Debatte über Religionsunterricht in Österreich angestoßen

Ethikstunden oder Kooperationen?

In Österreich steigen die Zahlen von Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichem religiösen Hintergrund. Nun gibt es eine Debatte über den Religionsunterricht. Der Journalist Klaus Prömpers beobachtet die Entwicklung.

Autor/in:
Tobias Fricke
Symbolbild Religionsunterricht in der Schule / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild Religionsunterricht in der Schule / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was zeichnet sich in Österreich ab? Steht der Religionsunterricht vor dem Aus? 

Klaus Prömpers (DR)
Klaus Prömpers / ( DR )

Klaus Prömpers (Journalist): Das wohl kaum, denn der Religionsunterricht der Katholiken in Österreich ist im Konkordat, also einem festen staatsrechtlichen Vertrag zwischen dem Vatikan und dem österreichischen Staat, seit 1933 und 1968 fest verankert.

Unterschiede gibt es nur, wenn es um die Berufsschulen geht. Dort ist Religionsunterricht nur in Tirol und Vorarlberg fest verankert. 

Dazu muss man im Hinterkopf haben, dass die Lehrplangestaltung und Hoheit über den Bildungssektor in Österreich zwischen den Bundesländern einerseits und dem Bund andererseits geteilt ist. Es gibt einen Wissenschafts- und Bildungsminister, der auch für die Schulen zuständig ist, der aber nicht alleine agieren kann. 

Klaus Prömpers

"Es bleibt da eher beim Alten."

DOMRADIO.DE: Das Konkordat könnte man doch ändern, oder? 

Prömpers: Das könnte man, aber wenn man diese Büchse der Pandora einmal aufmacht, dann werden sich sehr viele neue Fragen stellen, insbesondere was die Finanzierung der Kirche und ihrer denkmalgeschützten Kirchen und Klöster angeht, sodass man das lieber nicht vonseiten der Kirche anpackt und wohl bisher auch eher nicht von Seiten der staatlichen Autoritäten angepackt hat. 

Es bleibt da eher beim Alten. Man kann allenfalls im Rahmen dessen, was da ist und angesichts der mittlerweile beispielsweise in Wien über 30 Prozent Schüler mit muslimischem Hintergrund neu anfangen zu denken, wie man das auf die Reihe kriegt. 

DOMRADIO.DE: Gibt es Alternativüberlegungen zum konfessionsbezogenen Unterricht? 

Prömpers: Es gibt beispielsweise den Vorschlag des Wiener Stadtrats Christoph Wiederkehr (NEOS), angesichts dieser Zahlen zu sagen, dass man generell einen Ethikunterricht in allen Schulstufen einführen müsse. Der soll vor allem für die neuen Mitbürger, aber auch für alle anderen, die statistisch immer weiter von der Kirche entfernt sind, sein. 

Es ist ja nicht nur die Austrittswelle, sondern dazu kommt auch noch, dass ein Großteil der Katholiken zwar noch in der Kirche ist, aber die Kirche im Grunde nie mehr besuchen. Die Verbindung zu den tatsächlichen Werten wird also immer geringer. Da sagt der Stadtrat, wir bräuchten einen Ethikunterricht, der die Geschichte und die gegenwärtige Wertestruktur vermittelt, damit die Kinder nicht im luftleeren Raum oder nur bei TikTok groß werden. 

DOMRADIO.DE: Was sagt denn der Wissenschafts- und Schulminister zu dieser neuen Diskussion? 

Prömpers: Minister Martin Polaschek von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) sagt klar "Nein" zur Forderung der NEOS. Wörtlich sagt er: "Der Religionsunterricht ist verfassungsrechtlich verankert. Er ist ein Grundrecht." Das heißt, der Religionsunterricht steht auch in der österreichischen Verfassung. Ihn abzuschaffen hielte der Minister nicht für zielführend, vor allem, weil sich dann der Unterricht ins Private verlagern würde. 

Das mache dann mögliche Radikalisierungen, in welchem Bereich auch immer, nicht mehr überprüfbar. Im Moment ist das tendenziell überprüfbar, auch bei muslimischen Lehrern, denn die müssen eine Zulassung haben, die von den staatlichen Stellen überprüft wird. 

Klaus Prömpers

"Sie (die Österreichische Bischofskonferenz) sieht aber auch neue Möglichkeiten, mit anderen Religionsgemeinschaften zu kooperieren."

DOMRADIO.DE: Wie nimmt denn die Kirche Stellung zu diesem Thema? 

Prömpers: Den Vorschlag von Stadtrat Wiederkehr und NEOS lehnt auch die Österreichische Bischofskonferenz ab. Die hat sich schon im letzten Jahr umfassend mit dem Religionsunterricht auseinandergesetzt. Sie konnte für das Vorschuljahr 2022/23, neuere Zahlen gibt es noch nicht, immerhin feststellen, dass noch 599.000 Schülerinnen und Schüler den katholischen Religionsunterricht besuchen.

Sie sieht aber auch neue Möglichkeiten, mit anderen Religionsgemeinschaften zu kooperieren. Angesichts der vielen orthodoxen Flüchtlinge aus der Ukraine, die nun in österreichischen Schulen unterrichtet werden, könne man beispielsweise zu einer Art von Team-Teaching kommen, also Orthodoxe und Katholiken zusammen unterrichten. 

Dieses Modell, so sagte mir gestern der Sprecher der Bischofskonferenz, sei auch offen für muslimische Kooperationen und islamische Unterrichtende, die möglicherweise gemeinsam mit Katholiken Unterrichtsstunden gestalten könnten. Ob das so kommt, ist offen, aber der Diskussionsprozess ist angestoßen.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Konkordat

Konkordat (lateinisch für Vereinbarung) nennt man ein völkerrechtliches Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl als oberster Instanz der katholischen Kirche und einem Staat. In Deutschland gelten neben dem Reichskonkordat von 1933 Staatskirchenverträge mit einzelnen Ländern. Das Bayern-Konkordat von 1924 war Vorbild für die Abkommen mit Preußen (1929) und Baden (1932).

Mann hält Holzkreuz in der Hand / © PUWADON SANG (shutterstock)
Mann hält Holzkreuz in der Hand / © PUWADON SANG ( shutterstock )
Quelle:
DR