Nancys ehemalige Schule ist in wenigen Tagen nur noch Geschichte. Ende Juni schließt die renommierte "Notre Dame"-Mädchenschule in Baltimore ihre Klassenzimmer - nach 173 Jahren. Nancy, mit Familiennamen Pelosi, ist heute Spitzenpolitikerin und Sprecherin des US-Repräsentantenhauses. Die Demokratin bedauert das jähe Ende auch deshalb, weil schon ihre Mutter die Schule besuchte.
Im ganzen Land betrauern ehemalige und aktive Schüler den rasanten Exodus katholischer Bildungseinrichtungen. Mindestens einhundert
Schulen werden nach den Sommerferien nicht wieder öffnen, schätzt die "National Catholic Education Association" (NCEA). Das sind innerhalb weniger Monate so viele Schulschließungen wie im gesamten vergangenen Jahr.
Ein Trend, der auch, aber nicht nur auf die Pandemie zurückzuführen ist. Corona beschleunigt das Tempo immens. In diesem Jahr wird die Zahl katholischer US-Schulen auf rund 6.000 zurückgehen. 1970 zählten sie laut katholischem Bildungsverband noch mehr als 11.000. Die Zahl der Einschreibungen liegt nur noch bei 1,7 Millionen gegenüber mehr als fünf Millionen in den 1960er Jahren.
Ein Drittel aller US-Privatschulen ist in katholischer Trägerschaft
Wenn sie nicht mehr unterrichten, erhöht das den Druck auf öffentliche Schulen, die Schüler aufzunehmen. Daraus ergibt sich ein Mehrbedarf von rund 125 Millionen US-Dollar für die Steuerzahler, wie das CATO-Institut errechnet hat.
Die Abhängigkeit vom Schulgeld ist die Achillesferse der Einrichtungen: 75 bis 95 Prozent der Budgets werden von Schulgebühren der Eltern gedeckt. Bei inzwischen rund 40 Millionen Arbeitslosen wird eine katholische Privatschule für viele zur Utopie.
Durchschnittliche Jahreskosten von rund 6.000 Dollar für eine Grund- und mehr als 15.000 Dollar für eine Highschool fallen dann der Streichliste bei den Haushaltsausgaben oft als erstes zum Opfer.
Besonders Minderheiten betroffen
Besonders schmerzlich ist der finanzielle Niedergang katholischer Schulen auch mit Blick auf die sozialen Auswirkungen. Die afro- und lateinamerikanische Bevölkerung aus einkommensschwächeren Familien ist davon vor allem betroffen, so NCEA Chief Innovation Officer, Kevin Baxter. Denn katholische Einrichtungen nehmen überproportional viele Schüler von Minderheiten auf - laut NCEA 20 Prozent, nicht selten finanziert durch Stipendien.
Dabei ist die Leistungsbilanz katholischer Schulen imponierend. 99 Prozent der Absolventen legen nach den Zahlen von 2016 pünktlich ihren High School-Abschluss ab, 86 Prozent besuchen anschließend ein College.
Diözesen suchen nach finanziellen Auswegen
Die Diözesen suchen nun fieberhaft nach kreativen Auswegen, um Kosten zu sparen. Zum Beispiel durch Kürzungen bei den Personalausgaben.
Doch die Pandemie bringt zusätzliche Belastungen. Die Ausgaben für notwendige Schutzmaßnahmen verschärfen den Existenzkampf. Hinzu kommt der Verlust an Schulgebühren, weil wegen des Gebots der sozialen Distanzierung nur weniger Schüler aufgenommen werden können.
Die Hoffnung auf staatliche Unterstützung liegt derzeit auf Eis. Die Ankündigung von Bildungsministerin Betsy DeVos, private Schulen aus dem Corona-Hilfstopf zu bedienen, stößt im Kongress auf überparteilichen Widerstand; Bevorzugung von Eliteschulen, so der Vorwurf der Kritiker.
Historische Benachteiligung katholischer Schulen
Hinzu kommt eine Benachteiligung katholischer Schulen, die in das Jahr 1875 zurückreicht, als der republikanische Abgeordnete James G.
Blaine versuchte, katholische Bildungseinrichtungen von der Unterstützung aus Steuermitteln auszuschließen. Seine angestrebte Verfassungsänderung - das sogenannte "Blaine-Amendment" - scheiterte zwar auf Bundesebene, doch 37 Teilstaaten setzten sie bei sich um.
Ein "schändliches Erbe der antikatholischen Bigotterie in diesem Land", kritisierte dies der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Erzbischof Jose Gomez vergangene Woche auf Youtube. Eine Mutter aus Montana hat dagegen geklagt, der Supreme Court hörte im Januar dazu die mündlichen Argumente und will in Kürze urteilen.
Dann dürfte es aber für viele katholische Schulen bereits zu spät sein. Die Ankündigung des Endes der "Notre Dame"-Mädchenschule kam ohne Vorwarnung. Bemühungen von Ehemaligen, die Schule noch zu retten, scheiterten. Was bleibt, ist die Erinnerung. Die "heiße Schokolade nach der Messe", so Nancy Pelosi, werde sie nie vergessen.