"Drei Gaben sind es, die die Magier dem Herrn brachten: Gold, Weihrauch und Myrrhe, dem Sohn Gottes, dem großen König." So berichtet es wörtlich der Evangelist Matthäus. Das Überreichen von Huldigungsgeschenken an der Krippe in Bethlehems Stall bildet den Höhepunkt seiner Erzählung von den drei Weisen aus dem Morgenland. Die drei Könige aus fernen Ländern, die oft als Repräsentanten sehr unterschiedlicher Kulturkreise interpretiert werden, sind damit am Ziel ihrer beschwerlichen Reise angekommen. Ein Stern hat ihnen den Weg gewiesen. Nun knien sie vor einem Kind nieder, von dem es heißt, er sei der Erlöser der Welt, der Mensch gewordene Sohn Gottes, und bringen ihm als Ausdruck ihrer Verehrung das Kostbarste, das sie besitzen.
Unter dem lateinischen Titel "Tria sunt munera" ist diese biblische Episode auch in das gregorianische Responsorium des frühen elften Jahrhunderts, den Wechselgesang zwischen Vorbeter und Gemeinde, eingegangen. Und im Kölner Dom gilt diese mittelalterliche Vertonung, die den Charakter eines Introitus hat und daher oft von den Sängerinnen und Sängern der Domchöre als Prozessionsgesang zum Einzug in die Kathedrale angestimmt wird, seit vielen Jahrzehnten als deren typische Erkennungsmelodie.
Kein Wunder, dass die ursprüngliche Schreibweise dieser Musik – quadratförmige Noten auf vier Linien in Gold, das mit dem Dreikönigenschrein korrespondiert – auch im Kölner Dom selbst verewigt wurde, nämlich als Türsturz über dem Aufgang von der Orgelempore zum Probenchorsaal im vierten Stock. Und genauso wenig verwunderlich ist es, dass Domkantor Oliver Sperling, Leiter des Mädchenchores am Kölner Dom, hier einen seiner Lieblingsorte ausmacht. Denn als es das Chorpodest im südlichen Seitenschiff noch nicht gab, sangen die Domchöre bei Messen mit Orgelbegleitung immer in unmittelbarer Nähe zur Orgel, folglich auf der Empore, allerdings beim Antwortgesang und Halleluja ohne Dirigenten, der sich zu diesem Zeitpunkt als Kantor bereits unten am Ambo auf der Altarinsel befand, was einen Blickkontakt unmöglich machte.
Das "Tria sunt munera" muss jeder auswendig können
"Ganz schön stressig war das Hin und Her", findet Sperling rückblickend und ist froh, dass für den Kantorendienst inzwischen nur noch kurze Wege zwischen Chorpodest und Vierung notwendig sind und dadurch auch die akustische Verständigung von Vorsänger und Chor viel besser gelingt. "Trotzdem, mal abgesehen vom Musikalischen, hatte das was", erinnert sich der Dommusiker. "Bei jedem Dienst in der Liturgie, zu jedem Kapitels- oder Pontifikalamt musste man diesen Treppenabsatz passieren, unter dem 'Tria sunt munera' durch, um Aufstellung auf der Orgelempore zu nehmen. Das war für mich immer ein besonderes Gefühl – so wie es bis heute berührend ist, an Festtagen unter dem Dreikönigenschrein – den Reliquien von Caspar, Melchior und Balthasar – herzuziehen und den Segen über sich zu spüren, der von ihnen ausgeht. Schließlich gehören die Heiligen Drei Könige zu unserer Identität." Von daher müssten das "Tria sunt munera", das für die Dommusik eine Art inhaltlicher Klammer darstelle, schon die ganz Kleinen drauf haben. "Zur Aufnahme in den A-Chor ist das Voraussetzung. Jeder sollte es auswendig können."
Bis heute liebt Domkantor Sperling diesen Panoramablick, den er zu Beginn seines Domdienstes 1991 immer von der Empore aus in den "Säulenwald" der gotischen Architektur, wie er den Raumeindruck mit den vielen filigranen Bündelpfeilern nennt, hatte. "Ich bin ein Fan von Proportionen – auch in der Musik", betont er und lässt gerne sein Auge über das weitläufige Innere und die gegenüberliegende Fensterfront schweifen. "Mich fasziniert, wenn es immer noch etwas Neues zu entdecken gibt – in einer Komposition genauso wie hier in diesem Gotteshaus."
So hat es dem Chorpädagogen ganz besonders auch das in den 1960er Jahren entworfene "Kinderfenster" angetan, das Kinderszenen aus dem Alten und Neuen Testament zeigt. Steht er an der Balustrade der Orgelempore, befindet sich diese detailreiche Glasmalerei vis-à-vis auf Augenhöhe. Auch so ein eher unspektakulärer Lieblingsort des 58-Jährigen, dem die musikalische Arbeit mit Kindern – speziell die Chorarbeit mit seinen Sängerinnen – zu einem Herzensanliegen geworden ist, so dass er diesem Ensemble manchem Abwerbungsversuch und potenziellen Karrieresprung zum Trotz aus Überzeugung inzwischen mehr als drei Jahrzehnte treu geblieben ist.
