Monatelang gingen in den USA die Corona-Infektionszahlen zurück. Seit Anfang Juli steigen sie wieder. Nach offiziellen Angaben sind die allermeisten Covid-19-Patienten, die zurzeit im Krankenhaus landen, nicht gegen das Virus geimpft.
Die Direktorin der Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention, Rochelle Walensky, warnt vor einer "Pandemie bei den Nicht-Geimpften". Die USA seien an einem "entscheidenden Punkt" angelangt, sagte Walensky am Donnerstag.
Anthony Fauci, der Corona-Berater von US-Präsident Joe Biden, sprach von einem möglicherweise zweigeteilten Amerika. Impfskepsis und Verweigerung spiegeln die politische Landschaft: Die Ungeimpften sind offenbar überproportional Anhänger der Republikanischen Partei und weiße Evangelikale - Menschen aus Bevölkerungsschichten, die mehrheitlich Donald Trump gewählt haben.
Große Unterschiede in der Bevölkerung
Die ländliche Bevölkerung hat niedrigere Impfraten als die städtische. Nach Angaben der Gesundheits-Forschungsstiftung Kaiser Family Foundation waren in Landkreisen mit einer Mehrheit für Biden Anfang Juli 46,7 Prozent vollständig geimpft, in Trump-Landkreisen nur 35 Prozent.
22 Prozent der weißen Evangelikalen sagten bei einer Kaiser-Umfrage im Juni, sie wollten sich nicht impfen lassen. Fünf Prozent wollen es nur, sollte es Vorschrift werden. Der drei Millionen Einwohner zählende südliche Bundesstaat Arkansas im "Bibelgürtel" kann als Fallbeispiel gelten. Gegenwärtig hat Arkansas laut "New York Times" neben Louisiana und Florida die höchsten Neuinfektionsraten.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums von Arkansas sind nur 35 Prozent vollständig geimpft. Trump kam in Arkansas auf 62 Prozent der Stimmen. Laut Pew Research Center sind mehr als 40 Prozent der erwachsenen Einwohner weiße Evangelikale.
Viele haben Sorgen
Als Hauptgründe gegen Impfen nannten Befragte in Arkansas bei einer örtlichen Erhebung Sorgen um die Sicherheit des Impfstoffes, dessen schnelle Entwicklung, den Einfluss der Regierung auf das Projekt und die angebliche Verwendung menschlicher Stammzellen bei der Forschung. Der selber geimpfte Ex-Präsident Trump hat seine Sicht so zusammengefasst: "Leute weigern sich, weil sie der Regierung misstrauen und auch das Wahlergebnis nicht glauben."
Manche republikanischen Gouverneure sind besorgt über die Krankenhauskapazitäten. Der republikanische Gouverneur von Arkansas, Asa Hutchinson, ließ Lottoscheine und Gutscheine für Angellizenzen als Anreiz zum Impfen verteilen. Im Rundfunksender NPR erzählte Hutchinson Mitte Juli von Bürgergesprächen, die er veranstalte. Wichtig sei, "dass auch die Impfgegner kommen und ihre Verschwörungstheorien und Sorgen vorbringen".
15 bis 20 Prozent seien "Hardcore"-Impfgegner. Doch manche Skeptiker hätten ein offenes Ohr für örtliche Ärzte, Pastoren und Menschen mit Covid-Erfahrung. Zahlreiche Pastorinnen und Pastoren haben die Gläubigen zum Impfen aufgerufen. Kirchen stellten Räumlichkeiten für Impfungen zur Verfügung.
Tiefer Graben zwischen Pastoren und Gemeinden
Auf der Webseite "christiansandthevaccine.com" (Christen und der Impfstoff) sprechen evangelikale Pastoren zu skeptischen Gläubigen. Kronzeuge ist Francis Collins, bekennender evangelikaler Christ und seit 2009 Direktor des Nationalen Gesundheitsinstituts. Er vertraue Jesus, sagte Collins in einem Impfvideo. Wissenschaft und Glauben ergänzten einander wunderbar.
Theologe Curtis Chang, Mitbegründer der Webseite, bedauerte einen "tiefen Graben" zwischen evangelikalen Pastoren und Kirchenmitgliedern. Die Männer und Frauen in den Bänken und auf den sonntäglichen Klappstühlen lassen sich offenbar von Impfgegnern in rechten Medien und in sozialen Medien beeinflussen, die oftmals auch vor Übergriffen der Regierung auf die Rechte des Einzelnen und Impfzwang warnen.
Ein Kommentar im christlichen Sender Christian Broadcasting Network warnte diese Woche, es habe schon häufig "gefährliche ansteckende Krankheiten" gegeben. Das gebe der Regierung keine Befugnis zu autoritären Maßnahmen. Im konservativen Sender Fox News wurde gewarnt, die Regierung wolle Menschen zum Impfen zwingen und Tausende Menschen seien nach der Impfung gestorben.
Kommentatoren wollen Trumps Hilfe
Nach einem schnellen Start sind die täglichen Impfzahlen in den USA von mehr als drei Millionen Mitte April auf rund 600.000 Mitte Juli zurückgegangen. In manchen Kommentaren wurde an Biden appelliert, seinen Vorgänger um Hilfe zu bitten.
Trump hat mehrmals betont, wie stolz er sei, dass die Impfstoffe zu seiner Amtszeit entwickelt worden sind. Auf Trump würden vielleicht die Republikaner, die ihn überwältigend gewählt haben, und die weißen Evangelikalen hören. Mehr als drei Viertel der weißen evangelikalen Wähler stimmten für Trump.