DOMRADIO.DE: Warum vergoldet man Kelche und andere liturgische Geräte? Ist das reine Protzerei oder steckt da eine andere Aussage hinter?
Prof. Dr. Alexander Saberschinsky (Liturgie-Referent des Erzbistums Köln): (lacht) Protzerei? Vielleicht im positiven Sinne.
Nein, dahinter steckt eigentlich eine ganz natürliche Regung, dass man nämlich Dinge, die für einen gefühlt wertvoll sind, auch rein äußerlich wertvoll ausgestaltet. Die liturgischen Geräte wie der Kelch, aber auch die Hostienschale oder eine Monstranz kommen ja mit dem in Berührung, was wir in unserer Tradition das Allerheiligste nennen. Ich benutze bewusst diesen Begriff, um zu zeigen, wie hoch gehangen das ist.
Dann ist natürlich klar, dass man die Hostie nicht auf eine Untertasse legt, sondern auf ein ganz besonderes Gefäß - in dem Fall eine Hostienschale, die aus einem kostbaren Material ist. Das gleiche gilt für den Wein, der sich in das Blut Jesu Christi wandelt.
DOMRADIO.DE: Gibt es denn Vorschriften über Beschaffenheit und Materialeigenschaften von Gewändern, Kelchen und anderen Dingen, die im Gottesdienst benutzt werden?
Saberschinsky: Die gibt es tatsächlich. Wenn man allerdings in die offiziellen liturgischen Bestimmungen schaut, so sind diese erfrischend nüchtern. Hier wird gar nicht zu Protzerei aufgerufen, eher im Gegenteil. Man sagt, die Gefäße sollen der jeweiligen kulturellen Tradition entsprechen.
Aber es werden auch Kriterien aufgestellt, was mit der Umschreibung "nüchtern" gemeint ist. Es heißt, die Materialien, aus denen dann im Rahmen der jeweiligen kulturellen Traditionen ein Gerät hergestellt wird, sollen edel sein, weil sie etwas Kostbares aufnehmen sollen. Außerdem sollen sie haltbar und für den "gottesdienstlichen Gebrauch" geeignet sein.
Was "edel" ist, müsste dann jede Kultur für sich bestimmen. "Haltbar" heißt natürlich, dass die Geräte eine Zeit lang halten sollten und keine Einwegprodukte sind. Was für den "gottesdienstlichen Gebrauch" geeignet ist, muss man in Bezug auf das einzelne Gefäß noch einmal genauer beurteilen. Eine Hostienschale beispielsweise müsste so groß sein, dass alle Hostien für die Mitfeiernden hineinpassen.
Für den Kelch heißt "für den gottesdienstlichen Gebrauch geeignet", dass er aus einem Material besteht, das es zumindest oben in der sogenannten "Cuppa" die Flüssigkeit, die oben reinkommt, nicht absorbiert. Das heißt, in einer bestimmten Tradition könnte ein Kelch aus kostbarem Holz ein edles Material sein. Das wäre aber nicht geeignet, weil er halt auch die Flüssigkeit aufsaugen würde. Deswegen gibt es die Bestimmung, dass in diesen Fällen die Innenseite noch einmal vergoldet sein soll.
Man hat also insgesamt zwar eine Präferenz für Gold. Das muss ich schon zugeben. Das wird auch ausdrücklich erwähnt, wenn man sich die Formulierung "in der Regel vergoldet" anschaut. Aber man ist auch offen für andere Formen.
DOMRADIO.DE: Die Kirche ist nicht überall so reich wie in Deutschland. Wie regeln denn andere Länder oder andere Kulturen die Materialfrage bei liturgischen Geräten?
Saberschinsky: Ich weiß nicht, wie weltweit die Kelche im Einzelnen aussehen. Aber von Bildern kennt man beispielsweise schwarze Holz-Kelche, die dann aber in der Regel auch innen vergoldet sind. Neulich habe ich auf einem Bild auch einen sehr schön aussehenden Ton-Kelch gesehen, der aber auch von innen vergoldet war. Das zeigt, dass durchaus andere Materialien möglich sind.
