DOMRADIO.DE: Am Sonntag gab es einen Festgottesdienst mit Weihbischof Eberlein zur Gründung der bisher größten Pfarrei im Erzbistum Hamburg. Da wurde in Güstrow die Pfarrei "Heilige Familie" gegründet. Ihr Raum umfasst Güstrow, Bützow, Teterow und Matgendorf und Umgebung. War das ein schöner Grund für Sie zu feiern?
Pfarrer Tobias Sellenschlo (Pfarrei Heilige Familie in Güstrow, Bützow, Teterow und Matgendorf): Es war ein richtig schöner Grund zu feiern. Erstens war das Wetter gut. Das hat vieles unterstützt, dass wir schön feiern konnten. Die Musik war schön. Es waren viele Leute aus allen Bereichen der neuen Pfarrei gekommen, also Leute, die ich sonst über Wochen verteilt an verschiedenen Orten sehe, konnte ich jetzt auch mal nach langer Corona-Zeit auf einem Haufen sehen. Wir haben draußen gefeiert, dadurch kamen wir mit den Corona-Regeln ganz gut klar.
Ich habe am Samstagabend die Kirchenbücher der alten Pfarreien alle geschlossen. Das war ein komisches Gefühl, nach über 100 Jahren den Strich drunter zu ziehen. Insofern war es schön, am Sonntag den Neubeginn zu feiern.
DOMRADIO.DE: Die bisherigen katholischen Pfarreien in den mecklenburgischen Städten Güstrow, Bützow, Teterow und Matgendorf sind jetzt zur zur Pfarrei Heilige Familie verschmolzen. Warum war dieser Schritt denn notwendig?
Sellenschlo: Im Erzbistum ist vor gut elf Jahren mit Blick auf die zurückgehenden Zahlen der Gläubigen, aber auch mit Blick auf die zurückgehende Zahl der Priester und der pastoralen Mitarbeiterinnen begonnen worden, die einzelnen Pfarreien zu pastoralen Räumen zusammenzuführen, die miteinander kooperieren, die sich noch einmal über ihren pastoralen Auftrag klar werden, sich im Sozialraum orientieren.
Es war von Anfang an klar, dass am Ende dieses Prozesses auch eine verwaltungstechnische Einheit in Form einer Kirchengemeinde oder Pfarrei stehen soll.
DOMRADIO.DE: Das ist jetzt passiert. Wie nehmen die Menschen in den einzelnen Pfarreien das wahr?
Sellenschlo: Ich würde sagen, am Anfang war das sehr abwartend, auch angstbesetzt, dass jetzt alles zentralisiert wird, dass die Entfernungen noch größer werden. Wir haben in dieser Woche auf zehn Jahre Kreisgebietsreform in Mecklenburg zurückgeschaut. Das war die Blaupause, auf der das von vielen gedacht wurde. Es wird jetzt alles schwieriger, noch weniger erreichbar.
Wir haben im Laufe der vier Jahre dieses Prozesses auch deutlich gemacht, dass wir weiter vor Ort bleiben. Wir versuchen ein dezentrales Modell der Pfarrei-Organisationen zu etablieren. Das hat viele auch dadurch beruhigt, dass wir viel in Kontakt getreten sind.
DOMRADIO.DE: Was passiert an diesem ersten Tag der neuen Pfarrei? Was haben Sie heute zu tun?
Sellenschlo: Ich habe heute nichts zu tun. Ich werde mich gleich, weil das Wetter schön ist, ins Auto setzen und an die Ostsee fahren. Der Verwaltungskoordinator setzt sich heute Vormittag mit den Pfarrsekretärinnen zusammen und plant jetzt die neuen Schritte und das, was verwaltungstechnisch jetzt anlaufen muss.
DOMRADIO.DE: Ihr Team besteht aus zwei Gemeindereferentinnen und drei Priestern. Kommen Sie damit hin?
Sellenschlo: Ja und nein. Die Fläche ist riesig. Wir haben von den beiden Punkten im Südwesten bis in den Nordosten über 100 Kilometer Strecke, die man im Pfarreigebiet zurücklegen kann, und 14 Kirchen und drei Kapellen noch dazu. Orte, an denen Gottesdienste gefeiert werden, wo Menschen leben. Das ist schwierig, da Kontakt aufzubauen, Beziehungen aufzubauen.
Umgekehrt ist es so, dass werden die wissen, die in großen Pfarreien sind, dass die Zahl der Kasualien, der Taufen, der Trauungen, der Beerdigungen, bei 4.000 Katholiken etwas überschaubar sind. Das ist händelbar.
DOMRADIO.DE: Im Vergleich zu Ihnen in Mecklenburg-Vorpommern ist das Erzbistum Köln mit vielen Katholiken gesegnet. Wie ist das mit dem eigenen Wunsch, möglicherweise mal eine Stelle als leitender Pfarrer in Köln zu haben?
Sellenschlo: Ich habe in Neuss Abitur gemacht, im Collegium Marianum und im Spee-Kolleg. Ich kenne das Erzbistum Köln. Ich kenne aus der Zeit eine ganze Reihe Priester und höre auch von deren Situation in den großen Gemeinden vor Ort.
Ich habe am Samstag per Livestream an der Einführung von Tobias Hopmann in Euskirchen teilgenommen. Mein Bedürfnis, dahin zu gehen, ist nicht da, weil ich auch vor vielen Jahren entdeckt habe, dass ich ein anderes "Platt" als die Menschen im Rheinland spreche.
Und umgekehrt würde ich eher sagen: Wer Interesse hat, eine kleine Kirche, eine aktive Kirche in einem völlig säkularen Umfeld zu erleben, darf gerne vier Wochen Praktikum bei uns in der Pfarrei machen.
Das Interview führte Carsten Döpp.