DOMRADIO.DE: Das Beten und Mitgehen des Kreuzwegs ist eine alte katholische Tradition auf dem Weg zu Ostern. Bei Ihnen in Wuppertal kann man den Kreuzweg mit dem Fahrrad erfahren – und das seit 2015. Wie sind Sie damals auf die Idee dazu gekommen?
Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent der Katholischen Citykirche Wuppertal): Die Nordbahntrasse in Wuppertal verläuft über die rheinische Strecke, das ist eine alte Bahnlinie. Wuppertal ist eine sehr hügelige Stadt, aber die Nordbahntrasse macht es möglich, dass man relativ eben und damit sehr bequem Fahrrad fahren kann.

Diese Strecke ist jetzt etwas über zehn Jahre alt und die evangelische Kirche hatte schon damals am östlichen Ende eine Fahrradkapelle gebaut, durch die man hindurchfahren kann. Das ist die Wichernkapelle, wo der Fahrradkreuzweg losgeht. Seitens der katholischen Kirche haben wir am westlichen Ende der Nordbahntrasse eine Kirche, die Ludgerkirche. Dort habe ich einmal gestanden und die vielen Fahrradfahrer beobachtet. An diesem Punkt kreuzt die Nordbahntrasse die Solinger Korkenziehertrasse.
Dann hatte ich eine Idee und wir haben gemeinsam mit dem Erzbistum Köln dort eine Fahrradkapelle gebaut, in der die Madonna di Ghisallo verehrt wird, die Patronin der Radfahrer. Diese Kapelle ist der Zielort des Kreuzwegs. Mit den Jahren wurde schnell klar, dass sich an dieser Strecke viele Orte befinden, die mit den Verbrechen der Nazis zusammenhängen, etwa wegen Zwangsarbeit. Dort finden die Andachten des Fahrradkreuzwegs statt.
DOMRADIO.DE: Morgen am Samstag um 11 Uhr geht es an der Wichernkapelle in Wuppertal-Oberbarmen mit dem Kreuzweg los. Ziel ist die Fahrradkirche St. Ludger in Vohwinkel. Auf dem Weg gibt es sechs Stationen, an denen Sie Halt machen. Welche Impulse gibt es dort für die Menschen, die mitradeln?
Kleine: Wir haben einen kleinen Flyer, den alle bekommen. Es wird an jeder Station eine kurze Andacht geben, die an die Geschehnisse an diesem speziellen Ort vor etwas über 80 Jahren erinnert. Wir werden angesichts des Leides, das die Menschen dort erfahren haben, auch auf das Leiden Jesu Christi blicken. Jesus hat sein Leben für uns hingegeben, er kennt auch unser Leiden, er ist bei den Schwachen. Am Schluss jeder Station wird es immer ein kurzes Gebet geben.
Die ganze Strecke ist 13 Kilometer lang, die man bei einer normal zügigen Fahrt rasch hinter sich bringen kann. Aber es soll eine Andacht sein, also es wird auch bedächtig gefahren, sodass der ganze Fahrradkreuzweg inklusive der Stationsgebete etwa zwei Stunden dauert.
DOMRADIO.DE: In der Ukraine herrscht immer noch Krieg und auch im Gaza-Streifen gibt es viel Leid. Wie aktuell halten Sie den Kreuzweg in diesem Jahr?
Kleine: In diesem Jahr erinnern wir, wie sonst auch, an die vergessenen Orte, die mit dem Nazi-Terror zu tun haben. Sie sind natürlich besonders aktuell dadurch durch die Ereignisse, die Sie angesprochen haben. Denn das, was vor 80 Jahren geschehen ist, passiert heute Menschen in Gaza, aber auch in Israel.
Ich denke an den Überfall der Hamas im Süden Israels, bei dem Menschen geschändet worden sind, die eigentlich nur ein ganz alltägliches, friedliches Leben führen wollten. Aber ich denke auch an die Ukraine, der Krieg dort ist ja leider immer noch aktuell. Wir leben in Zeiten, in denen die Mächtigen offenkundig die Welt unter sich aufzuteilen im Stande sind, ohne die einfachen Menschen auch nur annähernd zu beachten.
Genau das ist vor auch 80 Jahren passiert und sollte uns heute eine Mahnung sein – aber wir scheinen nichts daraus zu lernen. Deshalb gilt: Der Kreuzweg ist immer aktuell, auch wenn wir konkret an das erinnern, was in der Vergangenheit vor Ort passiert ist. Denn diese Erinnerung ist konkret, sie ist unmittelbar für uns greifbar.
DOMRADIO.DE: Welche Rückmeldungen erhalten Sie zum Fahrradkreuzweg?
Kleine: Wir haben schon Anmeldungen gehabt, da hatten wir den Fahrradkreuzweg noch gar nicht ausgeschrieben. Es ist bekannt, dass er immer am Samstag vor dem dritten Fastensonntag stattfindet, das ist Tradition. Nur ein Mal haben wir ihn kurzfristig um eine Woche verschieben müssen, weil es einen Sturm gab. Wir bekommen die ersten Anmeldungen immer schon in der Adventszeit. Da ist der Termin noch gar nicht veröffentlicht, aber die Menschen warten und freuen sich auf den Kreuzweg. Sie bekommen zum Schluss eine Urkunde und ein Highlight ist auch, dass es von den Ehrenamtlichen der Gemeinde St. Ludger einen Imbiss gibt.
DOMRADIO.DE: Sie werden knapp zweieinhalb Stunden unterwegs sein. Müssen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schon einmal die Tour de France gefahren sein, um bei ihnen mitzuradeln?
Kleine: Unser Fahrttempo ist sehr gemütlich. Und Wuppertal ist, wie schon gesagt, eine Stadt mit einem kleinen Gefälle. Das trifft auch auf die Nordbahntrasse zu. Aber die Wichernkapelle liegt höher als St. Ludger. Wir fahren also auch leicht bergab, was bedeutet, dass man sehr entspannt fahren kann, auch wenn man nicht gut im Training ist.

DOMRADIO.DE: Ich habe gelesen, der Anmeldeschluss war schon, das Teilnehmerfeld ist also komplett. Das heißt aber nicht, dass man nicht doch noch mit seinem Fahrrad vorbeikommen könnte, oder?
Kleine: Man kann auch kurz entschlossen einfach dazu kommen. Wir brauchen die Anmeldung eigentlich nur, um den Ehrenamtlichen in St. Ludger sagen zu können, wie viele Leute ungefähr kommen, damit die Suppe auch für alle reicht.
Erfahrungsgemäß können aber manche, die sich angemeldet haben, kurzfristig nicht teilnehmen. Wenn sich also morgen noch Leute kurzfristig entscheiden, den Fahrradkreuzweg mitzufahren, ist das auf jeden Fall möglich. Sie sind herzlich willkommen und ich gehe auch davon aus, dass die Suppe, wie jedes Jahr, für alle reichen wird.
DOMRADIO.DE: Sie sind morgen aber nicht mit dabei und haben einen guten Grund dafür.
Kleine: Das soll eigentlich keiner wissen, aber ich habe morgen Geburtstag und fahre deshalb zum ersten Mal nicht beim Fahrradkreuzweg mit. (lacht)
Das Interview führte Carsten Döpp.