Die Ausschreitungen von Chemnitz sorgen weiter für Diskussionen. Der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder (CDU) betonte, es gebe keine Rechtfertigung dafür, wenn Menschen andere Menschen durch die Straßen jagten. "Vielmehr müssen wir die Menschen auffordern, sich dagegen zu positionieren", sagte Kauder am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin.
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte im ZDF, der Staat müsse in den nächsten Tagen und Wochen in Chemnitz zeigen, dass er das Gewaltmonopol besitze. Es müsse verhindert werden, dass die Stadt ein Aufmarschgebiet für Extremisten aus ganz Deutschland werde. Für Donnerstag sind neuerliche Demonstrationen in der Stadt angekündigt.
Polizei hat "super Job" gemacht
Der sächsische Ministerpräsident verteidigte zudem die Polizei seines Bundeslandes gegen Kritik wegen des Einsatzes in Chemnitz. "Die Polizei hat einen super Job gemacht", sagte er der "Bild"-Zeitung (Mittwoch). "Die vielen Demonstranten unterschiedlicher Gruppen wurden auseinandergehalten. Straftaten wurden dokumentiert und werden jetzt rechtlich verfolgt."
Mit Blick auf die Tötung eines Chemnitzers und darauffolgende Ausschreitungen in der Chemnitzer Innenstadt betonte Kretschmer, man werde es nicht zulassen, dass Opfer instrumentalisiert würden von Rechtsextremen. "Wir hatten auf der einen Seite furchtbare Bilder, wo Ausländer fliehen mussten vor Demonstranten", sagte er. "Und auf der anderen Seite diese schreckliche Straftat, die zu größter Bestürzung geführt hat." Die Menschen bräuchten Raum für ihre Betroffenheit und Trauer.
"Waren darauf nicht vorbereitet"
Die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) forderte die Bundesregierung auf, das Thema Ostdeutschland ernstzunehmen. Viele Menschen fühlten sich dort als Menschen zweiter Klasse, sagte sie im ZDF-Morgenmagazin. Zudem seien sie auf die große Zahl von Geflüchteten im Jahr 2015 "überhaupt nicht vorbereitet" worden.
NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) verurteilte "die Ausschreitungen des rechten Mobs". Es handle sich um Rassismus, betonte sie in der "Rheinischen Post". Ausländerfeindlichkeit sei indes kein rein ostdeutsches Problem.
Chemnitz ist kein Einzelfall
Konfliktforscher Andreas Zick rief die sächsische Landesregierung zu entschiedenem Handeln auf. In einigen Regionen Sachsens gebe es "Rechtsextremisten bereits in der dritten Generation", sagte er der "Rheinischen Post". Besonders im ländlichen Raum sähen viele Menschen keine Perspektive für sich, und es fehle an Präventionsarbeit.
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte, Chemnitz sei kein Einzelfall. Die Ereignisse zeigten: "Wir stehen in der Gefahr, die demokratische Debatten- und Streitkultur zu verlieren." Um sie wieder zu vermitteln, brauche es mehr politische und kulturelle Bildung.
Die Spitze eines Eisbergs?
Der Publizist und Moderator Michel Friedman sieht in den Ausschreitungen in Chemnitz "nur die Spitze einer demokratiefeindlichen Bewegung". Diese habe "ein breiteres Fundament in der Gesellschaft, als wir uns vorstellen wollen", sagte Friedman der Deutschen Welle (Dienstagabend). Mittlerweile säßen "geistige Brandstifter teilweise in den Parlamenten".
Zuvor hatte die Bundesregierung die Vorfälle in Chemnitz scharf kritisiert. Bundesministerin Franziska Giffey (SPD) kündigte an, am Freitag nach Chemnitz zu fahren, um "denen den Rücken zu stärken, die vor Ort für ein demokratisches Chemnitz eintreten". Dresdens katholischer Bischof Heinrich Timmerevers verurteilte ebenfalls die gewaltsamen Ausschreitungen.
"Gewaltbereite Rechte" gegen "Ausländerkriminalität"?
Am Sonntag waren nach dem Tod eines Mannes nach einem Streit zwischen Personen mehrerer Nationalitäten auf dem Stadtfest Hunderte Demonstranten durch die Innenstadt von Chemnitz gezogen. Laut Medienberichten waren unter ihnen "gewaltbereite Rechte", die gegen "Ausländerkriminalität" protestierten und Sprüche wie "Wir sind das Volk" skandierten. Auch am Montag kam es zu Ausschreitungen.