Deutscher Schulleiter in Jerusalem reflektiert Schulalltag im Krieg

"Getragen von der Hoffnung"

Der Krieg im Nahen Osten dauert an. Die Schülerinnen der katholischen Schmidt-Schule in Ostjerusalem gehen trotzdem weiterhin jeden Tag zum Unterricht. Rektor Dietrich Bäumer schildert den Schulalltag zwischen Sorge und Hoffnung.

Autor/in:
Katharina Geiger
Schülerinnen der Schmidt-Schule (KNA)
Schülerinnen der Schmidt-Schule / ( KNA )

DOMRADIO.DE: Mit Blick auf die jüngsten Ereignisse vom Wochenende: Wie sehr merken Sie das im Alltag? 

Dietrich Bäumer, Schulleiter der deutschen Schmidt-Schule Jerusalem (privat)
Dietrich Bäumer, Schulleiter der deutschen Schmidt-Schule Jerusalem / ( privat )

Dr. Dietrich Bäumer (Leiter der Schmidt-Schule in Ostjerusalem): Man muss ehrlicherweise sagen, dass wir von diesen schrecklichen Vorkommnissen hier am Standort in Jerusalem wenig merken. Wir spüren aber durchaus die Unruhe in der Bevölkerung, die Sorge der Menschen, dass es noch schlimmer kommen könnte. Aber als Christen haben wir selbstverständlich immer die Hoffnung, dass es besser wird. Wir beten in den Gottesdiensten natürlich für den Frieden und für das Ende des Blutvergießens. 

Wir befinden uns jetzt ein Jahr im Krieg. Auch wenn wir hier nicht direkt betroffen sind, sehen wir natürlich die Nachrichten und sind darüber schockiert. Aber wir sind immer getragen von der Hoffnung, dass es besser wird.

DOMRADIO.DE: Iranische Raketen werden mittlerweile auch in Richtung Jerusalem abgefeuert. Ist denn unter diesen Umständen ein geregelter Schulalltag überhaupt möglich? 

Bäumer: Sie müssen sich das so vorstellen: Wir sind nicht nur im engen Kontakt mit den deutschen Behörden, die, was die Anhebung der Krisenstufen angeht, auf diesen Beschuss natürlich entsprechend reagiert haben. Vor allem sind wir auch mit den israelischen Behörden vom "Ministry of Educatio" in Kontakt. Von dort bekommen wir beispielsweise die Anweisung, wenn Schulen dringend zu schließen sind. Nach dem Beschuss aus dem Iran haben wir die Schule eigentlich nur einen Tag geschlossen gehabt. Zunächst waren mehrere Tage angedacht, nach dem Angriff wurde aber direkt Entwarnung gegeben und wir konnten die Schule wieder regulär öffnen.

Dr. Dietrich Bäumer

"In der Regel versuchen wir, den Unterricht aufrechtzuerhalten."

Das heißt, wir sind im regulären Schulbetrieb, wenn man das so nennen kann. Es findet Präsenzunterricht statt und unsere Schülerinnen sowie die Lehrerinnen und Lehrer kommen zum Unterricht hierher – mit der ein oder anderen Schwierigkeit. Wenn sie aus der Westbank kommen, haben sie am Morgen natürlich längere Wartezeiten an den Checkpoints in Kauf zu nehmen. Aber in der Regel versuchen wir, den Unterricht aufrechtzuerhalten. 

DOMRADIO.DE: Eine weitere Eskalation ist zu befürchten. Verlassen ihre deutschen Lehrkräfte das Land? 

Bäumer: Durch die Krisenstufe 3A, die das Auswärtige Amt verhängt hat, sind bestimmte verpflichtende Regeln eingetreten. Das eine ist, dass die Familienangehörigen das Land verlassen mussten. Das haben wir inzwischen umgesetzt. Aber selbstverständlich dürfen auch die hier unterrichtenden deutschen Kolleginnen und Kollegen frei entscheiden, ob sie in dieser Situation bleiben möchten oder das Land verlassen. Diejenigen, die ihre Familien begleiten wollten, haben sich für den Weg nach Deutschland entschieden. Das waren aber nur zwei Kollegen. Alle anderen haben einstimmig beschlossen, hier zu bleiben – meine Person eingeschlossen. 

