DOMRADIO.DE: Worum geht es bei der Synode?
Benjamin Lassiwe (Evangelischer Journalist und Kenner der Evangelischen Kirche in Deutschland): Die Synode der Evangelischen Kirche hat in diesem Jahr drei wesentliche Themen. Da ist erstens das Schwerpunktthema Migration, Flucht und Menschenrechte, über das die Synodalen in Würzburg beraten wollen.
Zweitens stehen Personalentscheidungen auf der Tagesordnung, nämlich die Wahl zum Rat und die Wahl der Ratsvorsitzenden, denn die bisherige Ratsvorsitzende Annette Kurschus musste im letzten Herbst gehen. Der Posten muss nun nachbesetzt werden. Drittens steht das Dauerthema sexueller Missbrauch in der Kirche und dessen Aufarbeitung im Fokus.
DOMRADIO.DE: Welche Kandidaten stehen denn zur Wahl und um welche Ämter geht es?
Lassiwe: Zunächst einmal geht es um insgesamt drei Mandate im Rat der EKD. Das ist das Mandat, auf dem Annette Kurschus saß, das Mandat des rheinischen Juristen Jacob Joussen, der im Frühjahr aus dem Rat zurückgetreten war, und das Mandat von Volker Jung, dem bisherigen Kirchenpräsidenten von Hessen und Nassau, der die Altersgrenze erreicht hat.
Für diese drei Mandate stehen vier Personen zur Wahl. Das sind zwei bischöfliche Personen: die Kirchenpräsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche, Susanne Bei der Wieden, und der Berliner Landesbischof Christian Stäblein. Zudem zwei Nicht-Bischöfe: die evangelische Ordensschwester Nicole Grochowina und die Pfarrerin Andrea Wagner-Pinggéra.
Diese vier Personen bewerben sich um die drei Mandate. Das heißt, es können nicht alle vier gewählt werden. Es findet eine wirkliche Wahl statt.
DOMRADIO.DE: Wer wird der oder die nächste Ratsvorsitzende?
Lassiwe: Für den Posten gibt es eine klare Beschreibung, wer es werden kann. Die erste Bedingung ist, dass die Person Mitglied im Rat sein muss. Seit Gründung der EKD hat es sich in den vergangenen Jahren ergeben, dass es zufällig eine Bischöfin oder ein Bischof einer evangelischen Landeskirche war.
Das schränkt den Kreis formal auf vier Personen ein. Tatsächlich würde man sagen, dass die Wahrscheinlichkeit bei 99,9 % liegt, dass am Ende der Synode die amtierende Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs, die Bischöfin aus Hamburg, in ihrem Amt bestätigt wird.
DOMRADIO.DE: Die Synode hat das Schwerpunktthema Flüchtlingspolitik. Was ist da zu erwarten?
Lassiwe: Da geht es, wie die Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich am Montag in Berlin sagte, um eine Sammlung und eine Vergewisserung. Die EKD beobachtet, dass das Thema immer heftiger in der Öffentlichkeit diskutiert wird, und fühlt sich herausgefordert, ihre Beweggründe, Motivation und Hintergrund in der Flüchtlingsarbeit stärker zu benennen.
Anna-Nicole Heinrich sagte: "Was immer uns getragen hat, war im anderen immer Jesus zu sehen." Das heißt, die Kirche legt Wert auf eine menschenfreundliche Flüchtlingspolitik. Anna-Nicole Heinrich nannte es eine Position der Menschlichkeit und sie sagte, dass das für die EKD nicht verhandelbar ist.
Allerdings sind die 128 Synodalen, die in Würzburg zusammenkommen, Teil der Gesellschaft.
Da kann man gespannt sein, wie das diskutiert wird und ob da Stimmen in die Synode kommen, die sagen, die Kirche muss ein bisschen strenger mit sich selber werden oder nicht jede Abschiebung in ein Dublin-Land mit einem Kirchenasyl verbinden.
DOMRADIO.DE: Wie geht es in der EKD mit der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs weiter?
Lassiwe: Das ist ein Dauerthema. Die EKD hat vor, ein neues Disziplinargesetz auf der Synode zu verabschieden. Es gibt Vorschläge für eine neue Entschädigung der Missbrauchsbetroffenen. Da sollen neue Regeln gefunden werden. Insofern würde ich sagen: Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.
Man kommt voran. Man macht die Regeln besser. Man hört auf die Vorschläge aus dem Beteiligungsforum und von den dort mitarbeitenden Betroffenen. Was ganz wichtig für die Kirche ist. Aber bei der Missbrauchsaufarbeitung ist es in beiden Kirchen so, dass man nie sagen kann, dass es geschafft ist. Es wird immer weitergehen und man wird immer Verbesserungen und Veränderungen brauchen.
DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt denn die katholische Kirche bei der EKD-Synode?
Lassiwe: Da gibt es einen gemeinsamen Tagesordnungspunkt der EKD-Synode und der Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, der jedes Jahr auf der Tagesordnung der Synode steht.
Das ist der Bericht des sogenannten Catholica-Beauftragten. Das ist ein evangelischer Bischof, der von seinen Mitschwestern und Mitbrüdern den Auftrag bekommen hat, als Beobachter die katholische Kirche zu verfolgen und einmal im Jahr einen Bericht über Entwicklungen dort zu erstatten.
Da geht es darum, wie sich die Ökumene verändert hat, welche Fortschritte denkbar sind und was katholischerseits passiert ist – immer durch die Brille eines evangelischen Bischofs gesehen. Das ist in diesem Jahr erstmals ein neuer Beobachter, der bayerische Landesbischof Christian Kopp.
Das Interview führte Tim Helssen.