domradio.de: Wählen ist für jeden Christen eine Pflicht, das sieht auch Kardinal Woelki so - gilt das auch für Sie?
Norbert Michels (Geschäftsführer des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Köln): Auf jeden Fall, weil ich finde, dass wir als Christen ein Teil dieser Gesellschaft sind. Wir vertreten verschiedene Werte und das fordert uns geradezu heraus, an dieser Gesellschaft mitzubauen. Bei einer Wahl geht es immer um den Mitbau der Gesellschaft und dafür sind wir als Christen auf der Grundlage unserer Werte verantwortlich.
domradio.de: Jeder kann sich frei zur Politik äußern - auch die Kirchen. Das haben Sie im Vorfeld der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen auch gemacht. Jetzt sagen einige Leute aber auch, dass die Kirche, einfach nur Kirche sein soll. Was sagen Sie denen?
Michels: Das war eine Zeit lang leider so, dass wir uns als Kirchen sehr zurückgehalten haben und das sogenannte "Sakristeien-Christentum" gepflegt haben. Das finde ich falsch. Als Christen stehen wir mitten in der Welt und wie gesagt, wir haben Werte, die wir die zehn Gebote nennen. Das ist unser Grundgesetz und diese Werte müssen wir offensiv nach außen vertreten und deshalb gehört es sich auch, dass wir uns zu der Wahl einmischen.
domradio.de: Wählen eine "Christenpflicht" - das sieht auch unser Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki so: Nicht hingehen, geht gar nicht. Bleibt die Frage: Wo macht man als Christ sein Kreuzchen? Haben Sie auf diese Frage eine Antwort?
Michels: Wir haben zunächst mal ein Grundgesetz und danach ist jeder Mensch gleich und wir haben dann unseren sogenannten christlichen Wertekanon und da steht auch drin, dass jeder Mensch vor Gott gleich ist und deshalb sind die Parteien zu wählen, die die demokratischen Grundregeln in ihrem Parteiprogramm haben. Es sind die Parteien zu wählen, die die Menschen nicht ausgrenzen, die klar feststellen: Jeder Mensch ist in unserer Gesellschaft und vor Gott gleich zu behandeln und danach kann man sein Kreuzchen machen.
domradio.de: Das schließt schon einige Parteien definitiv aus.
Michels: Parteien, die aus unserer Sicht radikal sind, die Menschen ausgrenzen, sind aus unserer Sicht auch nicht zu wählen.
domradio.de: Nun haben aber einige Menschen Sorge um die christliche Kultur. Die überlegen sich dann zum Beispiel die AfD zu wählen, weil sie vielleicht ihre eigene Menschenwürde gefährdet sehen. Was sagen sie denn diesen besorgten Bürgern?
Michels: Sorge muss man immer ernst nehmen, da steckt auch immer etwas hinter. Da sage ich: Diese Probleme sind auch hausgemacht, auch von den sogenannten etablierten Parteien. Die haben einen Großteil der Menschen in unserem Land nicht nur mit ihrem Parteiprogramm, sondern auch ansonsten nicht mitgenommen. Ich habe oft mit Höhergestellten und Ministern zu tun und wenn ich sie anfrage und so viele Hürden aufgebaut werden, bis ich überhaupt mal eine vernünftige Antwort bekomme, dann sage ich: Da fehlt schon die Bürgernähe.
Man kann sich nicht mit jedem Bürger auseinandersetzen, wenn man ein Ministeramt innehat, aber man muss zumindest jeden Bürger ernst nehmen, man muss die Dinge ernst nehmen und man muss versuchen auch und gerade in der heutigen Zeit, Kommunikation nochmal auf andere Art und Weise zu praktizieren. Das heißt auch, dass man von Auge zu Auge miteinander spricht.
Das Gespräch führte Verena Tröster.