Auf ihrem ersten Präsenzparteitag nach Beginn der Corona-Pandemie und unter ihrem neuen Vorsitzenden Friedrich Merz zeigte sich die CDU kämpferisch. Zugleich vergewisserte sie sich ihrer Grundüberzeugungen - auch im Streit um die Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frauen in Partei und Gesellschaft.
Dabei gingen sie mit der Verabschiedung einer Grundwertecharta den ersten Schritt auf dem Weg zum neuen Grundsatzprogramm, das auf einem eigenen Parteitag 2024 verabschiedet werden soll. Der Tagungsort Hannover sollte dem Spitzenkandidaten für die Landtagswahlen in Niedersachsen, Bernd Althusmann, den Rücken stärken.
Merz bekennt sich zum "C"
Gleich zum Auftakt des zweitägigen Treffens bekannte sich Merz nachdrücklich zum "C". Über die Beibehaltung hatte es im Frühjahr Debatten gegeben. Unter seinem Vorsitz werde es keine Änderung am Parteinamen geben, versicherte er. Das spiegelt sich auch in der Grundwertecharta wieder. Die zuständige Kommission habe das "C" ernst genommen und neu ausbuchstabiert, betonte der Mainzer Historiker und Vorsitzende des Gremiums, Andreas Rödder. Dabei habe man entdeckt, "welche Substanz das C hat und welche Unterscheidungskraft dem innewohnt".
Rödder betonte, dass die Charta am Dreiklang von "christlich, sozial und konservativ" festhalte. Entsprechend sei die Charta geprägt von den Kerngedanken der katholischen Soziallehre von Personalität, Subsidiarität und Solidarität sowie von der "anti-ideologischen Feststellung, dass Politik immer nur vorletzte Antworten gebe".
Christdemokratische Politik denke von der Person her und nicht von Gruppenzugehörigkeiten, unterstrich Rödder. Das unterschiede sie "von einer identitären Politik von Rechts wie von linker Identitätspolitik".
Laut Charta sieht sich die CDU zugleich "den Traditionen der Aufklärung verpflichtet und steht allen Menschen offen, die - unabhängig von der eigenen religiösen Überzeugung - ihre Grundwerte teilen". Neu hinzugekommen ist der Zusatz "- und im besten Sinne bürgerlich". Die Aufnahme dieses Begriffs war im Vorfeld umstritten.
Kritiker befürchteten eine Relativierung der christlichen Ausrichtung. Rödder verteidigte ihn hingegen als "Ergänzung". Ein Antrag, "bürgerlich" durch "christdemokratisch" zu ersetzen, fand keine Mehrheit.
Gleichstellung von Mann und Frau
Wesentlich umstrittener war auf dem Parteitag das Bekenntnis der Charta zur "Gleichstellung von Mann und Frau". Die Junge Union, die Mittelstandsvereinigung und mehrere Kreisverbände sahen darin eher einen "linken Kampfbegriff" und verlangten, ihn durch "Chancengleichheit" zu ersetzen.
Am schärfsten äußerte sich die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder. Sie sprach von einer "Verbeugung vor der Identitätspolitik" und warnte vor einer gesellschaftlichen Weichenstellung. Auch der Vorsitzende der Programm- und Grundsatzkommission, Carsten Linnemann, mahnte: "Gleichstellung geht vom Kollektiv aus, nicht vom Einzelnen".
CDU-Vize Karin Prien verwies hingegen darauf, dass der Begriff bereits im Grundsatzprogramm von 2007 Position der CDU sei. Der Parteitag entschied sich schließlich für die Beibehaltung des Begriffs mit einer Mehrheit von 434 gegen 356 Stimmen bei 15 Enthaltungen.
Mit gleicher Leidenschaft hatte sich der Parteitag am Freitagabend mit dem Dauerthema Frauenquote befasst und schließlich zu einem Kompromiss durchgerungen. Dabei geht es der CDU vor allem darum, die chronische Unterrepräsentation von Frauen zu überwinden.
Nach 36 Debattenbeiträgen entschieden sich schließlich 559 Delegierte für die Einführung einer abgestuften Frauenquote. Zuvor hatte fast 90 Prozent der Delegierten die 34-jährige CDU-Bundestagsabgeordnete Christina Stumpp zur Stellvertretenden Generalsekretärin gewählt. Merz hatte diese Posten extra für eine bessere Gleichberechtigung geschaffen.
Gesellschaftsjahr für junge Menschen
Abschließend entschied der Parteitag noch über die Einführung eines Gesellschaftsjahrs für junge Menschen. Dabei ging es vor allem um die Frage der Freiwilligkeit. Der CDU-Rechtspolitiker Günter Krings betonte, dass sich Ehrenamt und Pflicht schlecht vertrügen. Weitere Redner mahnten auch unter Verweis auf die Charta, die Freiheit des Einzelnen zu achten.
Befürworter der Pflicht wie Linnemann oder Philipp Amthor verwiesen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Es sei ein Gewinn für den Staat und den Einzelnen. Schließlich entschied sich eine deutliche Mehrheit dafür, dass junge Menschen künftig ein verpflichtendes soziales Jahr ableisten sollen.