen Kirche gibt.
KNA: Wünschen Sie sich so etwas auch für das Luthertum?
Kopp: Ich finde unsere sehr regional organisierte Art Kirche zu sein und trotzdem weltweit in Verbindung zu bleiben ein sehr wirksames und bewährtes Modell.
KNA: Wenn Sie jetzt als Beauftragter der EKD und der VELKD an den Start gehen, verlässt man ja das Prinzip, dass es für die beiden unterschiedlichen Kirchen auch unterschiedliche Beauftragte gibt. Wie lösen Sie das künftig, wenn es um Themen wie das Abendmahl oder das Amtsverständnis geht, bei denen es zwischen reformierter Tradition und lutherischer Tradition durchaus Unterschiede gibt?
Kopp: Ich bin in meinem ganzen Berufsleben als Pfarrer von der Haltung: "Lasst uns reden!" geprägt. Denn miteinander zu reden, das brauchen wir auf allen Ebenen. Das brauchen wir auch zwischen Reformierten und Lutheranern. Wir haben jetzt beide Ämter zusammengeführt, weil es sonst etwa immer zwei getrennte Berichte vor der EKD-Synode gegeben hat.
Da wollten wir Synergien nutzen. Die Idee dahinter war, dass wir versuchen wollten, auch beim Gespräch mit den katholischen Geschwistern stärker miteinander zu gehen. Da müssen wir jetzt noch ausprobieren, wie weit das geht. Aber ich freue mich auf diese Gespräche.
KNA: Der Reformierte Weltbund hat einen ganz anderen Verhandlungsstand mit der katholischen Kirche als der Lutherische Weltbund ...
Kopp: Ganz genau so ist es. Deshalb: Lasst uns reden! Ich glaube, insgesamt sehen wir, dass wir mit einer ganz großen Offenheit in die Zukunft gehen. Es gab mal in der Ökumene das große Wort von der versöhnten Verschiedenheit. Das ist fast ein bisschen zu schön gesagt: Wir sind verschieden und trotzdem sind wir alle miteinander im Namen Jesu Christi unterwegs. Und das ist die Linie, die mir wichtig ist.
KNA: Wo denken Sie, geht es hin? Was werden die Sachen sein, die wir im evangelisch- katholischen Dialog noch erleben werden?
Kopp: Wunder gibt es immer wieder. Ich erlebe es in meiner ganzen Berufstätigkeit und ganz speziell auch in diesem letzten Jahr als Landesbischof, meinem ersten Jahr, dass es ganz, ganz hohe Gesprächsbereitschaft gibt und eine ganz große Verständigungsbereitschaft. Und ich glaube, dass wir eine gut etablierte Ökumene in Deutschland zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche haben. Und an diesen Bausteinen, die wir uns in den letzten Jahren erarbeitet haben, arbeiten wir weiter.
Wir haben im Jahr 2030 das Jubiläum der Confessio Augustana vor der Tür. Ich könnte mir gut vorstellen, dass von diesem Tag und von diesen Feiern auch ein ganz starkes Zeichen für das Miteinander der Konfessionen in Deutschland, aber vielleicht auch in Europa und der Welt ausgehen kann.
KNA: Es gab mal Pläne, dass die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes möglicherweise 2030 nach Augsburg kommt. Ist das konkreter geworden?
Kopp: Das entscheiden final die Gremien des Lutherischen Weltbundes.
Ich kann nur als bayerischer Landesbischof sagen: Wir würden uns von Herzen freuen. Und wenn ich die Signale richtig deute, steht die Entscheidung zwar noch nicht fest, aber es gibt auch im Lutherischen Weltbund ein großes Interesse daran.
KNA: Wenn Sie sich die Situation hier in Deutschland noch mal ansehen. Es gab vor einigen Jahren das Papier zu den konfessionsverschiedenen Ehen. Wie ist Ihr Eindruck? Ist das in der katholischen Kirche überall umgesetzt?
Kopp: Da bin ich kein Experte. Ich erlebe in der Praxis vor Ort eine große Offenheit. Und das ist ja auch das, was für die Menschen in Deutschland, die in konfessionsverschiedenen Ehen leben, wesentlich ist. Was passiert vor Ort? Und da passiert sehr viel miteinander.
KNA: Wie nehmen Sie die katholische Kirche in Deutschland im Moment wahr?
Kopp: Ich finde schon, dass die katholische Kirche in Deutschland im Moment große Aufgaben hat. Da gibt es sehr drängende Personen, die auf Reformen aus sind.
Und gleichzeitig ist es halt nicht allein die katholische Kirche in Deutschland, sondern es ist die katholische Kirche in Deutschland in der Weltkirche. Und das ist für die verantwortlichen Personen immer ein Riesenspagat.
Das Interview führte Benjamin Lassiwe.