Eichstätter Bistumsvertreter über den Sinn von Kirchenführungen

"Etwas Inszenierung ist doch nichts Verwerfliches"

Im Bistum Eichstätt startet ein neuer Kurs zum Thema Kirchenführungen. Aus diesem Anlass spricht der Direktor des zuständigen Diözesanbildungswerks, Ludwig Brandl, über gut und schlecht geleitete Gänge durch ein Gotteshaus.

Autor/in:
Christopher Beschnitt
 (DR)

KNA: Herr Brandl, was darf bei einer Kirchenführung keinesfalls passieren?

Ludwig Brandl (Direktor des KEB - Diözesanbildungswerks Eichstätt): Dass man Folgendes vergisst: Kirchen wurden nicht als Tourismusattraktion gebaut.

KNA: Was heißt das?

Brandl: Es muss bei einer Kirchenführung darum gehen, Geist und Herz für das Transzendente zu öffnen, den Menschen den sakralen Charakter des Raumes klarzumachen, in dem sie sich befinden. Sie sollen verstehen, dass eine Kirche zwar ein Raum in der Welt ist - aber zugleich auch einer, der über diese Welt hinausweist.

KNA: Also Führung gleich Glaubensvermittlung?

Brandl: Nein, nein, diese Gleichung wäre zu einfach. Es müssen nicht hinterher alle als die frömmsten Katholiken heimgehen. Wichtig ist zunächst die Vermittlung von Ästhetik als etwas Wertvollem, von Schönheit als etwas Göttlichem, als einem Schöpfungsakt. Wenn ich als Führungsteilnehmer nur eine leise Ahnung davon bekomme, dass hinter dem, was mich umgibt, etwas Größeres stehen könnte, dann ist schon etwas gewonnen.

Es muss folglich darum gehen, eine Kirche nicht nur geschichtlich oder kunsthistorisch zu erschließen, sondern gerade auch in Bezug auf ihre spirituelle Kraft. Und im Idealfall vermittelt eine Führung auch etwas vom Glauben der Kirche.

KNA: Was muss ein Kirchenführer leisten, damit das gelingt?

Brandl: Er muss zunächst einmal selbst vom Thema bewegt sein. Es geht also um eine Persönlichkeit, die begeistert von der Kirche, die erschlossen wird, sein sollte und zugleich andere begeistert. Einfach ein paar Daten und Fakten herunterzuspulen, reicht nicht. Damit würde man sein Publikum nicht ernst nehmen, was man aber natürlich tun sollte.

Deshalb halte ich es auch für wichtig, ein Konzept zu haben: Wo beginne ich, wo höre ich auf, was erläutere ich genauer? Eine Kirche ist ja meist viel zu groß, als dass sie in einer Stunde vollständig erklärt wäre.

KNA: Sie haben das Publikum angesprochen. Das kann ganz verschiedener Herkunft sein.

Brandl: Richtig. Es macht natürlich einen Unterschied, ob ich eine Pfarrgruppe, eine gemischte, vielleicht religiös gleichgültige, oder eine geschlossene Gruppe wie Schüler oder Architekten durch das Gotteshaus geleite. Je nachdem muss ich vielleicht nicht auf Säulen mit blockartigen Kapitellen als Kennzeichen romanischer Baukunst verweisen, dafür aber die Bedeutung von Weihwasser erklären.

Kinder beispielsweise interessieren sich immer sehr für Legenden, darüber kann man ihnen gut Heilige näherbringen. Kinder sind übrigens ein besonders spannendes Publikum.

KNA: Inwiefern?

Brandl: Sie bringen meist viel Lebensdrang mit und können noch unbefangen staunen. Es ist toll zu sehen, wie plötzlich etwas von der Schöpfungskraft des Schönen auf sie wirkt - Farben, Lichter und Gerüche etwa, ein Bild. Und dann haben Kinder ja noch dieses hohe Auffassungsvermögen, sie saugen alles auf wie ein Schwamm.

Wer weiß, wohin sie das einmal führt. Vielleicht näher zu Gott. Wer als Kirchenführer arbeitet, der sät, ohne dass er unbedingt schon die Ernte in Sichtweite hätte.

KNA: Lichter und Gerüche - darf ein Kirchenführer solche Mittel auch gezielt einsetzen?

Brandl: Natürlich. Man kann beispielsweise eine angestrahlte Figur zeigen, man kann im Dunkeln eine Taschenlampen-Führung machen, man kann dann in die Kirche gehen, wenn noch Weihrauch in der Luft schwebt, oder man kann auch einen CD-Spieler einpacken oder gleich einen Musiker bitten, ein bisschen an der Orgel zu spielen. Solche kleinen Tricks und Hilfsmittel schaden nicht, etwas Inszenierung ist doch nichts Verwerfliches. Sie dient vielmehr einer eindrücklicheren Sinneserfahrung.


 Ludwig Brandl, Direktor des KEB - Diözesanbildungswerks Eichstätt / © Christopher Beschnitt (KNA)
Ludwig Brandl, Direktor des KEB - Diözesanbildungswerks Eichstätt / © Christopher Beschnitt ( KNA )
Quelle:
KNA