Wir wollen in dieser Situation ein Zeichen setzen. Nämlich, dass wir eine Verantwortung für diese Schule und für die Menschen haben, die uns in diesem Land anvertraut sind und hierherkommen, um ihr Abitur zu machen. Das möchten wir ihnen auch gerne sicherstellen, solange es die Umstände erlauben. Es ist unsere Aufgabe, bei den Menschen und mit den Menschen hier vor Ort zu sein.

DOMRADIO.de: Wie gestaltet sich das Zusammenleben der christlichen und muslimischen Schülerinnen? Gibt es da aktuell auch Konflikte oder politische Diskussionen? 

Dr. Dietrich Bäumer

"Es ist nicht leicht. Auch im Unterricht gibt es immer wieder Diskussionen."

Bäumer: Es gibt natürlich immer wieder Diskussionen, das ist klar. Das können wir nicht vermeiden. Wir bemühen uns um einen diplomatischen Ausgleich. Es gibt viele spannungsgeladene Themen und die betreffen auch uns Deutsche. 

Schmidt-Schule in Jerusalem / © Daniela Elpers (DBK)
Schmidt-Schule in Jerusalem / © Daniela Elpers ( DBK )

Es ist nicht leicht, das können Sie sich vorstellen. Auch im Unterricht gibt es immer wieder Diskussionen. Aber ich denke, wir haben eine Atmosphäre der Offenheit und des Miteinanders geschaffen, wo wir erst einmal keine Denkverbote installieren. Wir geben Leuten die Möglichkeit, das zu sagen, was sie denken und ausdrücken wollen – auch ihre Gefühle. Und dann darüber in ein Gespräch zu kommen. Ich denke, das Wichtigste ist, erst einmal allen Seiten zuzuhören und dann zu versuchen, Brücken zu bauen. 

Das Verhältnis zwischen christlichen und muslimischen Schülerinnen sehe ich hier an der Schule aber nicht als belastet an. Im Gegenteil. Wir haben eigentlich ein sehr schönes Miteinander. Natürlich gibt es Diskussionen, das ist keine Frage. 

DOMRADIO.de: Keine der Konfliktparteien im Nahen Osten scheint zurzeit zum Einlenken bereit zu sein, weder die Hamas, noch Israel, noch die Hisbollah oder der Iran. Wo sehen Sie da überhaupt noch die Möglichkeit zur Intervention? 

Bäumer: Politik ist hier nicht meine Aufgabe. Unsere Aufgabe ist es, uns um die Mädchen und diese Schule zu kümmern. Wir haben eine Hoffnung und für die stehen wir ein, für die beten wir. Wir haben einen Missionsstandpunkt und das bedeutet, dass wir uns für christliche Werte einsetzen. Das heißt auch für demokratische Werte. Unser Traum wäre es, Brückenbauer zu sein. 

Kardinal Woelki hat es zuletzt in seiner Ansprache bei der Messe im Kölner Dom sehr schön auf den Punkt gebracht: Es ist ein Traum, und wir träumen diesen Traum natürlich auch. Er ist aber auch mit der Hoffnung verbunden, dass daraus Realität wird. Vielleicht gelingt es uns eines Tages, auch als Schule unseren Beitrag zu leisten, dass es zwischen Palästinensern und Israelis durchaus friedliche Zugänge des Miteinanders gibt und nicht des Gegeneinanders. Wir wollen keine Konflikte aufbauen, wir wollen keine Ideologien unterstützen, sondern wir wollen das Miteinander stärken im christlichen Geist. Das ist unsere Mission und unsere Aufgabe hier. 

Das Interview führte Katharina Geiger.

Katholische Schmidt-Schule Jerusalem

Jerusalem – Die Heilige Stadt für drei Weltreligionen: Christentum, Judentum und Islam. Dort, wo diese Religionen direkt aufeinandertreffen, liegt eine einzigartige Schule: die Schmidt-Schule.

Die Schmidt-Schule wurde 1886 als private Mädchenschule in katholischer Schulträgerschaft gegründet und ist heute in der Trägerschaft des Deutschen Verein vom Heiligen Land (DVHL).

Mädchen der katholischen Schmidt-Schule in Jerusalem während einer Pause im Jahr 2009.  (KNA)
Mädchen der katholischen Schmidt-Schule in Jerusalem während einer Pause im Jahr 2009. / ( KNA )
Quelle:
DR