Deutsche Ordensgeschichte im Land der aufgehenden Sonne

​Wie die Jesuiten nach Japan kamen

Die Sophia-Universität der Jesuiten in Tokio ist heute ein veritabler Wirtschaftskomplex. 13.000 Studenten sorgen für 90 Millionen Euro Jahresumsatz. Den Anfang aber machten Bismarck - und die Spielschulden eines Daimyos.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Ignatiuskirche, Pfarrkirche und Kirche der Jesuiten in Tokio / © Alexander Brüggemann (KNA)
Ignatiuskirche, Pfarrkirche und Kirche der Jesuiten in Tokio / © Alexander Brüggemann ( KNA )

Das katholische Tokio ist ohne die deutschen Jesuiten eigentlich nicht zu denken. Japans Hauptstadt-Erzdiözese hat heute 90 Pfarreien mit rund 90.000 Katholiken, betreut von 78 Weltpriestern und etwa 250 Ordenspriestern. Davon sind allein rund 100 Jesuiten.

Der Indologe und Buddhismusforscher Joseph Dahlmann (1861-1930), eingeladen zu einem internationalen Fachkongress, stellte 1903 empört fest: Nach der Wiederöffnung Japans für den Westen 1853 gab es immer noch keine katholische Universität, aber bereits drei protestantische - Japan werde evangelisch! Das durfte nicht sein, erst recht nicht angesichts der einst so erfolgreichen Japan-Mission der Jesuiten im 16./17. Jahrhundert.

Jesuiten nach Japan geschickt

Dahlmann schaltete Papst Pius X. (1903-1914) ein. Und der damalige Jesuitenobere schmiedete einen Plan, an dem letztlich der deutsche Reichskanzler Bismarck Schuld war: Vor dem Kulturkampf waren alle deutschen Jesuiten in die Niederlande geflohen. Im grenznahen Valkenburg saßen sie alle auf einem Haufen. Also setzte der Ordensgeneral, der Deutsche Franz Xaver Wernz, 1908 vor allem deutsche und deutschstämmige Jesuiten aus den USA für die japanische Neugründung in Marsch.

Wie die Jesuiten im Winter 1911/12 an ihr riesiges Grundstück gleich in der Nähe des Kaiserpalastes kamen, erzählt Pater Günter Kerkmann genüsslich: In der Zeit des "Sakoku", der Selbstisolation Japans (1639-1853), mussten die lokalen Herrscher, die Daimyos, ständig einen Teil ihrer Familie als Faustpfand in der Kaiserstadt Edo unterbringen, dem heutigen Tokio. So waren sie unter Kontrolle und hatten zudem kostspielige Ausgaben für die Haushaltung, die ihnen auf der anderen Seite fehlte, um sich in kriegerische Abenteuer zu stürzen. Ein geschickter Schachzug.

Mit dem Ende der Isolation fiel diese Verpflichtung in der Meiji-Zeit (1868-1912) weg. Der damalige Kriegsminister Takashima, ein Daimyo, hatte Spielschulden - die Jesuiten kauften ihm das riesige Filetgrundstück in bester Lage gerne ab. Es wurde die Grundlage für die heutige Sophia-Universität und die Pfarrei des Ordens.

Aus zerfressener Holzkirche wird großer Pfarreikomplex

Pater Kerkmann, heute 73, lebt seit über 50 Jahren in Japan. Der gebürtige Münsteraner arbeitete mehr als drei Jahrzehnte als Lehrer und Verwaltungschef für verschiedene Jesuitenschulen. Derzeit ist er Finanzdirektor der japanischen Ordensprovinz.

Stolz führt er durch die neuerbaute Ignatiuskirche, Pfarrkirche und Kirche der Jesuiten in Tokio. Die alte Holzkirche war von Schwarzen Termiten zerfressen und altersschwach geworden. Entstanden ist ein großer Pfarreikomplex mit Seminar- und Gesprächsräumen und der einzigen öffentlichen katholisch-theologischen Bibliothek in Tokio.

"Sophia Tower" - ein Turmbau zu Tokio

Die Sophia-Universität - "der Bezug auf die Weisheit passt gut zu Japan" - ist in den rund 100 Jahren ihres Bestehens zu einem großen Campus mit acht Fakultäten geworden. Derzeit sind 49 Jesuiten als Dozenten der "Sophia" tätig. In der Uni-Verwaltung haben sie Spitzenpositionen inne und besitzen quasi eine Sperrminorität.

Die derzeit rund 13.000 Studenten zahlen etwa 7.000 Euro Studiengebühr. Schon das sorgt für mehr als 90 Millionen Euro Jahresumsatz. "Da braucht es auch Investitionen", sagt Kerkmann lakonisch. Im Dezember soll der "Sophia Tower" eröffnet werden, ein 17-stöckiger Büroturm mit Schauseite zur Straße. Der Bau erregte sogar das Interesse des Kaisers, der hier, unweit des Kronprinzenpalastes, häufig vorbeifährt. Akihito ließ sich persönlich über das Bauvorhaben informieren.

Hochzeiten auf dem Campusgelände

Beliebt bei Studenten und Ehemaligen ist das Heiraten auf dem Campus, am besten mit dem früheren Professor als Zelebrant. Sie mieten die Räume der Ignatiuskirche, noch lieber aber den alten Daimyo-Palast im europäischen Stil, den die Jesuiten in den 1920er Jahren als Gebäude für ihre Kommunität umfunktionierten.

Gut feiern lässt es sich draußen im weitläufigen Japanischen Garten der Villa - einer Oase der Ruhe zwischen den Fakultätsgebäuden. Einmal im Jahr veranstalten die Jesuiten ein großes Gartenfest: Am Ignatius-Tag (31. Juli) versammeln sich hier der Nuntius, der Erzbischof und alle, die sich in der größten Metropole der Welt den katholischen Glauben auf die Fahne geschrieben haben.

Die katholische Kirche in Japan

Das Christentum spielt in Japan nur eine geringe Rolle. Die katholische Kirche in Japan zählt zurzeit rund 440.000 registrierte Mitglieder. Die Vorstellung eines einzigen, allmächtigen Gottes hat nur wenig Übereinstimmung mit den traditionellen religiösen Vorstellungen des Shinto und des Buddhismus. Derzeit bekennen sich nur rund ein Prozent der japanischen Staatsbürger, also etwa eine Million Menschen, zu einer der christlichen Konfessionen. Von den bislang 62 Ministerpräsidenten Japans waren 7 bekennende Christen, zuletzt der Katholik Taro Aso (2008/09).

Zwischen 1614 und 1873 war die Verbreitung des Christentums in Japan unter strengsten Strafen verboten. Nach der Wiederöffnung des Landes in religiöser Hinsicht bekannten sich die meisten der wenigen verbliebenen Geheimchristen aus dieser Zeit zur katholischen Kirche.

Hauptstadt-Erzbischof ist Takeo Okada (74). Er ist erst der dritte einheimische Oberhirte von Tokio. Von 1846/58, der Zeit der Neugründung des Apostolischen Vikariates für Japan, bis 1937 lag die Besetzung bei der Ordensgemeinschaft der Pariser Mission (MEP). Seit Juni 1891 hat Tokio den kirchenrechtlichen Status einer Erzdiözese. Sie hat heute 90 Pfarreien mit rund 90.000 Katholiken, betreut von 78 Weltpriestern und etwa 250 Ordenspriestern. Davon sind allein rund 100 Jesuiten.

 

Quelle:
KNA
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