Was ist nur los im Südsudan? Selbst Experten treibt die verworrene Lage inzwischen Schweißperlen auf die Stirn. Seit 2013 tobt ein Machtkampf zwischen Präsident Salva Kiir und seinem bisherigen Vize Riek Machar in dem afrikanischen Land, das 2011 seine Unabhängigkeit vom Sudan erlangte und seither gerne als "jüngste Republik der Welt" bezeichnet wird. Inzwischen, so scheint es, hat sich der Konflikt verselbstständigt. Er sehe weniger einen direkten Zwist zwischen Kiir und Machar, sagte Helfer Sebastian Kämpf der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
"Die Fäden werden eher im Hintergrund gezogen. Einige aus dem Präsidentenlager wollen Unterstützer von Machar auf ihre Seite ziehen. Was dadurch erleichtert wird, dass in der Gruppe von Machar ein Richtungsstreit tobt." Am vergangenen Wochenende kam dann die Nachricht, Bergbauminister Taban Deng Gai werde die Funktionen von Machar übernehmen.
Friedensvertrag nur noch Makulatur?
Der Vize entmachtet, der Präsident als Marionette seines Umfelds? Genaues lässt sich schwer ergründen. Der vor ziemlich genau einem Jahr geschlossene Friedensvertrag, der beide Seiten erneut an der Macht beteiligte, ist offenbar nur noch Makulatur. Dass die Vereinbarungen ohnehin auf brüchigen Fundamenten standen, zeigten spätestens die Anfang des Monats aufgeflammten Kämpfe, die wieder einmal abertausende Südsudanesen in die Flucht trieben - und zahlreiche ausländische Organisationen dazu brachten, ihre Mitarbeiter abzuziehen. Darunter auch Kämpf, der zuletzt als Berater und Caritas-Koordinator im Bistum Wau arbeitete und Projektpartner des Kindermissionswerks "Die Sternsinger" und von Misereor ist.
Nothilfe eingeschränkt
Zehn Organisationen, darunter Care, der Jesuit Refugee Service und Oxfam, gingen am Donnerstag mit einem dramatischen Appell an die Öffentlichkeit. Millionen Menschen müssten dringend versorgt werden. "Wenn sich die Sicherheitslage noch weiter verschärft, wird es logistisch unmöglich, die Nothilfe aufrechtzuerhalten", so der zuständige Oxfam-Landesdirektor Zlatko Gegic. In einem Land, in dem es nur 200 Kilometer asphaltierte Straßen gebe, bedeuteten anhaltende Kämpfe und zusätzliche Einschränkungen der Binnenflüge, dass Hilfsorganisationen sich nicht mehr ungehindert bewegen und ihre Hilfe dorthin bringen könnten, wo sie benötigt werde.
Unterdessen sind bei Regierungstruppen und Rebellen, folgt man einem zeitgleich veröffentlichten Papier von Amnesty International, schon längst sämtliche Hemmungen gefallen. In dem 54-seitigen Bericht kommen 71 Zeugen zu Wort, die über Gruppenvergewaltigungen durch Soldaten und willkürliche Ermordungen berichten. Kinder und ältere Menschen seien bei lebendigem Leib in ihren Häusern verbrannt worden. Die Vorfälle betreffen die zweite Jahreshälfte 2015. Angesichts der jüngsten Zuspitzung des Konflikts sei aber davon auszugehen, dass die Gewalt gegen Zivilisten weitergehe.
Diebstahl und Plünderung von Hilfsgütern
Damit nicht genug: Am 13. Juli wurde, wie Oxfam und die anderen Organisationen berichten, ein Lager des Welternährungsprogramms (WFP) geplündert und 4.500 Tonnen an Nahrungsmitteln gestohlen - 220.000 hilfsbedürftige Menschen hätten damit einen Monat lang unterstützt werden können. Büroausstattung, Treibstoffvorräte und Fahrzeuge verschwanden ebenfalls - insgesamt ein Verlust von schätzungsweise 20 Millionen US-Dollar.
Für Helfer Kämpf Symptome einer grundsätzlich verfahrenen Situation: Ein Problem sei eine hohe Militarisierung und ein weit verbreitetes Streben nach mehr oder weniger einflussreichen Posten. So habe der Südsudan mit seinen rund zwölf Millionen Einwohnern mehr als 600 Generäle.
Gleichzeitig weise das Land die höchste Analphabetenrate der Welt auf, und damit auch "Massen an leicht verführbaren, hungrigen jungen Männern, die um ihr eigenes Überleben und das ihrer Familien kämpfen". Diese liefen jedem hinterher, "der ihnen ein wenig Geld oder aber die Chance zum ungestraften Plündern und Vergewaltigen bei den Angehörigen des jeweils anderen Lagers bietet". Ein Teufelskreislauf.