"Man sammelt zu viel und wirft zu wenig weg." Diese Erfahrung macht gerade auch der Abt des niederbayerischen Klosters Metten. Seit 1989 steht Wolfgang Hagl an der Spitze des Konvents. Derzeit ist er am Ausmisten.
Denn am 1. Juni wird der Benediktiner 70 Jahre alt. Dem Nachfolger Platz zu machen, heißt für ihn auch, in ein kleineres Zimmer umzuziehen. Zeit zu reflektieren, was in den vergangenen Jahres alles so passiert ist. "Man stößt auf vieles, was man längst vergessen hatte."
Leitung mit Mitte 30
Mitte 30 war Hagl, als er die Verantwortung schultern musste, ab sofort einen Konvent zu leiten. Als Leitwort wählte er sich ein Zitat aus dem Prolog der Benediktregel: "Unter der Führung des Evangeliums". Miteinander aus dem Wort Gottes leben, sei ihm immer wichtig gewesen, sagt er, das habe ihn und auch die Gemeinschaft getragen.
Hagl stammt aus einer Hopfenbauer-Familie aus der Hallertau. Der Vater starb früh. Gleich nach dem Abitur am Ingolstädter Canisiuskonvikt trat sein Sohn ins Kloster ein. Die Benediktiner hatte er über die Marianische Schülerkongregation kennengelernt.
Glück ist ein "Aperitif für die Ewigkeit"
Vorbild in spiritueller Hinsicht war ihm sein einstiger Internatsdirektor – ein "geistlicher Erlebnispädagoge", wie Hagl noch heute schwärmt. Nie habe er es bereut, Mönch geworden zu sein.
Wann immer Menschen fragten, ob er denn zufrieden mit seiner Lebensentscheidung sei, habe er ohne Zweifel "Ja" sagen können. "Den inneren Frieden zu finden, ist mir wichtig geworden." Dabei gab es immer wieder Momente des Glücks. Aber Glück sei kein Dauerzustand, sondern ein Geschenk; nicht machbar, nicht planbar, sondern letztlich wie ein "Aperitif für die Ewigkeit".
Doch die Aufgaben als Chef eines Klosters mit seiner berühmten barocken Bibliothek und Kirche samt alten Gebäuden und Schule sind nicht ohne. Über Jahre wurde die Anlage saniert. Pünktlich zum Fest anlässlich des 1.250-jährigen Bestehens erstrahlte sie 2016 in neuem Glanz.
Viel Prominenz kam zum Mitfeiern, auch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Hagl nutzte die Gunst der Stunde, auf "geschmeidige Art", wie es der Politiker ausdrückte, für sein Anliegen zu werben. Denn die Mönche wollten den Freistaat dafür gewinnen, im ehemaligen Ökonomietrakt einen Ableger der Technischen Hochschule (TH) Deggendorf einziehen zu lassen.
Junge Menschen seien eine Chance
Seine Juristen hätten ihm wegen des laufenden Bewerbungsverfahrens verboten, darüber zu reden, erklärte Seehofer damals und empfahl: "Es hilft nur noch beten." Das scheint tatsächlich gewirkt zu haben, denn seit 2021 steht fest, dass die TH in der Abtei ihre Gesundheitsstudiengänge unterbringen will, im Endausbau 1.000 Studienplätze.
Aktuell sei bereits das Staatliche Bauamt Passau mit dem Projekt beschäftigt, sagt Hagl. Wann es soweit sein wird, dass weiteres Leben ins Kloster und in die 4.400 Einwohner zählende Marktgemeinde Metten einzieht, wird sich zeigen.
Natürlich werde sich der Ort verändern, räumt der Abt ein. Aber: "Junge Menschen sind nicht lästig, sondern immer eine Chance." Auch das ordenseigene Gymasium mit seinen derzeit 430 Schülerinnen und Schülern liegt ihm am Herzen.
So erreiche die in der Krise steckende Kirche heute immer noch junge Menschen und könne ihnen ein anderes, positives Bild von sich vermitteln als jenes, das derzeit in der Öffentlichkeit bestimmend ist. Beim Problem Kindesmissbrauch plädiert Hagl dafür, es in der Kirche und in anderen gesellschaftlichen Bereichen aufzuarbeiten und sich um die Opfer zu kümmern.
Christentum heiße Vergebung
Jenseits jeglicher Missbrauchsthematik missfällt dem Abt, was inzwischen üblich geworden ist: die mediale Vernichtung von vormals hoch angesehenen Zeitgenossen wegen Fehlverhaltens, egal welcher Art. Christentum heiße Leben aus der Vergebung und das jeden Tag neu. Dazu gehöre die Versöhnung.
Der heilige Benedikt habe dem Abt ins Stammbruch geschrieben: "Er hasse die Fehler, aber er liebe die Brüder." Als Hagl mit dem Philosophen Jürgen Habermas bei dessen Besuch in Metten darüber sprach, habe Habermas spontan gesagt: "Vielleicht hat sich das Christentum in unserer Gesellschaft noch nicht durchgesetzt." Ein bemerkenswerter Satz, findet der Abt.