DOMRADIO.DE: Was war Ihr Eindruck von Myanmar?
Nadim Ammann (Leiter der Diözesanstelle Weltkirche-Weltmission im Erzbistum Köln): Der allgemeine Eindruck ist ganz unerwartet. Man trifft in Yangon eigentlich auf eine Stadt, in der man als Ausländer so gut wie nichts von dem Putsch merkt. Die Straßen sind voll mit Autos, die Menschen gehen einkaufen. Man sieht, das eine oder andere Restaurant ist gut besucht. Das ist recht normal. Aber wenn man sich dann mit den Leuten unterhält, merkt man, dass überhaupt nichts normal ist.
DOMRADIO.DE: In Myanmar gibt es eine Million Binnenflüchtlinge. Sie waren unter anderem beim Jesuitenflüchtlingsdienst vor Ort. Der versucht zu helfen. Welche Nöte haben die Menschen?
Ammann: Mit dem Flüchtlingsdienst der Jesuiten haben wir schon seit vielen Jahren eine gute Zusammenarbeit. Damals ging es um 300.000 Binnenflüchtlinge. Jetzt sind es eine Million Menschen. Es geht einfach darum, die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen. Das sind zunächst einmal Lebensmittel und Medizin. Uns ist aber auch ganz wichtig, dass den Kindern in der Situation irgendwie noch eine Schulbildung zugutekommt. Auch wenn man im Dschungel im Zelt ist, ist die Schulbildung noch irgendwie möglich, weil die Lehrer ja mit geflohen sind. Das ist eben auch Teil des Programms.
Man darf nicht vergessen, dass die Schulen zwei Jahre wegen der Pandemie geschlossen waren. Jetzt schließt sich das dritte Jahr an. Das ist ganz wichtig neben der ganzen Notversorgung. Was man dazu noch erwähnen muss: Die Leiterin des Programms lebt auch in Loikaw und ist genauso betroffen wie alle anderen auch. Auch sie musste mit ihrer Familie fliehen und hat auch eine Zeit lang im Wald gelebt, bis sie dann vor einiger Zeit wieder zurück in ihr Haus ziehen konnte.
DOMRADIO.DE: Die Menschen müssen es irgendwie alles verarbeiten und auch durchstehen. Dafür braucht man einen starken Glauben. Die Religionsfreiheit in Myanmar ist unter Druck. Wie geht es den Christen da?
Ammann: In Loikaw im Staat Kayah sind 20 Prozent der Menschen katholisch. Dort ist damit eigentlich auch die große Mehrheit der Katholiken überhaupt in Myanmar. Wir haben dort auch mit einem unserer Partner sprechen können – und die Situation ist grausam. Wir können uns das hier gar nicht vorstellen.
Wir kennen ja die ganze Problematik der Rohingya, das ist die muslimische Bevölkerung im Süden des Landes, aber eigentlich haben alle Ethnien, die nicht zu den Burmesen gehören, ein Problem. Da ist es egal, ob man buddhistisch, muslimisch oder christlich ist, alle haben da ein Problem. Das ist im Staat Chin so, aber auch in Kachin, in Kayah und weiteren. In der Diözese Loikaw sind von 41 Pfarreien 16 dem Erdboden gleichgemacht worden.
DOMRADIO.DE: Gemeinsam mit dem Partnerbistum Tokio wollen Sie in Myanmar helfen. Was haben Sie vor?
Ammann: Seit fast 70 Jahren gibt es jetzt die Zusammenarbeit mit Tokio. Das ist eine sehr schöne Partnerschaft. Das Partnerbistum Tokio ist schon seit Langem in Myanmar aktiv und hat uns eingeladen, da mitzumachen. Und wir haben schon das eine oder andere in der Priesterausbildung gemacht, sehen aber gerade, dass die Schwerpunkte eigentlich woanders sind.
Wir haben auch schon Notprogramme zusammen gemacht und wollen da noch mehr machen, unter anderem auch eine zusätzliche Flüchtlingsunterkunft in der Erzdiözese Mandalay. Da haben wir eine Einrichtung besucht, wo sich 500 Flüchtlinge aufhalten. Wahrscheinlich werden in den nächsten Jahren noch zusätzliche Menschen aufgenommen werden müssen. Dafür wollen wir ein Gebäude bauen, um weitere Flüchtlinge aufnehmen zu können.
Das Interview führte Katharina Geiger.