DOMRADIO.DE: In 40 Jahren wird nur noch gut ein Viertel aller Deutschen zur Kirche gehören – wie sehr erschüttert Sie diese Vorstellung?
Erzbischof Ludwig Schick (Erzbischof von Bamberg): Ja, die erschüttert schon. Aber man kann bei diesen Zahlen in eine Depression verfallen, oder man kann die Zahlen als einen missionarischen Auftrag verstehen – nämlich alles zu tun, damit diese Zahl nicht eintritt. Das muss ja auch nicht sein, wie die Studie eindeutig ergibt.
DOMRADIO.DE: Schuld ist zwar laut der Studie der demografische Wandel. Es sind aber vor allem auch die Austritte, die dort zu Buche schlagen. Warum ist das so, wenn man doch zugleich überall auch ein Bedürfnis nach Spiritualität beobachten kann?
Schick: Die Kirchen müssen sich gut aufstellen, auch neu aufstellen. Sie müssen neu hinhören auf die Menschen. Auch sprachfähiger werden, damit sie die gute Botschaft Jesu und des Evangeliums herüberbringen. Die Menschen warten ja auf Sinnerfüllung. Sie fragen, was das Leben ausmacht, was das Leben wert ist, wo das Leben hingehen soll, was ihm Orientierung gibt. Im Evangelium haben wir eigentlich die Ressource für die Antworten auf all diese Fragen. Wenn wir da mehr bei den Menschen sind, auf ihre Fragen antworten, dann müssen diese Zahlen nicht eintreffen. Und sie sollen nicht eintreffen – um der Menschen willen.
DOMRADIO.DE: Wie kann das gelingen? Sie haben gesagt, eine einfachere Sprache wählen, man muss bei den Menschen sein. Haben Sie konkrete Vorschläge?
Schick: Wir werden in unseren Seelsorgeabteilungen im Priesterrat jetzt erst einmal überlegen, was wir eigentlich tun sollen und müssen. Wir wissen sehr genau, dass die Menschen, die aus der Kirche austreten, einen längeren Prozess der Entfernung hinter sich haben. Wir müssten gleich zu Beginn dieses Entfremdungsprozesses bei den Menschen sein.
Wir müssten einfachere Liturgien schaffen, mehr Seelsorge von Person zu Person. Und vor allen Dingen lässt sich vieles bei den Kasualien verbessern – also Beerdigungen, Taufen – und vieles näher bei den Menschen vollziehen. Das sollten wir tun. Wir müssen eine bessere Familienpastoral haben. Das muss auch in Deutschland ökumenisch besser gehen, weil wir viele konfessionell verschiedene Paare und Familien haben. Es lässt sich vieles tun und ich bin da auch hoffnungsvoll. Aber wir müssen beginnen.
DOMRADIO.DE: Die Entwicklung bedeutet, wenn sie denn so kommt, auch weniger Kirchensteuereinnahmen. In allen Bistümern gibt es Reformdiskussionen. Wie sieht es bei Ihnen in Bamberg aus?
Schick: Wir haben auch eine Reformdiskussion. Wir haben unsere Finanzen neu aufgestellt. Wir stehen ganz gut da. Wichtig ist, dass wir in den nächsten Jahren anpassungsfähig bleiben – wenn es wirklich zurückgeht, dass wir bestimmte Stellschrauben haben. Wir haben solche erkannt, an denen wir uns dann immer wieder anpassen müssen, damit wir nicht in die roten Zahlen kommen. Das darf in der Kirche nicht passieren und muss auch nicht passieren, wenn man bei den Finanzen aufmerksam ist und die Finanzen für die Menschen einsetzt, die dann auch bei der Kirche bleiben und die Kirche mit ihren finanziellen Mitteln wiederum unterstützen.
Das Gespräch führte Tobias Fricke.