Die einen schreiben von einem "tiefgreifenden institutionellen Wandel" und sprechen von einer "Revolution" in der Kirche. Der luxemburgische Kardinal Jean-Claude Hollerich hält es zumindest für eine wichtige Veränderung: Künftig dürfen auch Frauen bei den weltweiten Bischofsversammlungen im Vatikan mitstimmen. Mit ihnen ebenso Priester und Ordens- sowie Laien-Männer. Die Synode soll damit zu einer Ikone der ganzen Kirche werden.
Von Kollegialität zur Synodalität
Nach den nun vorgenommenen Änderungen durch Papst Franziskus verschiebt sich der Fokus der Bischofssynode von der Kollegialität zur Synodalität: von der Beratung des Papstes durch die Bischöfe als Träger des ordentlichen Lehramtes hin zum gesamten Volk Gottes, aus dem der Papst seine Berater wählt.
Vorgeschlagen werden jeweils 20 Teilnehmer von den sechs kontinentalen Bischofsräten und der Versammlung der Patriarchen der katholischen Ostkirchen. Aus diesen insgesamt 140 vorgeschlagenen Personen wählt der Papst die endgültigen 70 nicht bischöflichen Synodenteilnehmer aus. Sie machen etwa 25 Prozent der Gesamtteilnehmer der Synode aus. Und das mit Frauenquote von 50 Prozent.
Ausschließend beratend
Paul VI. hatte im Anschluss an das 2. Vatikanische Konzil (1962-1965) die Bischofssynode als ständige Einrichtung geschaffen. Sie sollte den Episkopat der Weltkirche repräsentieren und die Kollegialität von Papst und Bischöfen unterstreichen. Dabei entscheidet sie nicht selbst, sondern berät den Papst.
Dieser bestimmt ihre Mitglieder, beruft sie ein und nimmt in der Regel an den Sitzungen teil. Offen zutage tretenden Dissens zwischen Papst und Synode gab es daher nicht. Gleichwohl wäre beispielsweise die postkonziliare Liturgiereform nie so umgesetzt worden – hätte sich Paul VI. an das Votum der Bischofssynode gebunden gefühlt.
Neues Verständnis von Synode
Der eher dem progressiven Camp zuzurechnende italienische Theologe Andrea Grillo sieht in dem gesetzgeberischen Schritt von Franziskus denn auch die Stärkung der "Autorität des Gottesvolks", die man nicht "einfach auf bischöfliche Autorität reduzieren" könne.
Doch weist der an der Benediktiner-Hochschule Sant'Anselmo in Rom lehrende Liturgiewissenschaftler auch daraufhin, dass sich nun ein neues Verständnis von Synode auf weltkirchlicher Ebene herausbildet. Eines, das sich von jener des christlichen Ostens stärker abhebt.
Mildert die hierarchische Struktur
Dort sind nur Bischöfe Teil der Synode. Die Synode des neuen Typs mischt sie dagegen mit dem Modell der westlichen Diözesansynode, an der seit dem 2. Vatikanischen Konzil neben Klerikern auch Laien teilnehmen dürfen. Diese Veränderung, so unterstreicht Grillo, mildere die hierarchische Form der Kirche.
Doch entgeht seinem Blick nicht, dass Priester, Ordensleute und Laien keineswegs gewählt, sondern durch den Papst ernannt werden. Sie seien nicht als "Vertretung" von Gruppen oder des Volkes Gottes gedacht, sondern als "Erinnerung" an den prophetischen Weg der Synode. Dadurch aber bestätigten sie die "bischöfliche" Qualität der Synode – sind sie doch Synodale nur durch den Gesetzgeber, den Bischof von Rom.
Papst Franziskus setzt mit diesem Reformakt folgerichtig seinen Kurs fort, den er bei der Kurienreform mit "Praedicate Evangelium" bereits beschritten hat. Seitdem können auch Laien und Priester in höchste Kurienämter berufen werden und sind in den Dikasterien stimmberechtigt als wären sie Bischöfe.
Kritiker sehen darin eine gewisse Verflüssigung der Ekklesiologie des 2. Vatikanischen Konzils, die das Bischofsamt stärkte und Regierung der Kirche und Weihegewalt eng aneinanderband. Die Auflockerung dieser engen Bindung, die vor allem von Franziskus' Rechtsberater, Kardinal Gianfranco Ghirlanda, vorangetrieben wird, lässt theologische Kritiker zürnen. Der jesuitische Kirchenrechtler und Ex-Rektor der Gregoriana wird in manchen Kreisen bereits als ein "Vorkonziliarer" bespöttelt.
Erfolg oder Misserfolg?
Der Erfolg oder Misserfolg der Weltsynode in diesem und nächstem Herbst 2024 werden das neue synodale Modell der "Weltbischofsversammlung" richten. Falls das Modell wie Berninis Kolonnaden auf dem Petersplatz das ganze Volk Gottes umarmend zu bergen vermag und es zur Überwindung von Polarisierungen taugt, dürfte dies den Weg für weitere Veränderungen in kirchenrechtlicher Hinsicht bereiten. Die würden dann auch eine größere Beteiligung von Ordensleuten und Laien in Bistümern ermöglichen.
Der Kirchenhistoriker Alberto Melloni hingegen, Leiter der in der Erforschung des letzten Konzils federführenden "Schule von Bologna", kritisierte bereits Franziskus' Kurienreform. Ihr Prinzip sei eine These, "die den Kern des Zweiten Vatikanischen Konzils trifft und einen entscheidenden Punkt für die Zukunft der Kirche darstellt". Sie stehe im Gegensatz zur konziliaren Theologie.
Die neue Kurienverfassung gebe Laien die Möglichkeit, Ämter zu empfangen, ausgestattet mit einer Leitungsgewalt, die die Kirche an den Empfang der heiligen Weihe geknüpft habe. "Indirekt bekräftigt das, dass die Leitungsgewalt in der Kirche nicht vom Sakrament der Weihe herrührt, sondern aus der kanonischen Mission heraus, sonst wäre das, was in der Apostolischen Konstitution selbst vorgesehen ist, nicht möglich."
"Theologische Niederlage für Bannerträger des Progressismus"
Während in manchen Kreisen Kardinal Ghirlanda als Krypto-Traditionalist geframt wird, ist der römische Historiker Roberto de Mattei fast entzückt über die gesetzgeberischen Novitäten des Jesuitenpapstes "vom Ende der Welt". Der dem konservativen Lager des italienischen Katholizismus zuzuordnende Professor konstatierte aufgrund von Mellonis Einwänden gegen Reformprojekte von Franziskus bereits eine "schwere theologische Niederlage für die Bannerträger des Progressismus". Ähnlich wie bei der Reform des Malteserordens habe das Eingreifen des Papstes entgegen der Erwartungen zu einer Stärkung klassischer Positionen geführt.
Für die Kurien- und Synodenreform bedeute dies, dass die Regierungsgewalt allein vom Petrusamt abgeleitet wird und nicht aus dem Sakrament der Bischofsweihe. Für die Reform der Bischofssynode gilt das hinsichtlich des Stimmrechts für Nicht-Bischöfe. Doch gibt es auch hier ein gewisses historisches Vorbild. Bis vor Jahrzehnten waren auch Kardinäle in den römischen Kardinalskongregationen gleichberechtigt, auch wenn sie keine Priester- oder Bischofsweihe empfangen hatten. Egal wie man die Reformen durch Papst Franziskus bewerten mag – Grillo, Melloni und de Mattei stellen trotz aller Differenzen fest: Durch die Reformen gewinnt vor allem einer an Macht – der Papst.