Die Kirchen-Beauftrage der Union im domradio zur Partei-Kritik von Kardinal Meisner

"Driften nicht auseinander"

Die durch ein Interview Kardinal Meisners im Magazin "Capital" neu entfachte Diskussion um das christliche Leitbild der Unionsparteien hat an Schärfe verloren. Der Pressesprecher des Erzbischofs, Stephan Georg Schmidt, betonte gegenüber dem domradio, dass Meisner mitnichten behauptet habe, die C-Parteien seien nur noch bedingt wählbar. Dieser Eindruck war durch Vorabmeldungen entstanden. Die Kirchenbeauftragte der Union, Ingrid Fischbach, sagt im domradio, Kirche und Union drifteten nicht auseinander.

 (DR)

Die Katholikin Fischbach bedauert im Interview, dass von Seiten Meisners das Gespräch nicht gesucht werde. Mit anderen Bischöfen und der Deutschen Bischofskonferenz fänden Gespräche statt, "der Austausch ist da und der ist richtig und wichtig und wird auch zukünftig da sein." Fischbach sieht zudem viele Gemeinsamkeiten zwischen Kirche und Union: "Ich glaube, wir sind schon bei den wichtigen Fragen, bei denen es um Ethik, Würde und Lebensschutz geht, sehr stark aufeinander angewiesen und bisher klappt es wirklich gut. Wir arbeiten sehr gut zusammen wir unterstützen uns gegenseitig."

Allerdings müsse auch bedacht werden, dass das "C" im Parteinamen nicht für "katholisch" sondern für "christlich" stehe und dass auch viele Protestanten in der Partei seien. Und wenn sich bei Themen wie der embryonalen Stammzellforschung die beiden großen Kirchen nicht einig seien, spiegele sich das auch in der Partei wider.

Warnung vor "Entwurzelung"
Der Kölner Erzbischof Joachim Meisner war in dem am Donnerstag erschienenen Interview des Wirtschaftsmagazins erneut auf Distanz zur CDU gegangen. Der Kardinal kritisierte, die CDU entwurzele sich "bei christlich denkenden Menschen zunehmend selbst". Er fügte hinzu: "Beim derzeitigen Zustand der Parteien gibt es keine, die uns besonders nahe steht."

Meisner betonte mit Blick auf die Stammzellen-Debatte, er nehme das "C" im Firmenschild der Union sehr ernst. Die Wahlentscheidung müsse "natürlich jeder mit seinem Gewissen vereinbaren". Auch in Bayern ist nach Ansicht des Erzbischofs die Welt für die katholische Kirche nicht in Ordnung. Er sagte: "Seit ich ein bisschen die Szenerie in Bayern kenne, bin ich ernüchtert. Das barocke Gehäuse täuscht über manche Hohlheit hinweg." Dies gelte allerdings nicht nur für die CSU. Vielmehr habe er sich den Katholizismus im Freistaat allgemein stärker vorgestellt.

Meisner lobte zugleich, zu seiner Berliner Zeit sei das Verhältnis zum damaligen SPD-Senat "unverkrampft" gewesen. Auch in Nordrhein-Westfalen habe es mit den früheren SPD-Ministerpräsidenten Johannes Rau und Peer Steinbrück eine gute Zusammenarbeit gegeben.

Scharfe Kritik übte der Kölner Erzbischof angesichts der Debatte um die Bezahlung von Führungskräften in der Wirtschaft. "Manch extrem hohe Managervergütung verstößt gegen die guten Sitten. Dafür müssen sich diejenigen schämen, die das annehmen und ihre soziale Verantwortung dabei vergessen." Vielleicht, so Meisner im Capital-Gespräch weiter, könne die Einführung von Höchstgrenzen bei Managergehältern hier helfen.

Damit das Wirtschaftssystem insgesamt seiner sozialen Verpflichtung gerecht werden kann, fordert Meisner starke und partnerschaftliche Gewerkschaften. Gleichzeitig verteidigt der Kölner Kardinal die Bestrebungen der katholischen Kirche, Personalkosten zu sparen.

CDU weist Kritik zurück
Der Vizechef der Unions-Fraktion im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), hatte die Kritik zurückgewiesen. Er sagte der Kölner Zeitung "Express": "Solche pauschalen Äußerungen sind für diejenigen in der Union, die sich redlich und nicht erfolglos darum bemühen, christlichen Positionen Geltung zu verschaffen - zum Beispiel beim Thema Lebensschutz - nicht besonders hilfreich."

Bosbach fügte hinzu, in der Politik befinde man sich in einem ständigen Abwägungsprozess und müsse oft Kompromisse schließen. Die Kirche habe dagegen den Vorteil, dass sie "ihren Glaubensüberzeugungen völlig unbeeinflusst treu bleiben kann".

Der kulturpolitische Sprecher der nordrhein-westfälischen CDU-Landtagsfraktion, Thomas Sternberg, warf Meisner im Kölner Stadt-Anzeiger ein Fremdeln mit der Demokratie vor. "Auch 20 Jahre nach dem Fall der Mauer ist Kardinal Meisner immer noch nicht im Westen angekommen", sagte Sternberg, der dem "Zentralkomitee der deutschen Katholiken" angehört.

Der CDU-Rechtsexperte, Norbert Geis, hatte hingegen in der «Passauer Neuen Presse» gefordert, das «C» in der Partei wieder stärker zu betonen. Ebenso zeigte der CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe Verständnis für die Kritik des Kardinals. Er könne verstehen, dass die Kirche etwa in der Stammzelldebatte enttäuscht sei über die CDU.

Steter Mahner
Zuletzt hatte Meisner die von der Union mitgetragene Bundestagsentscheidung zur Ausweitung der Forschung an embryonalen Stammzellen scharf kritisiert. "Heute ist ein schwarzer Tag für unser Land und für unsere Gesellschaft", sagte der Erzbischof im April. Und weiter: "Ich bin fassungslos, dass eine Regierung unter der Führung einer Partei, die das christliche C in ihrem Namen trägt, so unverantwortlich mit dem menschlichen Leben umgeht." Viele Menschen hätten damit ihre politische Heimat verloren.

In einem Interview mit dem Deutschlandfunk kritiserte Meisner indirekt auch Bundeskanzlerin Merkel, die sich für eine Stichtagsverschiebung ausgesprochen hatte: "Die Bundeskanzlerin sagte, der Artenschutz im Hinblick auf die Tiere ist Chefsache und sie fügte hinzu, wenn wir mit der Schöpfung nicht gut umgehen, schlägt das auf uns selbst zurück. Sie hat völlig Recht, aber sie darf dabei die Krone der Schöpfung, den Menschen, nicht ausklammern: Der Embryonenschutz ist gleichsam der Test, wie die regierungstragenden Parteien mit der Schöpfung umgehen. Danach werden wir sie beurteilen."

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