Franziskus auf diplomatischer Mission im Irak

Der Papst in einem zerrissenen Land

Muslime gegen Christen, Sunniten gegen Schiiten, Kurden gegen Araber - Papst Franziskus besucht diese Woche mit dem Irak ein konfliktreiches Land. Immerhin kann er in der islamischen Welt auf Sympathien zählen.

Autor/in:
Christoph Schmidt
Amjad, ein irakischer Künstler der NGO "Imprint of Hope", malt ein Wandbild von Papst Franziskus / © Ameer Al Mohammedaw (dpa)
Amjad, ein irakischer Künstler der NGO "Imprint of Hope", malt ein Wandbild von Papst Franziskus / © Ameer Al Mohammedaw ( dpa )

Mitten in der Pandemie nimmt sich Papst Franziskus eines der schwierigsten Krisenländer der Welt vor. Von Freitag bis Montag wird er im Irak Politiker und Religionsvertreter treffen, Gottesdienste feiern, für Frieden und Versöhnung beten. Die Sicherheitsvorkehrungen in dem gewaltverseuchten Land sind enorm.

Vor allem der christlichen Minderheit will Franziskus Mut machen und ihren Exodus bremsen. Von den einst rund eine Million Christen sind seit 2003 mehr als zwei Drittel vor islamistischem Terror geflohen oder vom IS vertrieben worden, ebenso wie Jesiden. Der Papst will sich auf seiner Reise besonders für den interreligiösen Dialog zwischen Muslimen und Christen einsetzen.

Erster Pontifex im Irak

In der islamischen Welt gilt Franziskus als glaubwürdiger Brückenbauer. Nachdem die Beziehungen zwischen Kirche und Islam unter seinem Vorgänger Benedikt XVI. stark abgekühlt waren, setzte der Argentinier das Thema ganz oben auf seine Agenda. Vorläufiger Höhepunkt der Annäherungspolitik war das Treffen mit dem Großscheich der Kairoer Al-Azhar-Universität, Ahmad al-Tayyeb, im Februar 2019 in Abu Dhabi, wo beide das "Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt" unterzeichneten.

Damals war es der erste Besuch eines Papstes auf der arabischen Halbinsel, nun reist Franziskus als erster Pontifex in den Irak und damit in ein Land, das für die islamische Geschichte von größter Bedeutung ist. Bereits 636, vier Jahre nach dem Tod des Propheten Mohammed, eroberten arabische Muslime die Gebiete nördlich des Persischen Golfs. Die spätere Gründung Bagdad wurde zur pulsierenden Hauptstadt des Abbasidenkalifats und steht bis heute für das "goldene Zeitalter des Islam". Theologie und Wissenschaft erlebten im Irak eine hohe Blüte, die das religiöse Leben des traditionellen Islam bis heute prägt.

Die Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten

Vor allem ist das Zweistromland aber Schauplatz der verhängnisvollen Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten. Letztere erkennen nur Mohammeds Schwiegersohn Ali und dessen Nachfahren, die Imame, als rechtmäßige Nachfolger des Propheten an. 680 eskalierte der Streit in einer blutigen Schlacht nahe dem irakischen Kerbela und der Enthauptung des dritten Imams Hussein durch die Sunniten. Bis heute herrscht zwischen den beiden Konfessionen oft Misstrauen und Feindschaft.

Weltweit machen Schiiten zwar nur 10 bis 15 Prozent aller Muslime aus, im Irak sind sie mit rund zwei Dritteln der Bevölkerung aber die deutliche Mehrheit. Trotzdem lag die politische Macht über Jahrhunderte in sunnitischen Händen. Ob unter osmanischer Herrschaft oder der britischen Kontrolle nach dem Ersten Weltkrieg - immer dominierten Sunniten in Regierung und Armee und nutzten es, um die Schiiten niederzuhalten. Obendrein umfasste die willkürliche Grenzziehung der Briten die kurdischen Gebiete im Norden. Obgleich sunnitisch, haben sich die Kurden nie als integraler Bestandteil des mehrheitlich arabischen Irak verstanden.

Christen im Irak

Besonders brutal gingen Diktator Saddam Hussein und die Baath-Partei sowohl gegen Kurden wie Schiiten vor. Erst nach dessen Sturz 2003 übernahmen letztere erstmals die Führung im Irak. Doch die Gräuel des folgenden Bürgerkriegs und sunnitischer Terroranschläge ließen den Hass zwischen den Konfessionen eher noch anwachsen.

Christen und Jesiden, die unter Saddam relativ geschützt lebten, wurden derweil Opfer islamistischer Fanatiker wie krimineller Banden. Etliche fanden Schutz in den mittlerweile autonomen Kurdengebieten, noch mehr wählten das Exil. Auch wenn der IS als besiegt gelten kann und einige Christen zurückgekehrt sind, besteht wenig Hoffnung, dass das Christentum im Irak jemals wieder die frühere Vitalität erreicht.

Treffen mit Großayatollah Ali al-Sistani

Wichtigste Stimme des Ausgleichs ist Großayatollah Ali al-Sistani. Ihn wird Papst Franziskus in der heiligen Stadt Nadschaf treffen. Schon jetzt gilt die Begegnung zwischen dem Kirchenoberhaupt und dem hoch angesehenen schiitischen Geistlichen als starkes Symbol für den Dialog zwischen Christen und Muslimen, ähnlich wie vor zwei Jahren das Papsttreffen mit dem sunnitischen Großscheich al-Tayyeb. Am selben Tag wird Franziskus bei einem interreligiösen Treffen in der Ebene von Ur sprechen.

Ob sein Appell für Frieden und Toleranz an der Wiege der menschlichen Zivilisation helfen kann, Gräben zuzuschütten und Christen zum Bleiben zu bewegen, ist mehr als ungewiss. Die irakische Gesellschaft bleibt tief gespalten, während Bildung und Wohlstand als Basis für gesellschaftliche Stabilität pandemiebedingt Rückschritte machen.


Quelle:
KNA