Das kann man auch beobachten, wenn es einfach praktisch sein muss. Ich denke zum Beispiel an den Weltjugendtag. Da mussten ja viele hunderte Kelche und Hostienschalen hergestellt werden. Da hat man dann auch nicht geprotzt, tief die Tasche gegriffen und alles vergoldet, sondern sehr schlicht, aber edel aussehende Gefäße aus Edelstahl bereitgestellt. Das ist also grundsätzlich auch möglich.
DOMRADIO.DE: Der Leiter des Netzwerks "Kirche und Bergbau", der brasilianische Pater Dario Bossi, forderte bereits mehrfach, keine neuen goldenen liturgischen Geräte mehr anzuschaffen. "Für ein Gramm eines Goldrings muss man 20 Tonnen Erde verunreinigen", sagte er vergangene Woche bei einer Tagung in Würzburg zur Amazonas-Synode. 20 Tonnen Erde, die für ein Gramm Gold verunreinigt werden, sind schon sehr viel. Müsste man nicht angesichts der Umweltfragen neu über die Verwendung von Gold auch in der Kirche nachdenken?
Saberschinsky: Nachdenken auf jeden Fall. Schwierigkeiten hätte ich, wenn wir jetzt sagen würden, wir machen hier einen Cut, einen Bruch und nun sei Schluss mit Gold. Wenn von heute auf morgen ein Dekret aus Rom oder vom Erzbischof käme, dass Gold-Kelche sofort verboten seien, wäre das ein Bruch mit dem, was vorher mit dieser kulturellen Tradition beschrieben wurde. In unserer Kultur hat Gold halt diesen Stellenwert. Gerade mit Gold-Gefäßen können wir diese Kostbarkeit zum Ausdruck bringen.
Wenn jetzt neue Gesichtspunkte wie die Umweltverschmutzung oder ethische Fragen im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen hinzukommen, dann müsste man noch einmal einen Denkprozess in Gang setzen, wie wir darauf reagieren. In anderen Fällen tun wir das. Es gibt zum Beispiel in den Musterordnungen für kirchliche Friedhöfe sowie im NRW-Landesgesetz die Bestimmung, dass es keine Grabdenkmäler oder Grabsteine aus Kinderarbeit geben darf. In diese Richtung könnte man dann vielleicht auch bei den liturgischen Gefäßen denken. Also, woher das Gold kommt. Vielleicht gibt es so etwas wie fair gehandeltes Gold, was ich nicht weiß. Oder dass man genau schaut, wo dieses Gold gewonnen worden ist.
Man kann natürlich auch in den Blickpunkt nehmen, dass jeder Priester in der Regel seinen eigenen Kelch hat. Das ist auch nachvollziehbar, denn es ist ja einer der wichtigsten Punkte im priesterlichen Leben, die Eucharistie zu feiern. Dass man zur Primiz, zur ersten Messe seinen eigenen Kelch geschenkt bekommt, ist nachvollziehbar. In diesem Beispiel sammelt sich insgesamt natürlich eine gewisse Anzahl von Kelchen an. Vielleicht wäre es auch eine Option, mal zu überlegen, ob man sich nicht bewusst für einen alten Kelch entscheidet, mit dem schon ein Priester vorher zelebriert hat, bevor man sich wieder einen neuen machen lässt.
DOMRADIO.DE: Haben Sie denn persönlich einen Wunsch, welche Stoffe oder Materialien Sie mehr im Gottesdienst sehen wollen?
Saberschinsky: Für ein bestimmtes Material habe ich keine Präferenz. Aber ich würde mir schon manchmal wünschen, dass wir etwas Neues ausprobieren. Ich will gar nicht weg von diesen innen vergoldeten Kelchen.
Ich knüpfe noch einmal an den Begriff kulturelle Tradition an. Tradition heißt ja nicht, dass wir einfach das einfrieren und ewig weiter transportieren, was wir früher hatten, sondern eine Tradition beinhaltet auch eine gewisse Entwicklung. So sollten wir einmal versuchen, neue Ausdrucksformen für die liturgischen Geräte zu finden.
Ich finde es nicht so glücklich, wenn wir einfach nur historische Formen zitieren und dann wieder nur Kelche wie in der Gotik oder wie im Barock machen, sondern wir sollten heute unsere eigenen Formen finden. Dann können es auch mal andere Materialien sein, gemäß der Bestimmungen, die ich genannt hatte.
Das Interview führte Martin Bornemeier.