DOMRADIO.DE: Sie haben gestern am frühen Abend einen sommerlichen Gottesdienst im Eiscafe Giannone gefeiert. Gestern hat es ja ziemlich geschüttet, auch bei Ihnen in Wuppertal. Wie haben Sie das gelöst?
Werner Kleine (Pastoralreferent der Katholischen Citykirche Wuppertal): Das ist ein sehr gutes Eiscafé, das wir in Wuppertal haben. In meinen Augen das Beste. Ich bin da sehr häufig zu Gast. Und dieses Eiscafé auf der Kaiserstraße hat einen sehr, sehr schönen Garten, in dem wachsen zwei Feigenbäume, die auch Früchte tragen.
Das war für mich die der Grund der Idee für einen sommerlichen Gottesdienst im Paradies. Denn diese beiden Bäume, die in der Mitte des Paradieses stehen, sind aller Wahrscheinlichkeit nach Feigenbäume gewesen. Denn Adam und Eva heften sich ja Feigenblätter um, um ihre Nacktheit zu verbergen.
Jetzt ist der Sommer in Mitteleuropa, gerade in diesen Zeiten natürlich nicht so stabil, wie wir uns das wünschen. Pünktlich eine halbe Stunde vor dem Gottesdienst hat es angefangen zu schütten wie aus Kübeln. Ich hätte, wenn ich das gewusst hätte, das Thema eher auf Arche Noah gelegt. Aber es war sehr voll. Natürlich hat ein Eiscafé nicht nur einen Außenbereich, sondern auch ein Innenbereich. Und da sind wir dann hineingegangen und haben da gestern einen tollen Gottesdienst gefeiert.
DOMRADIO.DE: Wie ist so ein Gottesdienst im Eiscafé, wie unterscheidet er sich von einem Gottesdienst in der Kirche?
Kleine: Der unterscheidet sich gar nicht so groß, weil der Kirchenraum, bei aller Sakralität ja zuvorderst eben auch ein Versammlungsort für das Volk Gottes ist. Und wo sich das Volk Gottes jetzt nun versammelt, ob in einer Kirche, auf einem freien Feld wie bei der Bergrede Jesu von mir aus oder in einem Eiscafé, ist dann ja erst mal eine zweite Sache.
Das heißt, ich feiere dort eine Wortliturgie, wie wir sie als katholische Kirche kennen. Wir haben einen Klarinettisten da gehabt, den Professor Hilger, der lehrt an der Kölner Hochschule Klarinette. Der hat wunderbar musiziert. Und dann trage ich den biblischen Text vor und gebe dazu natürlich eine Erläuterung ab. Wir singen gemeinsam: alles das, was zu einem Gottesdienst dazugehört.
Das Besondere ist vielleicht in so einem Setting, dass man immer damit rechnen muss, dass jetzt nicht so unbedingt so liturgieaffine Menschen kommen, sondern eben auch Fernstehende, die wir dann mitnehmen müssen.
DOMRADIO.DE: Sie haben ja schon gesagt, da sind wirklich richtig viele gekommen. Welche Reaktionen haben Sie mitbekommen?
Kleine: Wenn das erste Lied gesungen wird, dann merke ich ob die Leute mitsingen und wie die Stimmung in diesem Gottesdienst werden wird. Das ist dann ein bisschen wie bei einem Fußballländerspiel. Wenn da die Nationalhymne nicht mitgesungen wird, dann hat man schon ein Gefühl wie das Spiel laufen wird.
Aber gestern hatten wir als erstes Lied "Wir Komm her, freu dich mit uns, tritt ein" und da bebte das Eis und da habe ich gedacht: Das wird jetzt eine tolle Feier werden. Es war schwül, das Wasser lief von der Eisvitrine runter. Weil wir die Tür aufmachen mussten, hatte man den Straßenlärm drin, man hat die Polizei vorbeifahren hören. Das war wirklich ein Gottesdienst mitten in der Stadt. Paradiesisch!
DOMRADIO.DE: Dann haben sie natürlich auch noch das getan, was man in einer Eisdiele eigentlich machen muss: Eis gegessen, oder?
Kleine: Auf jeden Fall. Aber erst nach dem Gottesdienst. Weil da gilt ja die alte Regel: Kann man beim Beten Eis essen? Da sagt der Theologe: Schwierige Frage. Kann man aber beim Eis essen beten? Auf jeden Fall. Also da bin ich relativ schmerzfrei. Viele der Gäste haben sich ihren Cappuccino oder Espresso bestellt und ich habe auch gesehen, dass das ein oder andere Eis beim Gottesdienst gelöffelt wurde. Ich selber hab das natürlich erst nach dem Gottesdienst gemacht.
DOMRADIO.DE: Würden Sie sagen, dass Gottesdienste an außergewöhnlichen Orten ein Modell dafür sein kann, wie Kirche in Zukunft funktionieren kann?
Kleine: Wir haben das in Wuppertal nicht zum ersten Mal gemacht. Als Katholische Citykirche Wuppertal verfolgen wir ja genau diese Idee, da hinzugehen, wo die Menschen sind und nicht darauf zu warten, dass die Menschen zu uns kommen.
Das heißt, dieses Setting, Gottesdienste, Veranstaltungen oder Bibellesungen in einem Café, ist mir nicht fremd. Gerade im Eiscafé Giannone feiern wir ja jedes Jahr an den Adventssonntagen adventliche Gottesdienste. Ich schätze das sehr, weil das auch spirituell durchaus gehaltvolle Erfahrungen sind.
Wir als Kirche insgesamt müssen lernen, dass wir zunehmend solche Orte suchen, wo wir uns versammeln können. Gerade auch im Erzbistum Köln mit dem Zusammenschluss der Pastoralen Einheiten wird die eine oder andere Kirche vielleicht nicht zu halten sein. Dann kann man langsam von fünf auf null zählen, wenn eine Gemeinde sich am Sonntag nicht versammelt, dann wird diese Gemeinde sterben. Wir brauchen also Orte, wo die Gemeinden sich sammeln können.
In meinem Heimatbistum in Bistum Essen hat man diesen Fehler in den Nullerjahren gemacht, dass Kirchen geschlossen worden sind, den Gemeinden aber keine Alternativen geboten hat, wo man sich versammeln kann. Und diese Gemeinden sind oft nicht mehr vorhanden. Und ob man sich jetzt in einem Kirchenraum trifft, in einem Eiscafé, in einem Versammlungsraum, ist dann eine zweite Frage. Dass Kirchenräume ästhetisch nicht zu toppen sind, darüber braucht man nicht diskutieren. Aber wir müssen, glaube ich, nach Alternativen suchen.
Das Interview führt Hilde Regeniter.