Es geht um berühren und darum, berührt zu werden
Er schätzt die Konstanz und Leistungsfähigkeit seiner Sängerinnen, das spezielle Klangbild des Mädchenchores, dessen Formung maßgeblich sein Verdienst ist und den er immer wieder zu international konkurrenzfähigem Spitzenniveau motiviert. "Musik entsteht oder sie entsteht nicht", kommentiert Sperling. "Dieses Gefühl, den Punkt zu erreichen, an dem alle wissen, worum es geht – das erst ist dann Interpretation, die tief innerlich berührt." Und darum geht es dem Musiker: zu berühren und berührt zu werden. Dabei liege das Geheimnis des Erfolgs im Wechselspiel zwischen Geben und Nehmen beider Seiten, sagt er. Chorleiter und Chor müssten auf dasselbe Ziel hinarbeiten. "Ich kann dem Ensemble meine Handschrift geben, es prägen. Aber das gelingt nur, wenn sich alle darauf einlassen und dasselbe wollen."
Seine Entscheidung damals für den Mädchenchor, der sich nach seiner Gründung 1989 durch Domkapellmeister Eberhard Metternich recht schnell und gleichberechtigt zum traditionsreichen Knabenchor entwickelte, habe er nie bereut – auch wenn geistliche Chorliteratur für Mädchenstimmen nicht immer "passgenau" zu finden ist und er daher nach und nach manch eigene Komposition – Liedsätze, Motetten oder auch eine "Johannespassion" – für seinen Chor selbst geschrieben hat. Dass er über das Medium Musik gleichzeitig auch von der Kirche und seinem persönlichen Glauben spricht, ist für den Mitarbeiter der Hohen Domkirche eine Selbstverständlichkeit – genauso wie er die gelingende Beziehungsarbeit mit Generationen von Teenagern, die im Mädchenchor ein tragfähiges soziales Netz für sich finden, als großes Glück betrachtet.
Strauß-Operette "Fledermaus" war ein Schlüsselerlebnis
Dabei vermittelt er vor allem, was er selbst als langjähriges Mitglied der Essener Domsingknaben erlebt hat: eine große Liebe zur Musik und nachhaltige Gemeinschaftserlebnisse. So wie er von starken Vorbildern profitiert hat, will er selbst eines sein. Auch dem Großvater, der ihn früh gefördert hat, verdankt Oliver Sperling viel. Er ist es auch, der den Zeitungsartikel, mit dem die Essener Domsingknaben 1974 um Nachwuchs werben, entdeckt und dem Neunjährigen, als sich sein Talent zeigt, ein Klavier schenkt. Da beeindruckt der Grundschüler bereits damit, dass er die Strauß-Operette "Die Fledermaus", die er im Fernsehen sieht – "ein Schlüsselerlebnis für mich" – vom ersten bis zum letzten Ton mitsingen kann.
Beim Essener Domkantor und späteren Domkapellmeister Georg Sump bekommt der junge Chorsänger seine erste Stimmbildung und später auch Klavierunterricht. Mit 15 darf er Herrenproben leiten, korrepetieren und Continuo spielen und hat damit auch erste öffentliche Auftritte im Essener Dom und im Essener Saalbau, der späteren Philharmonie. Überhaupt habe ihn Sump, der ihm zum Mentor wird, immer machen lassen, würdigt Sperling seinen einstigen Lehrer, dem er seine fundierten Kenntnisse in Harmonielehre und Tonsatz verdankt. "Eigentlich habe ich damals so etwas wie eine private C-Ausbildung absolviert, ohne dass ich dafür je offiziell angemeldet war", erklärt Sperling, der schließlich im Alter von 16 Jahren seine ersten Gottesdienste an der Domorgel spielt.
Aus eigener Erfahrung weiß er, dass eine Chorgemeinschaft für Kinder und Jugendliche sehr prägend sein kann. "Man lernt einander intensiv kennen, auch aushalten – und wertschätzen, wenn jemand etwas Besonderes kann." Irgendwann sei ihm dann klar gewesen, dass er genau dasselbe machen wollte wie sein großes Vorbild Georg Sump. "Einzelgänger an der Orgel – das kam für mich nicht infrage. Eher schwebte mir vor, selbst mit einem Chor zu arbeiten und in Gemeinschaft das zu erleben, was mich selbst geformt hatte."
Überaus fleißiges Pensum
Sperling studiert katholische Kirchenmusik und bewirbt sich gegen Ende des Studiums auf eine ausgeschriebene Assistentenstelle beim Kölner Domchor. Die Examensurkunde – ergänzt durch die Auszeichnung eines "Folkwang-Preises" – reicht er drei Monate später, in denen er den Ernstfall einer Doppelbelastung testet, nach. Bis heute absolviert der zweite Mann in der Kölner Dommusik ein überaus fleißiges Pensum, bei dem in Spitzenzeiten Liturgie, Konzerte und die zusätzliche Beteiligung an Opernprojekten wie gerade jetzt zur Weihnachtszeit zusammenkommen. Auch sein Anspruch – ob im Dom oder Konzertsaal – nur gute Musik abzuliefern, hat sich nie verändert.
"Diese Vielseitigkeit macht mir einfach Freude, auch wenn die Feier der Liturgie immer an erster Stelle steht. Wer mit Glaube nichts am Hut hat, wird bei uns nicht glücklich", formuliert Sperling mit Nachdruck. "Denn darum geht es: um das 'heilige Spiel' auf höchstmöglichem Niveau, wobei die Musik nie nur Selbstzweck ist."